Renaissancegärten der Bürger in den Städten

In Oberdeutschland, dem engeren Gebiet vorliegender Arbeit, war die Blüte der Städte in der ersten Zeit der Renaissance in Handel und Reichtum, in politischer Macht und Einfluss, in Kultur und Kunst bald durch die veränderteWeltlage zum Stillstand gekommen, das Leben hatte seinen großen Zug verloren, und die Bürger zehrten an dem Erwerb der vergangenen Zeit; alles war klein und beschaulich geworden; so auch der Garten und das Leben und die Stimmung in ihm. Geblieben war eine ruhige, stille Freude an seinen Blumen, an dem sonnnerlichen Aufenthalt im Gartenhaus vor den Mauern der Stadt; hier war immer praktischer Landbau in Obst und Gemüse mit dem Luxus von Blumen und seltenen Gewächsen, das Nützliche mit dem Schönen verbunden, und somit die Freude und Liebe zum Garten und seiner Natur gesteigert worden.

Aus Ulm ist uns aus der Zeit um 1640 die Schilderung eines bürgerlichen Wohnwesens erhalten 66). Sie geht in Wort und Bild tief auf jede Einzelheit des Lebens in seiner Praxis ein und zeigt uns, mit welcher Genauigkeit und belehrender Pedanterie der Vater und Vorstand der Familie sein Leben einrichtete; dabei spricht aus ihr ein erfahrener, praktischer Sinn, der auf Reisen mit offenem Blick die Länder gesehen, Bemerkenswertes und Nützliches erfasst und für sich behalten und verwendet hat. Furttenbach, dem wir diese Schilderung verdanken, nennt seine Schrift architectura privata und charakterisiert so selbst seine Schilderung als Darstellung des Wohnens der in sich geschlossenen Familie, die, von dem Treiben der Öffentlichkeit ungestört, der eigenen Neigung nachgehen will. Es ist ein Bild dafür, wie das deutsche Bürgerleben als Ausdruck seines Wesens sich Haus und Hofgeschaffen.


Hier darf uns nur interessieren, was über den Garten gesagt wird, nichts von dem Haus, seiner erhöhten, trockenen Lage, seiner Gesundheit, da es von allen Seiten der Sonne und frischen Luft zugänglich, dem stattlichen Aussehen seiner gemalten Fensterrahmen und Portale an einer Hauptgasse der Stadt, von dem frischen Wasser aus dem nahen Brunnen, und endlich von dem Grundriss seinerRäume, wie sie zum Wohnen günstig und behaglich liegen, von den Sammlungen des Hausherrn in seiner Kunstkammer. Nur von dem Garten 67) haben wir zu sprechen (Abb. 27, 28): ,,Er ist zwar klein / Jedoch also abgetheilt worden / dass man darinnen für ein gemeine Privat Person / die erwünschte Delitien haben kan / Fürnemblich aber / so ist sein Lagerstatt oder Situs also bewandt / dass er die holdseelige Sonnen dieweil er recht gegen Meridiem ligt / guten Teil des Tags uber /genießen mag hingegen aber und von wegen der benachbarten Hauser / der sonsten vngestümme Occidentalische Lufft also verbawet /daß alle vnd jede Gartengewächs hierinnen wol und nach belieben florieren /

Was nun die Besetzung in die siben Außtheilungen ******* dess Blumwercks anbelangt (damit nit allein der Bawmeister / sonder auch die Liebhaber der Gärtnerey / in etwas Ergötzlichkeit empfinden) obwolen ich geringfügiger hierinnen kein sondere Experienza noch rechte Meisterschafft darmit vmzugehn habe / nichts desto weniger aber vnd dieweil es ja ein vher die Maßen holdseelig / liebreich vnd rühmlich Exercitium ist (wardurch man zuvorderst den alleinweisen GOTT / als den Schöpffer aller Dingen wie herrlich vnd zierlich er dise Gewächs bekleydet vnd ornirt lernet erkennen / der Mensch hierbey zum eyferigen Gebett angereitzt wird / beneben seines vergänglichen Lebens sich zu erinnern hat) deßwegen auch ich sonderbare Frewd vnd Ergötzlichkeit dasselbige an zuschawen trage / Habe demnach ein hierinnen wol experimentirten vnd großen Liebhaber / meinen freundtlichen vilgeliebten Brüdern Herren Abraham Furttenbach) (welcher sich nunmehr vher die dreyßig Jahr lang continuierlich in den Garten vnd Blumen Gewächsen wol bekandtlich exercirt, Beneben in vil Ländern gute Amicitia gemacht dergleichen Blumwerck zur Hand zubringen / hierbey auch weder Kosten noch Mühe nit angesehen / biß daß er endlich ein Sortiment wie bald volgen wird zusammen gebracht / vnd mit solcher Diligenza zu groberniren weist /daß dessen nit weniger / sonder noch ein mehrers worden ist / dahero er andern guten Freundten auch darvon mittheilen kann) dahin erbetten / daß er mir zugefallen auch obernantes Gärtlin / mit hernach folgenden Sorten Blumwerck besetzt vnd also außgestaffirt / daß es sich zimblicher maßen sehen läst / als da seynd.

Corona Imperialis, gefüllt vnd gelblicht von Farb.

Corona Imperialis, einfach vnd derselben drey Sorten / nemblichen mit breiten Stengel so gar vil Flor treiben / Item die von hocher Farb / vnd lange Stengel haben / Dritte die zween Buschen obeinander / Flor tragen /Tulibani / vnd derselben vber die hundert / vnderschidliche Farben / darunder fürnemblich schön marbelirte / geflammete / gerissene / gesprengte / getupffte / mancherley Precox, vnderschidliche Porttirte, mit so wundersamen Farben vermischt / daß sie so eigentlich nicht können beschriben werden / derselben gar vil aber haben auch sehr vnderschidliche Böden / Als blaw /grün / tanne; köstenbraun / schiller / schwartz / weiß / gelb etc. welche aus Holland Braband / Italia, Frankreich / Hispania / vnd von dergleichen Orthen seynd beschickt / vnd also in vil Jahren zusammen getragen worden / ein sollich angenemes Sorttiment / daß die Liebhaber sonderbare Ergötzlichkeit darbey empfinden.

Abb. 24. Anlagen des Schlosses Anet, aus Merians Top. (S. 32)

Abb. 25. Palais du Duc d’ Orleans (Palais Luxembourg), nach Merlans Top. (S. 32.)

Abb. 26. Schloss St. Germain en Laye, aus Braun & Hoghenberg. (S. 32.)

Abb. 27. Aus dem Furttenbachschen Hausgarten in Ulm. aus Jos. Furttenbach, arch. civil., 1641. (S. 35.)

Abb. 28. Grundriss des Furttenbachschen Gartens in Ulm, nach Jos. Furttenbach, arch. civil. (S. 35.)

Türkische Beisch / gantz gelb / mit vil Flore. Item Ziegelfarb / grün tupftet Primadrize genant /Bomerantzenfarb / wachsen gar hoch Calzedonico, mit schmalen Kräuttlein so gar vil Flor treiben vnd von sehr hocher Farb seynd / Martagon, der gantz weißen / welche biß auff viertzig: auch noch mehr Flor auff einem Stengel praesentiren / Item / weiß vnd Fleischfarb gesprengt / vnd gleicherweiß vil Flor treiben / Purpurfarb / tanne getupfft / vnd auch Fleischfarb grün getupfft / Narzisi Matheolis, der großen mit vil Flori / Calzedonico, gefüllt / mit vil Flor / Der großen Sortt / weiß gefüllte Narzisi / Gelb gefüllt, tromboni di Spagnia; zwo Sortten gar groß / gelb gefüllte Narzisi Stellario / gelb gefüllte Junchili / Narzisi Senipie, mit vil Flor vnd derselben sechs Sortten / Corona Pappa, tazette di Argento, Vandonei maggior, del Cucho, Arabicum, gar wohlriechend / Trippolitanis klein mit vil Flor / Narzisi Sempie von gantzweiß vnd gelb / mit vnderschidlich weiß vnd gelben Kelchen / so zum Theil nider / mittelmäßig / auch gar hoche Stengel treiben / auff zchen differente Sorttenso wo/ zusehen seynd / Ornitobilum Arabicum magior vnd minor / Lilium Persicum zwo Sortten / Jachzinte, Peruano, zwo Sorten mit vil Flor / Item grün Jachzinten gefüllt / blawgesprengt mit vil Flor / Braun Jachzinten gefüllt auch mit vil Flor. Einfache Jachzinten / blaw / de molti fiore, Jachzinte blaw sfogliato /Item gantz weiß del Grand Duca, mehr zwo andere gantz weiße Sortten / Jachzinte Pauonaze, sehr wolriechendt so / dann noch vier Sortten blaw und silberfarb von gutem Geruch / Frittelario Hispanica maggior et minor / Dito Piranea, wachst gar hoch mit vil Flor / Calzedonica, vberworffen / gantz weiß zwo Sortten / Grün der großen / Atterfarb / oder Serponea / Purpur schattirt / Italica, mit großer Flor / Iris Anlicani, vier Sortten / gantz weiß / Silberfarb / Merfarb maschirt, dunckel Violbraun maschirt Iris Polposis, siben Sortten / gantz gelbe halb weiße / halb weiß halb blaw / halb gelb halb blaw / halb gelb halb gesprengt oder blaw geädert / gantz weiß / Anemie gefüllt sechs Sortten / Calzedonico, grün und roth gesprengt /groß roth Panotto, Incarnatin felpato, Incarnatin Stellario, ganz weiß / Violfarb / Anemie einfach / fünff Sortten /nemblich zwo Sortten Incarnatin, Purpur Stellario, Laffanderfarb der großen /weiß und Leibfarb geschiltet Crocus, sechs Sortten, gantz gelb / gelb und tanne gerissen / gantz weiß /weiß und grün gerissen / Violfarb / Purpurfarb / Spinblum / vier Sortten / gefüllt / gantz weiß einfach / gesprengt / vnd Purpur Primadrize / Ornitobilum, Neapolitani, weiß und grün gestricht / Asponel, zwo Sortten / gantz weiß /vnd gantz grün / Teobatico blaw gefüllt / vnd dreySortten einfach / Ranuncoli, roth gefüllt / dito roth einfach Tripolitanis, deto gelb und roth gesprengt / mit schwartzem Boden / Iris Susiana schwartz / auch Beretin Scuro weiß geädert / etc.

Von allerhand Ilgen klein und groß / so von Radice wachsen / derselben dann wol fünffzehen Sortten seyn / neben andern Blumengewächsen / welche alle hierzu erzehlen zu lang werden solten / thu mich im vbrigen auff das Werck selbsten / referiren.

Abb. 29. Vogelperspektive des Furttenbachschen- Gartens in Ulm. (S. 41.)

Abb. 30. Herrn Dr. Falckners Garten, nach Volkamer. (S.41.)

Wir wollen nun weiter auff dem Proposito des Gebäws fort schreiten / So werden bey ? ? ? ? vier /jedes aber von fünft Schuch breit / vnd acht Schuch hoch von Aichen Holtz zusammen gezimmerten Geländer / Bögen / oder Drietter / gefunden /die samentlich mit allerhand Steinobs Bäumen besetzt / vnd also darmit vberzogen oder bedeckt seynd worden / daß man vnd ohn gesehen der Nachbarn /darunder wie in einem Wäldlin / biß zu der Grotten auch in den Saloto spatzierengehn kan (wie aber die besagte Grotten / neben dem Fischbehalter ??? erbawet /vnd mit Wasserspilen zur Recreation deß Menschen / ist geziert worden / daß solle hernach bey den Kupfferblatten Nr. 11, 12, 13, 14 auch zur gnüge vorgerissen vnd beschriben werden). In beeden Ecken bey • • stehn zween fruchtbare Bäum / die sich nicht anderst dann wie ein Wäldlin zerspraiten / gar zu hinderst daran aber /als an einem sehr stillen einsamen Orth ist der von einer weiß gemachten Gipsendeckin gebawter Saloto oder Säälin zu finden (in welchem etwann der Haußwürth nach Ermattung vnd ertragenen seiner täglichen Labore, bißweilen auch mit seinen Haußgenossen und in buona caritate, sein Stück Brodts genießen /vnd GOTT darumben zudancken / hiezugegen auch ein feine gelegenheit hat) auß welchem man dann durch die Fenster das Geräusch der Wasserspil in der Grotten zuhören gaudiren / hierdurcher den Geist in etwas erquicken / vndhernach desto williger seinen Beruff widerumben antretten möge.“

Klein ist wohl dieser Garten, aber auf seinem engen Raum im Innern der Stadt gibt doch sein reicher Inhalt dem Menschen viel an Freude und stillem Genießen, weil er selbst mit Liebe seine Gewächse und Blumen dort pflegt.

Abb. 31. Prospekt in Herrn C. W. Tuchers Garten, nach Volkamer. (S 41.)

Abb. 32. Lustgarten des Herrn Joh. Christophorus Volckamer in Nürnberg, aus Volkamer. (S. 41.)

Es muss auch hier, trotz der Kleinheit dieses Beispiels, auf die für seine Anlage maßgebende struktive Bildung von Gartenräumen hingewiesen werden (Abb. 29). Der am Haus gelegene Hauptraum ist umschlossen von Laubgang und Rebspalier, für sich getrennt von der seitlichen Verlängerung des Gartens, die mit dem ,,Säälin“ und dem ,,Wäldlin“ der beiden seitlichen Bäume wie ein schattiger Nebenwinkel anders behandelt ist. Es trägt dies dazu bei, den Garten durch Zusammenfassen und Trennen in Einzelheiten räumlich zu vergrößern, es trägt dies auch bei, häusliches Leben in ihn hineinzubringen, denn in vielseitiger Behaglichkeit vermag es sich hier einzurichten.

In der Beschreibung wird noch viel über das kleine Grottenhaus mit den springenden und spritzenden Wassern gesagt. Damit musste die Mode dieser Zeit befriedigtwerden; es ist hierbei angegeben das Säubern und Polieren von Muscheln und Korallenzinken, die Herstellung der Kitte, mit denen sie in Blumenmustern und Ornamenten an Wänden und Decke der Grotte befestigt werden; in allen Einzelheiten ist beschrieben die Leitung der Rohre, die technische Ausführung von Hahnen und Rohröffnungen, die zur ,,Ergötzlichkeit aller Liebhaber“ das Wasser in verschiedenen Formen spritzen oder es mit frei schwebenden Kugeln spielen lassen 68).

Auch aus anderen Städten gibt es manche Nachricht von Gärten, die meist an Zierformen, Hecken, Vogelhäusern und Wasserkünsten größer und reicher sind; Augsburg und Nürnberg werden oft erwähnt 69). In Volkamers, Nürnberger Hesperiden“ (1708) befinden sich viele Abbildungen (Abb. 30, 31, 32); hier, in Nürnberg, war ja die Gartenvorstadt St. Johannis entstanden, wo sich in langgestrecktem Schema die Gärten entwickelten: Das Sommerhaus an der Straße, mit seitlichen rückwärtigen Flügeln den Hof einschließend, mit der zweiläufigen Freitreppe aus dem oberen Saal; dann folgt hinter einer Brüstungsmauer mit Ziergitter der Lustgarten mit Wasserbecken, Lauben und Blumenbeeten, an langer Mittelachse reihen sich an Gemüse und Baumfelder 70).

In Merians Florilegium (1641) ist der Schwindsche Garten in Frankfurt abgebildet (Abb. 33); in seinen Topographien 71) stellt Merian neben anderen den Kielmannschen Garten ausführlich dar (Abb. 34).

Alle diese Beispiele haben nicht viel Unterschiedliches; sie sind mehr oder weniger reich in Zierformen und Bildern innerhalb ihres räumlichen Aufbaues. Der Ulmer Garten wurde deshalb so ausführlich dargestellt, weil uns eine Beschreibung aus der Zeit selbst erhalten ist, und zwar eine Beschreibung, aus der das Leben im Garten und die Empfindung für ihn so deutlich zum Ausdruck kommen 72).

Abb. 33. Schwindscher Garten in Frankfurt, nach Merian in Florilegium. (S. 42.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Studien über Renaissance-Gärten in Oberdeutschland