Den 21. Julius

Zuerst werde ich überhaupt von dieser Hauptstadt reden und dann nur von jenen Merkwürdigkeiten, welche wir selbst in der kurzen Zeit von drei Tagen, während welchen wir uns darin aufhielten, in Augenschein genommen haben, etwas bemerken. Man müsste ganze Bücher schreiben, wenn man sich auf alles Seltene, Prächtige und Merkwürdige einlassen wollte. Von der Größe der Stadt, von der Anzahl und Beschaffenheit der Einwohner, von der Fruchtbarkeit des umliegenden Landstriches und einigen Privatpersonen sollen am Ende dieses Teiles einige Bemerkungen zum Vorschein kommen, ob sich gleich in so kurzer Zeit nicht alles bemerken ließ.

München liegt am Isarflusse in einer fast unabsehbaren Ebene; nur sieht man in der weitesten Entfernung die Tyroler und dann die Salzburger Gebirge. Gegen Unterbayern ist es mit Laubwäldern umgeben. Diese Stadt soll eine der schönsten und volkreichsten Städte Deutschlands sein. Sie hat doppelte Mauern, welche mit einigen Hornwerken und Ravelins ausgespickt sind, schöne Wälle, und auf der Landseite einen dreifachen tiefen Graben. Die Gassen sind breit, jene an der Hauptwache besonders; es gibt schöne und überhaupt recht große Plätze darin, jenen besonders, woran das Haus der Landstände hingebaut ist. Auf diesem Platze, wo auch der Getreidemarkt gehalten wird, steht eine marmorne Säule von beträchtlicher Höhe, mit einem eisernen Gitterwerk eingefaßt, worauf eine eherne vergoldete Statue der göttlichen Mutter sich befindet1). Die Häuser, besonders die an der Hauptgasse, sind sehr prächtig und allemal vier oder fünf Stockwerke hoch, auch kann man bei einigen sechs Stockwerke zählen. Eine große Anzahl majestätischer Tempel, öffentlicher Gebäude, gräflicher, freiherrlicher und Privatpaläste verschönern die Stadt ungemein. Dahin gehören der Flachsländische, Berzenheimische, Minuccische. Graf Dörring'sche und Graf Preysing'sche Palast, die Höfe der Klöster u. s. w.


1) Die Mariensäule auf dem Schrannenplatz wurde vom Kurfürsten Maximilian I. im Jahre 1638 errichtet zur Erinnerung an seinen Sieg vom 7.November 1620 am weißen Berge bei Prag über den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, und zum Dank für die Erhaltung der Kurwürde und die Abwendung der Gefahr beim Einzug der Schweden in München im Jahre 1632. Am Sonntag nach Allerheiligen 1638 wurde die Säule feierlich eingeweiht und galt seitdem gleichsam als Bayerns Nationalheiligtum. Vergl. Kist, Erlebnisse eines deutschen Feldpaters, Innsbruck 1888, S. 287—292.

Wir nahmen am Morgen einen Lehn- oder Lohnlakaien, deren es in jedem Gasthofe genug gibt, zu unserm Dienst an, der uns an alle die Orte hinführen mußte, die wir besehen wollten. Wir fingen mit der Chorherren-Stiftskirche zu unserer Lieben Frau an. Es ist ein dunkler, gotischer, dreigängiger Dom mit zwei Kuppeltürmen. Die Kirche ist von 1468 bis 1488 sammt den Türmen aus fast lauter gebackenen Steinen erbaut worden. Die Kirche ist just so lang als die Türme hoch sind, nämlich 336 Schuhe, die Hauptmauern der Türme sind 11 Schuhe dicht; oben im Türme hängt eine alte Tafel, worin dies alles nebst der Berechnung der Höhe anderer berühmter Türme angeschrieben steht, welche ich, weil ich sie dort ausgeschrieben habe, auch hier ansetze. Der Landshuter beträgt 443, der Wiener 464, der Straßburger 578 Schuhe in der Höhe. Ein jeder der Münchener hat inwendig 480 Stufen. Die Kirche hat 30 Fenster, jedes 70 Schuhe hoch, worunter sich, sowie in allen alten Kirchen, viele auf Glas eingebrannte Malereien befinden. Das Pflaster der Kirche ist durchaus von Marmor, die Stühle von eichenem Holze und oberhalb mit gelbem Messingbleche beschlagen. Die Kirche selbst ist vor einigen Jahren, was die innere Verzierung betrifft, ausgebessert und heller gemacht worden. Wenn man zum Hauptportale hineinkommt, so zeigt man einen gemeinen Mannsschuh in das Pflaster eingehauen; wenn man darin aufrecht steht, so sieht man kein einziges Fenster in der ganzen Kirche. Sie enthält etwa 30 Altäre.

Wir stiegen bis zum höchsten Knopfe des einen Kirchenturmes, um von da aus die ganze Stadt und die herumliegende Gegend vollkommen übersehen zu können, welches ein in der Tat herrlicher Anblick ist. Wir ließen uns hier die Kirchen, Paläste und Hauptgebäude zeigen und nennen, stiegen herab und besahen noch eine Weile die Kirche. Die Altarblätter sind meist Kunststücke von Rottenhammer, Schwarz, Loth und andern deutschen Meistern. Das Schönste, was man in dieser Kirche sehen kann, ist das berühmte Grabmal Kaiser Ludwig IV., des Bayers, welches eines der schönsten in seiner Art in ganz Europa sein soll. In der Tat ein wahres Denkmal der Pracht und des guten Geschmackes der alten Bayerfürsten. Es steht beim Eintritt in das Chor, und hält in der Länge etwa 16, in der Breite 11 und in der Höhe 13 Fuß. Der Kasten ist von weißem und schwarzem Marmor, und die herumstehenden Figuren sind alle in Lebensgröße aus Erz gegossen. Die Obern Figuren sind allegorisch, nämlich Weisheit und Tapferkeit, die kleinen aber, welche innert dem Kasten auf dem weißen Steine angebracht sind, sind folgende: 1. Ludwig, der Kaiser, in kaiserlichem Zeremonien-Habite, liegend, den Reichsapfel und das Zepter in seinen Händen; 2. der kaiserliche Reichsadler mit dem bayerischen Wappen auf der Brust, unten 3. die Kaiserin Beatrix, mit Stephan, ihrem Sohne. Vor dem Monumente stehen die Herzoge Albert V. und Wilhelm V., der Fromme, welche dies Monument zu errichten befahlen, dann noch eine Aufschrift, welche beweist, daß Max I. dieses Grabmal auf Befehl seiner Voreltern wirklich errichten ließ. In und um die Kirche sind noch viele Sterbemonumente von Erz, Marmor und Holz, von denen einige viele Kunst verraten, andere aber ihrer ungewöhnlichen Größe und noch andere ihres Altertums wegen berühmt sind.

Wir wollten nun Abwechselung haben und begaben uns in die Residenz. Das Residenz-Gebäude macht von außen bei weitem keine so prächtige Aussicht, als es wohl die innere unglaublich reiche Verzierung erheischte. Das Gebäude ist weder in ganz antikem, noch in ganz modernem Stile gebaut; dennoch läßt es sehr majestätisch an. Über den zwei großen marmornen Portalen sind eherne allegorische Figuren aufgestellt, unten beim Eingange halten zierliche, aus eben dem Metall gegossene bayerische Löwen die Wappenschilder, und in dem Mittelabstande zwischen den zwei Portalen ist die Bildsäule der göttlichen Mutter als Patrona Bavariae aus dem nämlichen Metalle angefertigt zu sehen. Von hier kommt man in einen geräumigen Vorhof, wo ein marmorner Brunnen steht; viele metallene Figuren beschäftigen sich da mit Ausgießung des Wassers, auf eine Art, welche das Auge des Zuschauers angenehm unterhält. Wir gingen jetzt durch eine Nebenstiege in die sogenannten „schönen Zimmer“, durch einen Vorsaal, der mit kurfürstlichen Leibwachen (Leibhatschieren) besetzt ist. Allererst kommen zwei Audienzzimmer, das erste für fürstliche und andere Gesandte von geringem Charakter, das zweite, das mit rotem Sammet ausgeschlagen und schön geziert ist, für königliche und kaiserliche Botschafter. Dann folgen die eigentlichen sogenannten „schönen Zimmer“; es sind etwa sechs hintereinander, und sie dienen dem Kurfürsten zur Wohnung. Alle sind hauptsächlich mit den schönsten Originalstücken der größten Maler ausgeschmückt. Kopien gibt es da keine. Die übrigen Verzierungen bestehen nebst den kostbarsten in- und ausländischen Tapeten in einer außerordentlich reichen Sammlung aller Arten Geschirr, Servicen aus echtem chinesischem Porzellan, wobei eine Art ovaler, recht großer Töpfe besonders merkwürdig sind, nicht nur ihrer seltenen Größe, sondern auch ihres bewunderungswürdigen Farbenschmelzes halber. Die Handhaben, die Ringe und Einkleidungen dieser Gefäße sind allemal massiv Gold. Hier ist eine Masse von Spiegeln, welche dielen Zimmern eine Aussicht von einer erstaunlichen Länge und Entfernung geben, indem sie gegen einander passen, und also die Objekte sehr verführerisch vervielfältigen. Von den Lustres und andern goldenen Leuchtern werde ich unten reden. Die Öfen, wo es einige gibt, sind alle so eingekleidet, daß man sie nicht bemerkt. Einer stellt z. B. eine Türe, ein anderer ein Uhrgestell u. s. w. vor. Die Kamine in allen diesen Zimmern sind außerordentlich prächtig, mit marmorneu Götter- oder andern symbolischen Figuren geziert, und die dazu notwendigen Instrumente sind oft aus Gold verfertigt oder doch mit Gold eingekleidet. Die Lustres oder Lampen sind meist ungeheuere Kristallmassen; einige Wandleuchter sind von Gold, auch gibt es unter den Leuchtern Familienstücke, weiche von bayerischen Fürsten oder ihren hohen Anverwandten eigenhändig gearbeitet wurden; ein Leuchter nämlich vom Kardinal Theodor von Bayern 1), den er selbst aus Gold verfertigte; ein anderer vom letztverstorbenen Kurfürsten Max Joseph aus einem einzigen Stück Elfenbein in halb erhabener und durchbrochener Drechslerarbeit, mit einer Menge hervorragender Figuren, ein wahres Kunststück! Unter den schönen Zimmern sind einige kleine Kabinette nicht außer Acht zu lassen. Ich nenne nur zwei davon: das chinesische, welches ganz mit allerlei chinesischen Originalgemälden behangen ist; zwischen diesen Gemälden wechseln von unten bis zu oberst allerlei Arten chinesische Service von echtem Porzellan, auf kleine Gestelle postiert. Die Seltenheit wird diesen chinesischen Gemälden wohl Niemand absprechen, aber als Produkte der Kunst betrachtet, wird sie Niemand bewundern, der nur einige Kenntniß von bildenden Künsten hat, und diese stolze Nation, welche so gern in jedem Fache vor allen andern Weltbürgern obenan stehen möchte, müsste erröten, wenn Stücke europäischer Künstler ihren Schmierereien an die Seite gestellt würden. Gut also, daß sie ganz von den andern entfernt stehen, wo sie den Zuschauer durch ihre Neuigkeit überraschen. Indessen sind dennoch einige perspektivische Vorstellungen gut, die Figuren aber, die Hauptsache im Gemälde, taugen meiner geringen Einsicht nach nichts.

1) Sohn des Kurfürsten Maximilian II. Emmanuel, war geboren 1703, Bischof von Regensburg, Freising und Lüttich, † 1763.

Das Miniatur-Kabinett, auch ein kleines Zimmer, das ganz mit den herrlichsten Miniaturstücken umhangen ist, meist schöne Kopien nach Rubens; ein spielender Orpheus, mitten unter allerlei Arten von Tieren, welcher außerordentlich sein punktiert ist, ist eines der schönsten; er ist etwa einen kleinen Bogen groß und soll allein, wie uns der Zimmerwart sagte, 14,000 Fl. gekostet haben.

Das Schlafzimmer, welches mit etwa drei Fuß hohen Leuchtern und andern Goldgeräte außerordentlich, man möchte fast sagen, überladen ist, ist auch sehr merkwürdig. Darin befindet sich das Paradebett, vielleicht das einzige in seiner Art; die Oberdecke und die Umhänge sind roter Sammet, ja schwer mit Gold gestickt, daß sie sieben Zentner wägen und (wenn man uns nicht etwas aufgebunden hat) 800,000 Fl. gekostet haben sollen. Hier sind auch einige kleine mit Gold gestickte Sessel, eine Arbeit der Kaiserin Amalia1).

1) Die Kaiserin Maria Amalia, die noch wiederholt erwähnt wird, war die jüngere Tochter Kaiser Josephs I. und 1722 mit Karl Albert dem Kronprinzen von Bayern vermählt worden, welcher 1726 Kurfürst wurde und 1742—1745 als Karl VII. die deutsche Kaiserkrone trug. Sie starb 11 Jahre nach ihrem Gemahl, 1756. Es wird von ihr erzählt, daß sie den größten Teil des Tages Andachtsübungen widmete. Bergt. Andlaw, Die Frauen in der Geschichte. II 213.

Weiter besahen wir den ordinären Speisesaal mit einem Orchester, welcher natürlicher Weile auch prächtig meubliert ist. Oben schon habe ich angemerkt, daß in diesen Zimmern, das Miniatur-Kabinett in einem gewissen Verstande ausgenommen, nur die besten Originalen berühmter Maler aufbehalten werden; ich will hier nur einige davon anführen: eine Anbetung der drei Könige von Rubens, einige Portraits von ihm; einige Portraits von van Dyk, zwei Bettelkinder von Murillo, welche Früchte essen, ganz Natur! so daß man sogar den Staub an ihren Fuß-Sohlen so natürlich unterscheidet, daß man in Versuchung gerät, denselben wegwischen zu wollen; eine Mutter Gottes und eine heilige Anna von Albrecht Dürer, dem Wiederhersteller der bildenden Künste in Deutschland; von Manfredo eine Gesellschaf von Musikanten, die man sozusagen singen hört; eine h. Cecilia von Poussin; ein vom Kreuze abgenommener Leib unseres Heilandes, wie er von den Seinigen betrauert wird, vom Nämlichen. Doch ich würde an kein Ende kommen, wenn ich auch nur die auffallendsten Stücke trocken verzählen wollte.

Nun etwas zur Abwechselung von der kleinen Hofkapelle, welche in der Tat den Namen „die Schöne Kapelle“, wie sie genannt wird, verdient. Gleich aus den „Schönen Zimmern“ tritt man in dieselbe hinein. Sie ist eigentlich nicht die Hofkapelle, denn die große Hofkapelle ist gerade unter der schönen und hat, den Tabernakel von Silber und Gold und einige Gemälde ausgenommen, weiter nichts besonders Merkwürdiges. Die schöne Kapelle ist sehr enge, ihre Kostbarkeiten sind fast unbeschreiblich, Edelsteine, Gemmen, Perlen sind über das Gold, das aller Orten hervorglänzt, gleichsam ausgesät; von Silber trifft man hier nichts an, außer nur, wenn es auf eine recht künstliche Art verarbeitet ist. Der Boden selbst ist von lauter seltenen und auch zum Teil von Edelsteinen, z. B. Agath, Lapislazuli, Granat, eingelegt. Die Wände sind alle mit der zierlichsten Steinmosaik ausgeschmückt. Die Seltenheiten dieses Ortes enthalten entweder heilige Reliquien, reich gefaßt, oder aber andere Kunststücke; von beiden melde ich etwas. Neben dem Altare, welcher ganz von Ebenholz ist und ein silbernes Altarblatt hat, das die Kreuzigung vorstellt, sind zwei Särge von Ebenholz ausgestellt, darin sich zwei unschuldige Kinder befinden. Diese Kästen sind mit einer so unzählbaren Menge alter geschnittener Gemmen übersät, daß diese allein schon ein ganzes Kabinett formieren könnten. Dann folgt auf der rechten Seite ein Kasten, worin sich die Hände von St. Anna, St. Johann des Täufers, St. Chrysostomus, St. Katharinen und St. Dionys von Areopagus (von jedem nämlich eine), aufs prächtigste gefaßt, finden; eine Reliquie vom h. Johann von Nepomuk, welche Kaiser Karl VII. mit 141 Brillanten besetzen ließ, verschiedene andere heilige Gefäße und Sachen, welche unter den Kunststücken vorkommen sollen; der Kasten selbst ist mit Kristallgläsern verschlossene auf welchen herrliche Figuren von Engeln und den vier Evangelisten von einer sehr künstlichen Zeichnung eingeschnitten sind. Neben dem Eingange sind wieder zwei dergleichen von Ebenholz mit den kostbarsten Reliquien, welche wieder auf eine Art gefaßt sind, die Verwunderung erweckt. Darin sind besonders merkwürdig große Kreuzpartikel, ein Stück vom Nachtmahltuche, Handschriften des h. Ignatius von Loyola, goldene Krenzbilder u. s. w. Von Kunststücken melde ich nur jene, die mir eben beifallen; man müsste sich Monate lang dahinstellen, wenn man alles Seltene ausmerken wollte. Auf dem Altare ist eine Monstranz von Gold ganz mit den seltensten Edelsteinen und ungeheuer großen Perlen besetzt. Auf dem Nebenkasten ein Muttergottesbild, etwa 10 Zoll hoch, welches St. Lukas gemalt haben soll, welches aber des tiefen Alters halber ganz schwarz und schmierig aussieht; ein Rosenkranz von Elfenbein, so klein verarbeitet, daß man ihn mit genauer Not sieht; viele Gefäße mit den schönsten Basreliefs; eine kleine hölzerne Kugel in der Größe eines kleinen Apfels, worin zu beiden Seiten die Leidensgeschichte unseres Heilandes in die tiefen Rundungen mit einer kunstreichen und unglaublich arbeitsamen Hand aus einem Stücke eingeschnitten ist; ein kleines Altärchen, auf die Art, wie sie im 14. und 15.Jahrhundert Mode waren, welches, wenn man die kleinen Nebentürlein öffnet, etwa 4—5 Zoll breit ist, von kostbarer Schmelzarbeit, eine Seite stellt die Geburt und die andere die Grablegung Christi vor. Das Mittelstück habe ich vergessen. Es ist alles dies von der kunstreichen Hand des Hans von Achen1). Andere verschiedene Arbeiten von Basreliefs in Gold und Silber, auch emailliert; eine Mutter Gottes von Lapislazuli, noch eine andere solche Bildsäule, welche ganz aus verschiedenen Edelsteinen verfertigt ist; das Gesicht Mariens und das Jesuskind ist ganz aus dem sogenannten Fleischsteine, die Krone von Brillanten, der Mantel und die Kleidung aus Edelsteinen verschiedener Farbe verfertigt. Gegen dem Seitenkasten über steht eine kleine Orgel; ihre Klaves (Tasten) sind von Perlmutter, die Pfeifen alle von Silber, mit Gold und antiken Gemmen garniert. Diese Gemmen, deren es an dieser Orgel wieder eine große Menge gibt, sind teils griechischen, teils römischen Ursprunges, teils auch aus dem Zeitpunkte der Medicäer, und stellen Allegorien, Fabeln, Geschichten, Sinnbilder, Kopfstücke vor; die meisten davon sind Onyxsteine.

1) Johann v. Achen, geb. zu Köln 1562. † zu Prag 6.Januar 1615. Er ward 1590 von Herzog Wilhelm V. nach München berufen. Allgem. deutsche Biogr. 1, 29.

Von der Kapelle kommt man durch einen bedeckten Gang, worauf über den Fenstern die Portraits bayerischer Regenten hangen, in die sogenannten kaiserlichen Zimmer, worin sich auch der Papst1) während seines Daseins in München aufhielt. Sie heißen die kaiserlichen Zimmer, weil sie von der Kaiserin Amalie bewohnt wurden. Dieser Teil des Palastes besteht aus einigen Vorzimmern, Wohnzimmern, Kabinetten u. s. w., welche alle wieder mit kristallenen Lüstern, Spiegeln, Gemälden, marmornen Kaminen, blauem japanesischem, sächsischem und nymphenburger Porzellan geziert sind. Eines davon ist mit Haute-lice-Tapeten, welche bayerische Geschichte vorstellen, behangen. Ebenda hängt auch ein Portrait Max Emmanuels in Lebensgröße, wovon das Glas, mit dem das Gemälde bedeckt ist, 6000 Fl. gekostet haben soll. Vielleicht, daß es Kristall ist; es besteht aus einem einzigen Stücke. Dann zwei Kabinette, worin eine kleinere Bildergalerie von lauter Familienportraits, Kopf- und Kniestücke, auch einige in Lebensgröße, zu sehen ist. Auf dem Hauptzimmer sind zwei Balkone; einer verschafft die Aussicht auf einen Platz in der Stadt, der andere auf einen Hofplatz; auf diesem teilte der Papst die Benediction aus. Dann folgt wieder ein Nebenzimmer, blaugarniert, worin zwei Bilder, eine hl. Maria und St. Joseph von Haute-lice so schön verfertigt sind, daß man sie für wirkliche Gemälde ansieht. Prächtige Verzierungen, Spiegel, marmorne Tische, wie überall, und dann im Schlafzimmer wieder ein Paradebett. In diesem Kabinette ist eine göttliche Mutter mit ihrem Kinde sehenswert.

1) Pius VI., der im Jahre 1782 zu Joseph II. nach Wien gereist war, kehrte im April desselben Jahres über München nach Italien zurück.

Nun gingen wir zurück, dann durch den großen Rittersaal in den sogenannten Schimmelsaal; er wird so genannt, weil an der Hauptdecke Phöbus mit den vier Sonnenpferden von einem Künstler so gut hingemalt worden ist, daß diese Pferde, der Zuschauer mag sich hinstellen, wo er will, auf ihn zuzuspringen scheinen.

Die Wände dieses Saales sind erst noch unter dem verstorbenen Kurfürsten mit den schönsten malerischen Mosaikprospekten ausgeziert worden, die man fast nicht genug ansehen kann. Das Pflaster ist so wie im ganzen Palaste, von Marmor.

Jetzt gelangten wir zum Kaisersaale, welcher auch mit Gemälden sehr prächtig ausgeziert ist. Der Kamin zeichnet sich darin besonders aus, indem darauf die alles sich unterjochende Tugend durch symbolische, porphyrartige Figuren vorgestellt ist. Dieser Saal, welcher jetzt zu sogenannten Akademien bei Hofe gebraucht wird — deren man just zwei Tage vor unserer Ankunft dem Fürstbischof von Osnabrück zu Ehren eine feierte — ist über dem Marmor ganz nachlässig mit Brettern gedeckt, mit einer Menge Spieltischen und einem Orchester für die Hofmusik versehen. Noch ist der Herkulessaal merkwürdig, von dem ich nimmer weiß, in welche Gegend des Palastes ich ihn hinsetzen muß. Er heißt Herkulessaal, weil dieser Held, mit der Keule bewaffnet, oben auf dem marmornen Kamin steht und die Heldentaten bayerischer Regenten darin gemalt sind. Vor dem Kaisersaale befindet sich die Hauptstiege von 56 Stufen aus rotem Marmor, jede Stufe ist 14 Schuhe lang und aus einem einzigen Stücke herausgeschnitten. Um diese Stiege und die Portale des Kaisersaales stehen etliche schöne Bildsäulen und Brustbilder, welche einige Kaiser vorstellen. Von diesem Saale führte man uns durch einen bedeckten Gang, der mit Malereien geziert ist, in einen andern langen, aber nicht gar breiten Saal hinab, worin alle Portraits bayerischer Regenten sammt ihren Gemahlinnen von Theodo an bis auf diese Zeit hängen, eine vollständige Familiengalerie; noch sind wirklich nicht alle Bildnisse und Portraits mit ihrem Namen bezeichnet, indem man eben an ihrer Errichtung begriffen ist. Ganz von der Menge dieser abwechselnden Schauspiele überfallen, kehrten wir wieder zum Hofplatze zurück, wo nahe am obgesagten Brunnen ein ordentliches Grottenwerk mit einigen Statuen zu sehen ist.

Hierauf gingen wir ebenen Fußes von dem Hofplatze in einen langen, sehr einfach gebauten, mit einem feuerfesten Gewölbe versehenen Saal, welcher auch ganz mit Marmor gepflastert ist; man heißt ihn das Antiquarium, weil daselbst meistens nur griechische und römische Altertümer aufbehalten werden. Wenn man hineinkommt, so stellt sich gleich anfangs ein marmornes viereckiges Brustgitter dar, worin sich nebst andern Merkwürdigkeiten ein Tisch befindet, der mit wahrer Steinmosaik, das ist mit lauter guten und seltenen Steinen, z. B. mit Amethysten, Lapislazuli, Jaspis, Sapphyren, Granaten, Achaten u. s. w. sehr künstlich eingelegt ist; er ist ziemlich groß und soll 60,000 Gulden gekostet haben. Weiter ein anderer Tisch von einem sehr hohen Alter, auf dessen Platte der ganze Kalender sehr nett eingegraben ist. Diesen nahm man auf einer Schenkstube in einem Dorfe weg und setzte ihn hier zu andern Altertümern. Jetzt steiget man einige Stufen herab, und da befindet sich eine erstaunlich große Sammlung meist römischer Altertümer, von Göttern, Halbgöttern, Göttinnen, Helden, Penaten, Kaisern, allegorischen Figuren, Sinnbildern von Flüssen, in Kopfstücken, Brustbildern, ganzen Statuen verschiedener, auch kolossaler Größe, von Marmor, Erz, Komposition u. s. w. Die meisten sind bei der Gelegenheit, wo die Heidelberger Bibliothek nach Rom kam 1), von da aus an den Kurfürsten geschenkt worden. Sie sollen größtenteils wahre Originalen sein, und einige davon sind nicht nur ihres Altertums, sondern auch als Produkte der Kunst betrachtet, schätzbar. Die schönsten darunter sind die marmornen Köpfe der zwölf alten römischen Kaiser, ein Schwarzer ägyptischer marmorner Götze, ein großer Pan. Diese Antiquitäten stehen teils in eigens dazu angebrachten Nischen, teils die Stufen hinunter, welche an beiden Hauptmauern zu sehen sind, teils aber liegen sie auch nur auf dem Pflaster herum.

1) Nach der Eroberung Heidelbergs durch Tilly im September 1623 schenkte der Kurfürst Maximilian I. von Bayern die Heidelberger Bibliothek dem Papste.

Unser sorgfältiger Führer ließ uns jetzt noch das neue Opernhaus, zu dem man durch den Palast kommen kann, weisen. Die Logen sind durchweg mit Holzschnitzmerken geziert und reich vergoldet, welches beim Lichtscheine unvergleichlich schön lassen muß. Die Theatergemälde und die Einrichtung der Szenen sind kunstreich; hier werden ordentlich nichts denn Opern aufgeführt. Hätten wir früher in München eingetroffen, so hätten wir auch an so einem Schauspiele bei der Anwesenheit des Bischofs von Osnabrück teilnehmen können. Zum Ende dieses Vormittags zeigte man uns noch etwas, das in die Gebräuche und Lustbarkeiten der Turnierzeiten hingehört, einen 3½ Zentner schweren Stein, mit einer Kette an die Residenz angeschmiedet, den nämlichen, welchen Herzog Christoph 1489 von freier Erde aufgehoben und auf eine beträchtliche Weite von sich geworfen. Noch sieht man dort drei große eiserne Nägel in die Mauer eingeschlagen, zum Andenken, wie weit und hoch dieser Herzog springen konnte. Der höchste Nagel steckt 12 Schuhe hoch in der Mauer und in dieser Höhe schlug ihn der Herzog mit seinem Fuße herab. Ein anderer Sprang 9½ und noch einer 8½ Schuhe hoch. Alles dies kann man in alten Reimen hier lesen, und an der Tafel ist das Versprechen angehängt, denjenigen auch noch bekannt zu machen, der es diesen drei Springern vortun würde. Nun gingen wir vom Sehen ganz müde zum Mittagspeisen, um neue Kräfte für den Nachmittag zu schöpfen. Vom Antiquarium ist noch nachzuholen, daß sich darin ein hölzernes Modell von dem ganzen Residenzgebäude befindet. Man kann hier dies unendlich weitläufige Gebäude ruhig auf einmal übersehen, und alle die Wege, die man bis dahin zurückgelegt hat, mit dem Gedächtnisse durchgehen. Zugleich kann man auch sehen, wie viel dieser herrliche Ort bei der letzten Feuersbrunft zum unwiederbringlichen Schaden so vieler dabei zu Grunde gegangener Kunststücke gelitten habe.

Nahe am Antiquarium liegt der sogenannte Schatz, den wir aber nicht sahen, von dessen Inhalt ein im Jahre 1778 herausgekommenes Büchlein berichtet, womit ich meine Neugierde auf eine gewisse Weise schadlos halten konnte. Man muß vom Oberhofmeister selbst Erlaubnis haben, wenn man diesen sehen will. Diese Erkenntnis wird zwar nicht so ungern erteilt, allein wir vertieften uns so sehr in andere Sachen, und wir waren auch in der Tat mit so vielen sehenswürdigen Gegenständen beschäftigt, daß wir auf diesen Schatz am Ende gar vergaßen. Er soll nebst den im abgedachten Buche verzeichneten, in sieben Kästen eingeteilten außerordentlichen Schätzen an Gold, Silber und Juwelen noch ein prächtiges Münzkabinett in sich schließen. Einige Stücke von diesem Schatze sind jetzt in die schöne Kapelle übersetzt worden, z. B. die aus lauter Edelsteinen verfertigte Statue der Mutter Gottes, das mit 141 Brillanten besetzte Reliquiar von St. Johann Nepomuk. Dieser Schatz enthält nur allein in den sieben Kasten und den zwei Nebenkästlein 372 Stücke, eben so künstlich bearbeitet, als reich mit Edelsteinen verziert, von welchem nur das St. Georgenbild zu Pferde 2291 Brillanten, 406 Rubinen und 209 Perlen enthält. Dann eine ganze Garnitur von 1610 Brillanten, 1179 Rubinen, ferner ein elfenbeinerner Kasten, mit 1309 pur goldnen Medaillen besetzt. Allein ich breche ab, Sachen aus einem Buche herauszuschreiben, die ich nicht selbst gesehen habe. Wer über diese Schätze mehr wissen will, mag sich im obgedachten Büchlein darüber Rats erholen.

Nachmittags machten wir allererst einen kleinen Spaziergang in den Residenzhofgarten, welcher jetzt nichts mehr und nichts weniger als ein schöner, reinlich gehaltener öffentlicher Spaziergang ist. Der Boden ist mit Sand belegt und durchweg mit Linden besetzt. In einiger Entfernung von einander sind Springwasser angebracht. Wir gingen jetzt unter einem 800 Schuhe langen Gange bis zu einer Wassergrotte, und dann wieder zu einem andern bedeckten Gange, welcher 1500 Schuh lang und mit Statuen, die die herkulischen Arbeiten vorstellen, geziert ist, in die Gemäldegalerie. Dies Gebäude ward vom jetzigen Kurfürsten1) 1779 erbaut, und nur von Schleißheim wurden 1050 Stücke hierher übertragen. Es ist in recht viele hintereinander stehende Säle abgeteilt, und gegenwärtig sind sieben ungleich große mit lauter Kunststücken angefüllt. Von vorne befinden sich die Wohnungen der Oberaufseher, die Zeichnungsstücke für Lehrlinge und am Ende einige Zimmer für Liebhaber, welche ein Stück kopieren wollen. Dieser prächtige Tempel der Kunst steht immer und Jedermann offen; wer ein Stück kopieren will, kann es von seinem Orte herablangen und sich damit an seine Staffelei hinbegeben, ohne von jemandem gehindert zu werden. Alle Gemälde sind in prächtige Goldrahmen eingefaßt und dies trägt zur Verschönerung des Ganzen ungemein bei. An diesem Orte werden nebst den Gemälden noch zwei andere sehr merkwürdige Kunststücke aufbewahrt, die ich zuerst beschreiben will, damit ich mich sodann bei den Gemälden besser an einige Ordnung halten kann. Eines ist eine Columna Trajan's, so wie sie in Rom existiert, im Kleinen. Die Säule ist von Lapislazuli, ohne das Gestell etwa 4-5 Fuß hoch; die daraus in Basreliefs angebrachten Figuren und historischen Vorstellungen sind von Gold. Die Säule steht auf einem marmornen Fußgestell, und eine goldene Inschrift darauf sagt, daß Karl Theodor, seiner Bayern eingedenk, ihnen dieselbe aus Rom zuschickte. Sie soll etwa 6000 Dukaten gekostet haben und ist dem Kurfürsten, da er sich in Rom aufhielt, vom Papste verehret morden. Das andere ist eine außerordentlich künstliche Uhr, ein Werk des Hofuhrenmachers und Hofmechanicus Artzt, eines Schweizers aus dem Thurgau. Diese Uhr enthält nebst andern Kunstsachen, an die ich mich nicht mehr erinnere, auf vier Uhrblättern einige Zeiger, vermittels welchen man allezeit und auf einmal sehen kann, wie spät es in verschiedenen Weltteilen ist. Von dem Meister wird weiter unten wieder Meldung vorkommen.

1) Karl Theodor, geboren 1724, folgte 1777 dem kinderlosen Kurfürst Maximilian III. Er starb den 16. Februar 1799.

Nun von der Ordnung der Bildergalerie etwas, und dann von den darin befindlichen Gemälden eine kurze Beschreibung. Die Gemälde sind überhaupt so eingeteilt, daß die Kunst von Saal zu Saal zu wachsen und sich zu vervollkommnen scheint, und das Auge von Schritt zu Schritt, je mehr man in diesem Tempel des Geschmackes fortwandelt, größeres Vergnügen findet, und vor Bewunderung der immer schönern Stücke, die es ansieht, die vorigen, die es schon gesehen hat, angenehm vergißt. Im ersten Saale befinden sich nur gemalte Blumen und Früchte, dann kommen abwechselnd einige Tierstücke, Tiere im Zusammenhang und Jagdstücke. Jetzt steigt die Kunst vermittels trefflicher, redender Portraits, nun kommen historische, fabelhafte, symbolische und allegorische Zusammensetzungen, endlich die ästhetischen Stücke, gleichsam das innere Heiligtum dieses Tempels, wo der sanfte, rührende Affekt stufenweise bis zum ausschweifendsten Pathos getrieben wird, Stücke, welche man stundenweise anstaunt, ohne alles das Schöne entdecken zu können, das die schöpferische Kunst darin verschwendet hat. Ich melde jetzt von den vornehmsten Stücken dieser berühmten Galerie ein paar Worte und fange von den ältesten an, welche auf Holz gemalt sind. Von Albrecht Dürer: die Apostel Petrus, Paulus, Johannes, Matthäus in Lebensgröße, eine außerordentlich schöne Kreuztragung, einige Stücke von Holbein (von dessen Hand wir einen Christus im Grabe auf unserm Büchersaale bewundern). Von Lucas von Kranach auch verschiedene Stücke; eine heilige Familie von Coreggio mit Figuren über Lebensgröße. Von Domenichino ein spinnender und, sein Pendant, ein rasender Herkules in einem ganz begeisterten Ausdrucke. Von Joachim Sandrat Tag und Nacht in allegorischen Figuren; vom Nämlichen die zwölf Monate mit ihren Sinnbildern unter der Gestalt alter Leute vorgestellt, worin seine vorzügliche Stärke bestand. Zwei Stücke von Franz Schnyders, dem besten Tiermaler, mit Löwen, Leoparden, Wildschweinen, welche auf einander losziehen; mehr denn 60 Stücke von Rubens, worunter seine Löwen, Bären, Tiger und noch eine andere Tierhatze; vier große Stücke, und dann der bethlehemitische Kindermord, eines seiner besten Stücke; die Apostel Peter und Paul in Lebensgröße, seine Skizzen von der Luxemburger Galerie. 23 Stücke von van Dyk, worunter eine heilige Familie, das übrige meist Portraits, in weichem Fache er noch bis heute vor allen den Vorzug hat. Das schönste aus allen Stücken steht am Ende, des letzten Saales, ein Vesperbild, welches man für ein Werk des Raphael von Urbino hält, ein Stück von einem unbeschreiblichen Werte; je länger man die betrübte göttliche Mutter betrachtet, desto mehr scheint sich ihr Schmerz zu vergrößern. Diese Schilderung stellt mit einem Worte jenen Grad des inniglichen Schmerzes vor, welcher allzu heftig ist, als daß er durch Ausbruch der Zähre sich Linderung schaffen könnte; es ist jener Schmerz, der alle Linderung verschmäht, der sich nicht beschreiben läßt. Wenn ich mich in die Erzählung der übrigen Stücke einlassen wollte, müsste ich fast alle berühmten Meister der welschen, niederländischen und andern Schulen hinschreiben, denn man wird in dieser Sammlung, besonders wenn man die Gemälde in Nymphenburg und die in der Residenz dazu zählt, wenige oder gar keine berühmten Meister vermissen. Doch ich schreibe noch die vornehmsten, von denen ich nicht Schon Meldung gemacht habe, nur dem Namen nach her. Bourdon, Salvator Rosa, Caracci, Titian, Tintoretto, Caravaggio, Palma, Vivien, Paolo Veronese, Ribera, Jordano, Lamboccio, Maratti, Eignani, Lairesse, Rembrandt u, s. w. Von Kabinettsstücken Mieris, Elaude Lorrain, Netscher, Wouwermann, Segers, Ruysch, Mignard, Largilliere, Rottenhammer und noch viele von den Neuern. Wem es daran liegt, zu wissen, in welchem Zweige der Kunst sich jedweder dieser Meister hervorgetan habe, der mag den d'Argensville oder ein anderes solches Buch nachschlagen; ich schreibe hier keine Lobsprüche auf berühmte Maler, sondern erzähle nur glatthin, was ich gesehen. Es wäre Undank, wenn ich nicht noch am Ende der höflichen Willfährigkeit und der guten Dienste dessen, der uns herumführte und auf unsere Fragen eben so verbindlich als einsichtsvoll antwortete, gedächte und sie anpriese. Diese berühmte Bildergalerie mag, wenn man ihre Entstehung betrachtet, wohl eine der ersten sein, welche in Deutschland gesammelt worden sind. Schon die Herzoge Albert V. und Wilhelm V. sammelten um die Mitte des 16.Jahrhunderts daran, und seit dieser Zeit ist sie durch Zutun der nachfolgenden bayerischen Regenten zu der jetzigen Herrlichkeit angewachsen. Hier melde ich im Vorbeigehen, daß es zu dieser Zeit vollkommen unmöglich ist, die kurfürstliche Bibliothek zu sehen, weil sie ganz in Unordnung untereinander liegt, an vielen Orten zerstreut ist und eben stückweise, wie wir es selbst sahen, an einen ihr angemessenen Platz übersetzt wird. Schade, daß es das Unglück wollte, daß dies just zu dieser Zeit geschehen mußte.

Von der Bildergalerie wandelt man über abhängige Terrassen herab nach einem Weiher (alles noch im Hofgarten), um welchen wieder ein Spaziergang, und daneben Ruheorte von Rasen angebracht sind. In Mitte dieses Weihers, welcher von einer Art Enten bevölkert ist, die hier ihre Häuschen haben, ist eine angenehme kleine Insel, wohin man vermittels einer Schiffbrücke, die man an sich zieht, kommen kann. Vor derselben sind wieder einige metallene wasserspeiende Tiere. In diesem Garten, welcher von Jedermann besucht werden darf, ist man sehr ungeniert; alle Komplimente, Verbeugungen, Hutrücken, selbst wenn man dem Kurfürsten begegnet, sind da verboten. Einer vertreibt sich hier die Weile mit Lesen unter einem schattigen Baume, ein Anderer beschäftigt sich mit etwas Anderm, jeder nach seiner Laune, ohne auf Jemanden, wess` Standes er sei, zu achten; auch sind um diese Reviere in eigens dazu gewidmeten Häuschen immer alle Gattungen Erfrischungen zu haben, deren wir aber keine notwendig hatten. Wir passierten nun durch unterschiedliche Abwege und Umgänge, vor den kurfürstlichen Marställen, die wir nicht besahen, vor der Reitschule, welche einst das Tournierhaus war, und die wir auch unangefochten ließen, vorbei.

Die Reihe traf nun wieder Kirchen, mit denen diese Residenzstadt prangt. Vor allen andern ließen wir uns die berühmte Hofkirche zu St. Michael, die vormalige Jesuiten- und nunmehr Malteser-Kirche weisen. Man kann es überall lesen, daß dieser Tempel einer der schönsten in ganz Deutschland sei. Er ward um die Mitte des XVI. Jahrhunderts erbauet. Ich sage zuerst von seinem Äußern etwas. Seine Länge beträgt 284 und die Breite 114 Schuhe. Die Hauptportale und das Kirchenpflaster sind aus Marmor. Der obere Teil der Fassade ist mit einer Menge weißmarmorner Statuen in Lebensgröße besetzt, Statuen der Heiligen, von Kaisern und Herzogen stehen da untereinander vermischt; unter andern die Bildsäule Wilhelms V., des Stifters, welcher die Kirche hält. Zwischen den zwei Hauptpforten sieht man die Bildsäule des Erzengels Michael, wie er den Satan stürzt, aus Erz gegossen. Dieses große Gebäude hat inwendig nicht einen einzigen Pfeiler, es ist nur ein freistehendes Gewölbe, über den Halbzirkel gezogen — und das möchte das Merkwürdigste an dem ganzen Bau sein, über den marmornen Chortreppen steht eine eherne Statue, welche einen Weihwasserkessel hält, daneben ein Gitter von Erz, worin der Grabstein des Stifters eingeschlossen ist, auf welchem folgende Worte eingegraben sind: Commissa mea pavesco, dum veneris judicare noli me condemnare! Der Kreuzaltar ist mit ehernen Bildern geziert; die Altarblätter sind von guten italienischen und deutschen Meistern; wir hatten aber nicht Muße genug, sie recht zu betrachten, und man zeigte uns in der Sakristei fast wider unsern Willen alle die Schätze von Gold, eine Menge silberner Statuen, einen ganz silbernen Altar und noch einige Stücke, welche der Stifter selbst dahin vergabt, auch die Begrabungstafel, wo er und seine Gemahlin darauf geschildert sind. An Kunst und Seltenheit zugleich zeichnet sich noch ein Kreuzbild in der Sakristei aus, welches, die beiden Arme ausgenommen, ganz aus einem einzigen Stücke Elfenbein ausgeschnitten und etwa 3 Schuhe und einige Zoll lang ist. Das Kollegiums-Gebäude besahen wir nicht; daß es aber eines der prächtigsten war, welches die Jesuiten inne hatten, ist bekannt, und ließ sich sogar allein daraus abnehmen, daß der berühmte Merian schon vor etwa 150 Jahren in seiner Topographie, da er von München schreibt, nichts anderes in Kupfer gebracht hat, als nur das Frauenstift, die Residenz und das Jesuitenkollegium.

Wir kamen nun zur Theatinerhofkirche. Ihr Anblick von außen ist sehr prächtig, und ihre drei Kuppeltürme, von welchen der mittlere nur zur Zierde dient, geben derselben ein recht herrliches Aussehen. Das äußere, mit schönen Statuen verzierte Portal ließ der verstorbene Kurfürst Max. Joseph ausführen. Die Kirche ist von Innen mit allzu vieler massiver, einfarbiger Stuckatur überladen, welches ihr ein gedrücktes Ansehen gibt. Die Altarblätter sind meist von Italienern. Außer den Altären sieht man in dieser Kirche noch vier Nebenkapellen, welche Zeugen von der Andacht der alten Bayerfürsten sind, welche alle heiligen Orte in ihrer Hofkirche vereinigt haben wollten; nämlich eine Kapelle mit dem Bilde der Mutter Gottes von Loreto, welche ganz nach dem Original der lauretanischen Kapelle erbaut sein soll; eine Heiliggrab-Kapelle nach dem Vorbilde jener zu Jerusalem; eine andere, welche man Sancta Sanctorum heißt und von der ich nicht mehr weiß, was sie vorstellt, und dann noch eine marmorne Stiege nach dem Risse der heiligen Stiege zu Rom. Hier ist auch die dritte Fürstengruft; die zweite ist in der St. Michaelskirche und die erste in Unser Lieben Frauen-Stifte. Wir besahen auch die St. Peterspfarrkirche, worin der ganz marmorne Choraltar sehenswürdig ist. Diese Kirche ist die älteste und war lange die einzige in München. Sie ist 1370 gebaut worden. Man verehrt darin ein mirakulöses Muttergottesbild, welches vor einiger Zeit (ich glaube 1782), wie es viele Augenzeugen behaupten, die Augen soll gewendet haben; Andere schreiben dies natürlichen Ursachen oder der Einbildungskraft zu, und die Büchlein, die darüber sind geschrieben worden, sind bekannt genug. Die Kirche zum Herzogsspital, worin das berühmte und recht anmutige Wunderbild der schmerzhaften Mutter aufbehalten wird, hat drei Altäre und ist mit einer zahllosen Menge Votiven überhängt; man weiß noch den Namen und kann noch das Bildnis des Bildhauers sehen, der dies Marienbild verfertigt hat. Er hieß Tobias Baader1), eine Sache, welche bei wundertätigen Bildern sehr selten ist. Der Bürgersaal oder der Versammlungsort für die Bürger-Kongregation ward im Jahre 1710 sehr prächtig von neuem erbauet, das Plafond-Gemälde (die Himmelfahrt Maria) ist vom berühmten Martin Knoller2) 1775 in Fresko gemalt worden. Die ganze Länge dieses Saales beträgt 160 und die Breite 49 Schuhe; er ruht auf keinen Pfeilern und ist nebst dem Hauptgemälde noch mit vielen Nebenstücken ausgeziert. An beiden Seitenwänden sind 13 berühmte bayerische Wallfahrtsorte im Prospekte auf Tafeln angebracht. Diese Arbeit von Knoller ist bei weitem nicht so herrlich, als jene, die wir hernach von seinem Pinsel in Neresheim sahen, und dies gibt Stoff zum Nachsinnen, indem des schönste Plafond zu Neresheim noch vier Jahre früher, als der Bürgersaal in München verfertigt wurde. Allein, wenn man weiß, daß eben zur Zeit, da er am Bürgersaale arbeitete, der frühe Tod seines einzigen Sohnes ihn untröstlich, und noch andere umstände ihn unzufrieden machten, so wird man es leicht entziffern können, warum der Unterschied zwischen diesen beiden Gemälden so sehr auffallend ist.

1) Sighart, Gesch. d. bild. Künste im Königreich Bayern 695.

2) Geboren zu Steinach in Tirol 1725, † zu Mailand 24.Juli 1804.


Schon war es 7 Uhr Abends, da wir noch einen angenehmen Spaziergang zu den Barmherzigen Brüdern, etwa eine starke Viertelstunde außer der Stadt machten; wir wurden gefällig aufgenommen, besahen das große Krankenzimmer, wo in etwa 60 Zimmerchen Kranke, ohne Rücksicht auf was für eine Religion, unentgeltlich gepflegt und mit allen Arten Medizinen und Heilmitteln versehen werden. Man hält da sehr über Reinlichkeit und gute Ordnung. Die Zimmerchen, worin die Betten stehen, sind fast auf die Art unseres Museums eingerichtet und vermittels der Umhänge und Zwischenwände von einander abgeteilt. Die Kirche, sowie das ganze übrige Gebäude, ist prachtvoll, aber noch nicht vollends ausgebaut, indem ihr noch einige Altäre und noch andere Sachen mangeln; vielleicht, daß sich auch so geschwinde kein Guttäter hervortut, denn, so vernahm ich es unter der Hand, ob ich gleich für diese Nachricht nicht gut stehe und sogar wünsche, daß sie falsch sei, diese Barmherzigen Brüder werden beschuldigt, daß sie sich zuweilen vorhinein erkundigen, ob etwa ihre Mühe möchte belohnet werden, und daß sie das Fach der ansteckenden Krankheiten, welche bekanntlich kraft des Institutes von ihren Spitälern ausgeschlossen sind, allzu sehr ausdehnen. Wir machten hierauf dem P. Provinzial, welcher auf einem Kapitel hier mit einigen ausländischen Prioren aus dem Reiche und Preußisch-Schlesien anwesend war, unsere Aufwartung; er führte uns ins Refektorium, um an ihrem Abendtrunke Teil zu nehmen. Die Barmherzigen Brüder wurden 1751 in München eingeführt und haben ihre Stiftung vom Grafen von Perusa, welcher auch bei ihnen begraben lieget, erhalten. Hier trafen wir auch den Hofmechaniker und Hofuhrenmacher Herrn Artzt, einen Thurgauer, an, von dem ich schon oben bei Gelegenheit eines seiner Kunststücke Meldung getan habe. Wir unterhielten uns einige Zeit mit ihm, und es freute ihn sehr, Landsleute angetroffen zu haben. Einst hat er in seiner Jugend in unserm Stifte Ministrantendienste getan, und jetzt hat er sich in München zu einem ansehnlichen Vermögen erschwungen.

Wir gingen, nachdem wir noch die schöne Apotheke dieses Spitals gesehen hatten, wieder unserm Hotel zu. Im Vorbeigehen sahen wir noch die St. Johann von Nepomuk-Kirche, so viel es die einbrechende Nacht zuließ. Das Portal ist von einer prächtigen Marmorarbeit und nebenherum sind Steine felsenartig aufgetürmt. Sonst ließ sich nichts mehr betrachten. Die Stadt war heute zu Nacht (wie alle Mal, wenn kein starker Mondschein leuchtet) mit Laternenlichtern beleuchtet, derer es in der ganzen Stadt 600 gibt, und diese Beleuchtung dient sowohl zur Sicherheit als zur Zierde der Stadt ungemein. Das übrige wie gestern. Am morgenden Tage war in Nymphenburg Titularfest (St. Magdalena); wir fassten also den Abend noch den Entschluß, uns morgen dahin führen zu lassen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren