Entwicklung des Renaissancegartens in Frankreich

In dem seit dem Reifen der Ideen des individualistischen Zeitalters entstandenen staatlich-politischen Gegensatz zwischen dem Weltreich des habsburgischen Hauses und dem national sich einenden Frankreich wächst dies letztere dank seiner zielbewussten, in großem Maße durchgeführten monarchischen Zentralisierung an politischer Macht nach innen und außen; es wird zum Ausdruck dieser neuen staatlichen Ideen, und als Folge beginnt Frankreich jetzt in der späten Renaissance der Träger der europäisechen Kultur zu werden.

Alle geistigen und kulturellen Kräfte im Lande werden auf das Königtum bezogen 47), werden dem Hofleben dienstbar und so unter zielbewusster Führung des Herrschers zum eigentlichen Ausdruck der absoluten höfischen Kultur selbst; die Einflüsse und Anregungen, die vom Auslande kommen, ordnen sich auch unter den selben Zwangkraft der Stärke und Lebendigkeit des neuen Staatswesens bildet sich eine ihm charakteristische Kunst: wenn der Herrscher absolut, alle Verantwortung des Staatslebens auf sich nimmt, bleibt für Andere kein bestimmender Ernst im Leben. Kultur und Kunst stimmt sich auf das Leichte, Gefällige, was die Sinne angenehm berührt. Die unterhaltende Geselligkeit, das gezierte Spiel ritterlicher Grazie und die Eleganz der Dame erfüllt das Leben.


All dies Schwärmen in sentimentaler Künstlichkeit um die Sonne des absoluten Königs bemächtigt sich nun auch des Gartens. Hier sucht sich diese Geselligkeit auszuleben, hier treibt sie ihr Spiel all der Kaprizen und Launen, mit denen sie in leichter Lebensart Unterhaltung sucht. Der Gartenkünstler muss ihr entgegenkommen, seinem Garten den Widerschein all dieses Spielens und Tändelns geben. Es ist sicher, dass die Großzügigkeit und die erstrebte Einheitlichkeit der Anlage der italienischen Gärten zum Nachahmen angeregt hat. Aber es war schon vielbodenständige Gartenkunst da, die stark und fest selbst sich weiter ausbilden ließ nach den Forderungen hin der neu entstandenen Geselligkeit und Kultur. Es lebt ein selbstbewusstes Nationalgefühl unter den Künstlern dieses aufstrebenden Frankreich: „il ne faut voyager en Italie (schreibt Olivier de Serres um 1600) ni ailleurs pour voir des belies ordonnances des jardinages, puisque notre France emporte le prix sur toutes nations.“

Wichtig ist es, diese Anlagen im Hinblick auf ihren Einfluss auf die Anlagen der deutschen Fürsten zu charakterisieren 48).

Viele dieser Gärten gliedern sich noch an alte Schlossbauten aus dem Mittelalter, vielleicht an derselben Stelle des früheren kleinen Burggartens, oft auch mittelalterliche Einzelheiten der Formen wiederholend.

Aber hier ist dasselbe Prinzip der Raumbildung angewendet, wie es im allgemeinen für den deutschen Renaissancegarten gültig dargestellt wurde. In alten Anlagen ist es zu erkennen als Entwicklung aus dem allgemein mittelalterlichen Aufbau des eng umschlossenen Festungscharakters seines Gartens zu freierer, größerer Pracht, bewusst diesen Grundgedanken weiterbildend, um Neues zuschaffen.

In einer Anzahl von Beispielen reihen sich zwei, drei und vier solcher Gartenbezirke aneinander, jeder für sich, meist durch Mauern oder Galerien mit Eckpavillons geschlossen: der Garten von Vallery, wie die Abbildung zeigt, vom Schloss vollständig entfernt gelegen, auf drei Seiten umschlossen, nach der vierten mit der Aussicht über einen Kanal (Abb. 18); ferner Gaillon, mit zwei vom Schloss und von einander unabhängigen Gärten, der eine davon als Ziergarten terrassenartig durchgebildet (Abb. 19). Trotz der von Du Cerceau gerühmten Aussicht nach der Talseite wurde auch hier der Garten mit Galerien umschlossen; nur durch Fenster konnte der Blick ins Freie gelangen; maßgebend war, einen geschlossenen Raum zu schaffen. Über die Anlagen des Schlosses Blois 49) sagt Du Cerceau selbst:

Abb. 16. Schloss und Gärten von Caprarola, aus Braun & Hoghenberg. (Anmerkung 43.)

Abb. 17. Prospetiua del Giardin che é sopra il Pallazo del il. Sig. Con. Mafei in Verona, aus Volkamer. (Anmerkung 43.)

„Il y a pareillement de beaux et grands iardins, differans les uns des autres aucuns ayans larges allees à l'entour, aucunes couvertes de charpenterie, les autres de coudres, autres appliquer à vignes ...“

Ähnlich wird in dem Tagebuch von Dr. Joh. Lange 1528 50) Blois als ,,ein vest wolgebauts und zirhafftiges Schlos“ erwähnt, ,,welches unden, an dem Berge hat übereinander vier undergeschieden gerten ...“ 51)

Interessant ist der Ausbau der Anlagen von Fontainebleau: Während Du Cerceau nur die ersten Anfänge beschreibt, zeigt die Abbildung bei Braun und Hoghenberg 52) (Abb. 20) die gesamte Ausdehnung der Gärten in obigem Sinne; deutlich ist hier der Wechsel und die Abstufung der Mittel der Zusammenfassung: Kanäle, mehr oder weniger betonte Wege und Achsen, Laubengänge, freie Baumalleen und endlich die Flügelbauten des Schlosses selbst, die von kleiner Wirkung bis zum vollständigen Raumabschluss die Gartenbezirke bilden 53). Dabei sind diese Einzelgärten scheinbar willkürlich und ohne jeden konstruktiven Zusammenhang nebeneinander gereiht 54) ; aber diese bewusst durchgeführte Abstufung in der Gliederung der Gartenräume führt zur Entwicklung einer einheitlich zusammenfassenden Wirkung der Gesamtanlage.

Wenn auch nicht anzunehmen ist, dass Deutschland Frankreich direkt nachgeahmt habe, da ja auch hier sich diese neuen Formen aus dem Mittelalter mehr oder weniger klar von selbst entwickeln mussten, so ist doch der gleiche Gedanke des Aufbaues in Deutschland wie in dem ihm hierin zeitlich vorangehenden Frankreich zugleich mit seiner kulturell nahen Beziehung und Abhängigkeit von ihm zu beachten und zu betonen.

Auch die Einzelformen der Bepflanzung waren hier wie in Deutschland als Steigerung alter Vorstellungen des Ausdrucks Figuren und Ornamente, die mit dem Material der Pflanzen wenig Zusammenhang hatten, die vielmehr in subjektivem Empfinden der freien Natur entgegengesetzt sein sollten.

Abb. 18. Garten von Vallery, nach Du Cerceau. (S. 28.)

Abb. 19. Garten von Gaillon, nach Du Cerceau. (S. 28.)

„On y voit (dans les jardins de Fontainebleau, St. Germain, Tuileries, Monceau, Blois etc.) avec admiration les herbes parlant lettres, devises, chiffres, armoiries, cadrans, les gestes des hommes et des bêtes, la disposition des navires, bateaux et autres choses contrefaites en herbes et arbustes avec merveilleuse Industrie et patience“ 56,57).

Die Frage, wie sich in Frankreich aus diesen Anfängen eine Einheit ausbildete, sei kurz gestreift und bis zu ihrer Vollendung weitergeführt, als klare Bestätigung, dass schon Leben und Kraft in den Anfängen dieser Entwicklung enthalten waren. Es sei kurz geschildert, wie sich diese Einheit unter der kulturellen Blüte entfalten und dann später als ausgebildete Kunst das durch die Unruhen des Dreißigjährigen Krieges geistig inhaltlos gewordene Deutschland erfüllen konnte, wenn auch die tatsächlichen Folgen für Deutschland außerhalb des in dieser Arbeit zu behandelnden Zeitraumes fallen.

Schon in Du Cerceaus Werken ist eine Reihe von Gartenplänen gezeichnet, die in altem Sinne entworfene Gartenräume in Beziehung zueinander und zum Schlosse selbst zu setzen suchen:

Verneuil, das alte Schloss um einen viereckigen Hof, rings mit Wall und Wassergräben umgeben, gibt durch seine Achse die Orientierung der gesamten außerhalb liegenden Gärten an, die vollständig hierauf bezogen, in der Art und der Masse ihres Aufbaues doch den voneinander getrennten Einzelcharakter behaupten 58). Die Anlage von Charleval (unter Karl IX. nach 1560), in einem Tal gelegen zwischen Paris und Rouen 59), zeigt denselben Typus einer großzügigen achsialen Beziehung der Einzelgärten: Kleine seitliche Bezirke um-schlossen mit Galerien und Lauben, der Hauptgarten in der großen Schlossachse in ähn- lichem Sinne umrahmt von mehrreihigen Baumalleen und weite Zierstücke als Mittelfelder. — Der Tuileriengarten auf dem Merianschen Stadtplan von Paris von 1615 hat denselben Aufbau 60).

Abb. 20. Anlagen des Schlosses Fontainebleau, aus Braun & Hoghenberg. (S. 29.)

Abb. 21. Schloss Frémont, aus Merians Top. Frankreichs, 1655. (Anmerkung 62.)

Eine reich ausgebildete Pracht des geschlossenen Gartenausdrucks wurde hier ohne jede Verwendung von Waldpartien 61) und irgendwelchem Streben nach weiten Perspektiven erreicht. Aber an der Hand des sich über alle Möglichkeiten hinwegsetzenden Absolutismus wuchs auch der Garten über die Grenzen seiner Möglichkeiten hinaus; und dies war das Werk Le Nôtres, der die Natur im Garten, die Zierformen, die geschnittenen Baummassen 62), die Wasserkünste, die den Blick und somit auch die Grenze des Gartens ins Unendliche weisende Perspektive ganz dem gewollten Zwang des absoluten Herrschers unterordnet.

Als Beispiele dieses sich entwickelnden Aufbaues seien erwähnt das Schloss Anet, teilweise mit noch altem Charakter (Abb. 24), der Garten des Palais du Luxembourg, die Anlage der Maria von Medici, um 1612 angefangen (Abb. 25); hier wäre die Weiterführung zum vollendeten Le Nôtreschen Gartenstil nur eine Ausdehnung, keine Neuerung mehr.

Abb. 22. Aus dem Schlossgarten zu Ruel, aus Merians Top. (Anmerkung 62.)

Es würde zu weit führen, die Frage aufzuwerfen, wie weit es nun italienischer Einfluss gewesen sei, der den Begriff der aufbauenden Masse und die hiermit verbundene Orientierung nach Achsen als Gedanke des Zusammenfassens in den reinen Raumgarten gebracht; es sei nur noch die Abbildung Braun und Hoghenbergs wiedergegeben über die jüngeren Anlagen in St. Germain en Laye unter Heinrich IV. um 1600, die unter italienischem Einfluss entstanden sind (Abb. 26). Dieser Garten enthält Terrassen mit Grotten 63), Hauptachsen, räumlich zusammengefasste Einzelgärten und Waldteile, er sucht also die gestaltenden Formen Frank-reichs und Italiens zu verarbeiten 64).

Soweit die skizzierte Entwicklung zum französischen Garten: „Le jardin de Louis XIV. est une merveilleuse création. On ne s'y est pas trompé, certes, il est imité des jardins de la Renaissance, qui eux mêmes avaient emprunté leurs lignes aux parcs romains; mais il est devenu le ,,jardin français“ comme les tragédies de Racine, imitées de Sophocle et d'Euripide, ont ete par un travail génial d'assimilation des tragédies françaises, où triomphent les qualités françaises d'élégance et de clarté“ 65).

Abb. 23. Kaskade im Park von St. Clou, nach Merians Top.(Anmerkung 62.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Studien über Renaissance-Gärten in Oberdeutschland