Stritter, Johann Gotthelf von (1740-1801) deutscher Geschichtsforscher in russischen Diensten. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd 36 (1893)
Autor: Otto, Friedrich, Erscheinungsjahr: 1893
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Stritter: Johann Gotthelf (v.) St., Geschichtsforscher, geboren zu Idstein in Nassau im Jahr 1740, † in Russland am 2. März 1801. Er war der zweite Sohn des Rektors Johann Michael St. zu Idstein. Stritter besuchte das Gymnasium, dem sein Vater vorstand, und die Universität Halle, wo er vornehmlich theologische Collegia hörte. Doch widmete Stritter in der Folge seine Dienste nicht dem Heimatlande, sondern begab sich nach St. Petersburg, wo Stritter zunächst Beschäftigung und Anstellung an dem Gymnasium der Akademie fand. Nachdem Stritter sein Hauptwerk vollendet hatte (s. u.), wurde Stritter im Jahre 1780 zum Archivar an dem Reichsarchiv zu St. Petersburg mit dem Range eines Kollegienassessors und zum Adjunct der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 1785 zum Hofrat und Aufseher des Reichsarchives zu Moskau ernannt. Seine Verdienste um die Aufklärung der Geschichte Russlands trugen Stritter schließlich den Rang eines russischen Staatsrates und den von der Kaiserin Katharina gestifteten St. Wladimirorden ein. Unter die Wünsche dieser Herrscherin, zu deren Erfüllung sie u. a. den bekannten Historiker und Publizisten A. L. Schlözer schon im Jahre 1765 zum ordentlichen Mitgliede der Akademie und Professor der russischen Geschichte bestellte, gehörte es bekanntlich, daß eine zuverlässige und vollständige Geschichte Rußlands zu Stande komme. Die kaiserliche Akademie nahm auch ihrerseits im Jahre 1767 diese Sache energisch in die Hand und beauftragte, da Schlözer um diese Zeit mit der Absicht umging Russland zu verlassen, im Jahre 1768 den noch nicht lange eingewanderten, aber dazu ganz geeignet erscheinenden Stritter, zunächst alles, was über die Geschichte Russlands bei den Byzantinern sich vorfinde, aus zuziehen und zusammenzustellen. Der ihm gestellten Aufgabe kam dieser in einer Weise nach, die Stritter den Dank und die Anerkennung der Kaiserin und aller Kenner eintrug; sein Werk ist grundlegend für die wissenschaftliche Erforschung der älteren Zustände und Begebenheiten des großen russischen Reiches geworden. Es erschien von 1771–1780 in vier Quartbänden, die auf Kosten der Akademie gedruckt wurden. Um die Ergebnisse seiner Forschungen in weitere Kreise zu verbreiten, verfasste Stritter zugleich Auszüge, die auch in das Russische übersetzt wurden, von 1770–75. 8°, veröffentlichte populäre Aufsätze im St. Petersburger Kalender (Historische Nachrichten von der Krim 1775, Nachrichten von den vornehmsten Völkern, die auf der nördlichen Seite der Donau .... wohnen 1776–1779) und im (Neuen) St. Petersburger Journal (Lebensbeschreibung des ehemaligen russischen Generals Patrik Gordon 1781 u. a.). Von einer Geschichte des russischen Reiches in russischer Sprache, die Stritter nicht vollendete, erschienen kurz vor seinem Tode im Jahre 1800 zwei Bände in -1-O. Die „Aufsätze, betreffend die russische Geschichte“ in der Bibliothek der Großfürsten Alexander und Constantin (Verlin u. Stettin 1784–1789, Th. 2-9), welche die Kaiserin Katharina verfasste, beruhen auf einem großen handschriftlichen Werke Stritter’s und reichen bis zum Jahre 1225 (das russische Original bis 1276). – Die Ausgabe des Cornelius Nepos, mit Anmerkungen und Register, St. Petersb. 1773, die Stritter besorgte, erinnert an seine Lehrtätigkeit im Gymnasium.

Meusel, Gel. Teutschland VII; Derselbe, Anleitung zur Kenntnis der europäischen Staatengesch. 1816. S. 54-5. – Schlözer, Probe russ. Annalen 1816. Vorrede. – Biographie universelle Th. 44. Paris 1826.