Jütland, Gotland, Friesland, Kultur und Sprache

Die Schilderung der Blankeneser in der Nähe Hamburgs ist etwas modern überspannt, etwas übertrieben und in allen Punkten nicht ganz wahr. Die alte Stadt Schleswig habe früher als Dorf „Flinsdorf“ geheißen. Nein, Flinsdorf nicht, sondern Slisdorp, d. h. das Schlei-Dorf. Die ganze Halbinsel zwischen Elbe und Kattegat sei „in den ältesten Zeiten von deutschen Stämmen bewohnt gewesen, welche später die nördliche Hälfte verließen, welche nun von den Jüten in Besitz genommen ward. Der südliche Teil bildet die deutschen Herzogtümer Schleswig-Holstein.“ Also unter dem nördlichen Teile ist Jütland gemeint. Dieses Jütland, dessen nördlichstes Horn gerade in das schwedische Gottenland hinüberweist und die engste Namenverwandtschaft zwischen Jüten und Gotten (in alter Zeit), ja die Gleichheit der beiden Völker mehr als mutmaßen lässt, hat niemals deutsche Bewohner gehabt, aber die reinen Jüten der ältern Zeiten sind keine Dänen gewesen, ebensowenig wie die Gotten jemals Dänen gewesen sind, auch die jetzigen Jüten noch schwerlich, nachdem schon lange das ganze Jütland, vorzugsweise die fruchtbare Osthälfte durch und durch dänisiert werden. Die Jüten und Gotten haben in Sprache und Körpergestalt manches Westgermanische, was dem eigentlichen Dänen fehlt, und doch sind sie Ostgermanen, deren Gepräge unverkennbar ist in Geschichte und Gegenwart. „In den schleswigischen Marschen,“ heißt es an einer andern Stelle in den Streifzügen, „hauptsächlich bei den Friesen, stellen sich dazu (nämlich zum Mähen und Dreschen) die Jütländer ein, die, wie in England die Irländer, jährlich regelmäßig zu dem reichen Nachbar im fetten Kleiboden wandern, dem sie ihre Dienste anbieten.“ Eine ebenso gute Vergleichung wären die deutschen Mäher gewesen, welche unter dem Namen Mieren und Pupen in Westfriesland (Vriesland) bekannt sind, in Holland aber hanneckemaayers heißen und auf den nordfriesischen Inseln Hankenmeiers, alljährlich zu Tausenden nach jenem friesischen und holländischen Kleiboden wandern, um sich einige Thaler für den Winter zu erwerben. Aus Patriotismus dürfen solche Vergleichungen nicht verschwiegen werden, auch nicht, dass die Westfriesen die deutschen Mäher Stinker nennen. Die Friesen auf der Westseite des jetzigen Herzogtums Schleswig hätten erst im 11. und 12. Jahrhundert die Kunst gelernt, ihre Marschen einzudeichen. Das ist wieder eine von den hohlen modernen Behauptungen, die sich aufwerfen und spreizen ohne Halt und Boden, und gegen alle gesunde Vernunft sind. Die Deichkunst ist die ursprüngliche und ausschließliche Kunst der Friesen und ihr Ursprung liegt in einer unabsehbaren und unerforschlichen Vorzeit Die Bauerngerichte würden von unsern Friesen auch „Bondengerichte“ genannt. Bondengerichte ist ein übler Ausdruck, und keinem Friesen fällt es ein, sich des Namens Bonden zu bedienen. Dieses Wort Bonde ist ein dänisches Wort und bezeichnet ursprünglich den gebundenen, leibeigenen Bauer. Von einem solchen entmenschten Wesen haben die Friesen nie etwas gewusst. Es gebe keine Dörfer in der nordfriesischen Marsch, nur Höfe auf künstlichen Erdhügeln. Allerdings gibt es Dörfer da, mehre Dörfer, der Verf. der Streifzüge konnte das als Augenzeuge nicht wissen, weil er nicht da gewesen ist. — Mit Rücksicht auf die Deiche Dithmarschens und Nordfrieslands wird behauptet, dass das ganze Land dazu beisteuere. Soll das ganze Land die Herzogtümer Schleswig und Holstein bedeuten, so ist diese Angabe falsch. Jedenfalls lässt diese Stelle Irrungen und irrige Auffassungen zu, denn es ist mit unsern Deichen nicht so, wie mit den westfriesischen und holländischen, wozu das ganze Land beisteuert. Dass die Ur-Angeln, welche nach England gingen, bis zum 4. Jahrh. in Angeln gewohnt, und dass dann Jüten eingedrungen, ist ungefähr die hergebrachte, ohne geschichtliche Grundlage angenommene und allgemein gewordene Meinung, wenn statt des 4. das 5. Jahrh. angenommen wird. Ob das Land Angeln nach dem Auszuge nach Britenland von Jüten oder von Dänen der Inseln angefüllt worden, lässt sich geschichtlich nicht nachweisen, auch nicht, wann und wie dies geschehen, sicherlich später, als man glaubt, und durchaus nicht von Ur-Jüten, sondern entweder von reinen Inseldänen oder von dänisierten Jüten.