Sylt unter Schwarz-Rot-Gold

Vielfältig habe ich, vor einem Jahrzehnt, in deutschen Gauen die alte Landesfarbe sich verwandeln sehen, die von Hannover, die von Kurhessen, die von Nassau, die von Frankfurt — aber niemals hätte ich geglaubt, dass ich es auch auf Sylt noch mit meinen eigenen Augen erblicken sollte. Doch da waren die schwarz-weißen Pfähle, so gut wie anderwärts, und zwischen Westerland und Keitum, auf offener Heide, stand eine jener wohlbekannten Tafeln, gleichfalls schwarz-weiß, mit der Angabe der Provinz, des Regierungsbezirks, des Kreises, des Regiments, der Landwehr etc. Diese Preußen sind wie die alten Römer; wohin sie kommen, pflanzen sie zuerst ihre Feldzeichen auf und stecken so zu sagen ringsum ein befestigtes Lager ab; und den Soldaten folgen die Verwaltungsbeamten, die Vollstrecker des Gesetzes, auf dem Fuße. Wohl war es ein harter Weg für Manchen zu wandeln, und vielfach noch unter dem Schwarz-Weiß schimmerte das frühere Weiß-Rot und Weiß-Gelb eine Weile durch. Aber es war der Weg, der zum Ziele geführt hat; und heute gibt es wohl nur Wenige noch, auf Sylt und anderwärts, die dasjenige, was geschehen ist, ungeschehen machen möchten, selbst wenn sie könnten. Das Jahr 1870 hat die Wunden geheilt, welche das Jahr 1866 geschlagen; in der Hingebung an das wiedergewonnene, große deutsche Vaterland haben die Einen Trost für mannigfache Enttäuschung, die Anderen Ersatz für mannigfache Opfer und Alle zusammen jenes höchste Gut einer Nation gefunden, dessen Besitz und Hütung Stamm mit Stamm verbindet in Süd und Nord, auf dem Festland und den Inseln — „ein einzig Volk von Brüdern."

Als am 13. Juli des Jahres 1864 ein Häuflein Steyrischer Jäger bei Munkmarsch und Nösse landete, da bemächtigte sich der Sylter ein Gefühl, welches sie nie zuvor gekannt — das der Rettung und Sicherheit. Offen und unverhohlen durften sie nunmehr der lange gehegten, lang unterdrückten Herzensmeinung Ausdruck geben — mit schleswig-holsteinischen Flaggen schmückten sich die Häuser, mit ihren Sonntagskleidern die Bewohner; mit Blumen und Hurrah’s, mit Ehrenpforten und Händedrücken wurden die Truppen begrüßt, welche ihnen das Zeichen der Befreiung brachten und den lange Verstoßenen und Vereinsamten die Rückkehr zur deutschen Völkerfamilie verbürgten. „Ich habe meine Sylter Landsleute nie so einig, so froh, so begeistert gesehen, wie in diesem Augenblick", schreibt der wackere Hansen in seinen „Notizen über die Kriegsaffären der Sylter"; und er fügt hinzu: „Manchem ernsten bejahrten Schiffskapitän, der vielleicht in seinem Leben nicht geweint hatte, flössen Tränen der Rührung über die wetterbraunen Wangen." Ihm selbst verschloss Rührung den Mund, und er musste sich damit begnügen, dem Führer der Truppen ein Gedicht zu überreichen, welches mit den Worten begann:


      Ihr seid willkommen, Deutschlands Heldensöhne!
      Ihr seid willkommen auf dem Sylterland!
      Den lieben Rettern unser Dank ertöne,
      O führt uns heim ins große Vaterland!

Wenig konnten die braven Insulaner damals ahnen, dass die, welche sie als ihre „Retter" empfangen, in wenigen Jahren selbst keinen Teil mehr an jenem Vaterlande haben, und dass sie selbst preußisch werden sollten, nicht schleswig-holsteinisch. Wohl hatten sie eine Deputation an Bismarck nach Berlin gesandt, dass er ihrer nicht vergessen möge; doch ihre Huldigungen gehörten dem Herzoge von Augustenburg. Nun, auch darüber ist die Zeit- und die Flut der Ereignisse hinweggerauscht; und ich glaube, nach den Eindrücken, die ich auf Sylt erhalten, so wie nach den Mitteilungen, die mir dort geworden, sagen zu dürfen, dass Zufriedenheit herrscht mit dem unzweifelhaft Guten, was die neue Ordnung der Dinge geschaffen hat, und Ergebung in manches Andere, was untrennbar damit verbunden ist.

Tapfer und pflichtgetreu haben nicht wenige der jungen Sylter den Krieg von 1870 mitgemacht; keiner von ihnen ist vor dem Feinde gefallen, wohl aber sind Einige den auf dem Felde der Ehre erhaltenen Wunden nachmals erlegen und Andere wiederum in den Lazaretten verstorben, sowohl in Frankreich, als daheim in den Herzogtümern; so dass auch diese kleine, ferne Insel mit dem Leben mehrerer ihrer Söhne die heilige Sache des Vaterlandes besiegelt hat. Zum größeren Teil ist bisher die junge Sylter Mannschaft, um ihrer militärischen Dienstpflicht zu genügen, zur deutschen Marine gegangen; und es ist dies auch sehr natürlich für eine inselbewohnende, seefahrende Bevölkerung. Allein in neuerer Zeit klagt man auf Sylt über Abnahme der Schiffskapitäne sowohl, als der Seefahrer überhaupt. „Jetzt, seit der Preußischen Herrschaft", sagt Hansen, „sind nur sehr wenige Sylter Schiffskapitäne in der Fahrt. Es wird ihnen zu schwer gemacht ihr Fortkommen zur See"*).

*) Das Nordseebad Westerland auf Sylt von E. P. Hansen.

Früher nämlich sollen sie die Navigation leicht und ohne viele Kosten in der Heimat erlernt, dann in Tönning und später in Flensburg oder Kiel ihr Seemannsexamen abgelegt und gewöhnlich den ersten Grad erzielt haben. Seitdem aber hat sich das Alles, so sagt man, viel schwieriger und kostspieliger für sie gestaltet durch die Staatsnavigationsschulen, von denen die Regierung nur eine an der Ostsee, in Schleswig, und keine an der Nordsee errichtet. Auch die mehrfachen Examina für kleine und große Fahrt, für Steuermänner und Schiffer haben, nach dieser Aussage, dazu beigetragen, dass die Mehrzahl der Sylter Jugend ihren früheren Haupterwerb immer mehr aufzugeben beginnt. Ich wage nicht zu entscheiden, in wie weit diese Behauptung begründet sei; keinesfalls aber, ihre Zuverlässigkeit vorausgesetzt, scheint sie mit den angeführten Tatsachen in einem notwendigen Zusammenhange zu stehen. Nach Hansens eigenen Angaben (a. a. O.) betrug die Zahl der Sylter Seefahrer im Jahre 1850: 300 gegen 275 in 1860, und 260 Ende 1867, so dass die Abnahme ziemlich gleichmäßig sowohl vor, wie nach dem Eintritt der Preußischen Regierung Statt gefunden hat. Diese kann man daher keineswegs verantwortlich dafür machen; wohl aber ergibt sich, — und was zuerst Folge gewesen, mag späterhin mitwirkender Grund jenes Ausfalls geworden sein und wird vielleicht sein Ersatz werden, — dass in neueren Zeiten verhältnismäßig mehr Einwohner als früher, namentlich auf der östlichen fruchtbareren Seite der Insel, in Morsum und Archsum, der einträglichen Landwirtschaft, dem Ackerbau und der Viehzucht sich widmen; und in Verbindung damit steht die anderweite Tatsache, dass die Zahl der militärpflichtigen Sylter, welche im Landheere, meistens in der Garde, dienen, gegen früher in der Zunahme begriffen ist. Ich glaube wohl, dass es den Sylter Rekruten im Anfange nicht leicht geworden, sich an die stramme preußische Zucht und an die soldatische Kost zu gewöhnen, und dass mancher dieser jungen Inselbewohner, zumal in Berlin, wo nicht wenige von ihnen dienen, rechtes Heimweh bekommen haben mag und mitunter vielleicht auch rechten Hunger, wenn er des häuslichen Herdes gedachte. Denn das Leben auf den Inseln und den Schiffen, wenn es einerseits ärmer an Genüssen und reicher an Entbehrungen ist, verlangt und gewährt auch andrerseits mehr, als das Leben auf dem Lande; namentlich ist die Nahrung substantieller und schmackhafter, als diejenige unsrer ländlichen Bevölkerungen im Allgemeinen zu sein pflegt. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass trotz solcher Klagen, die man, begründet oder nicht, überall hören wird, wo diese Verhältnisse neu sind, bis jetzt noch nicht ein einziger Fall auf Sylt vorgekommen ist, in welchem ein Militärpflichtiger sich eigenmächtig dem Dienste, sei es zu Wasser oder zu Lande, entzogen hätte. Das gereicht dem Charakter der Insel und seiner Bewohner zur höchsten Ehre, und ist jedenfalls mehr, als man von manchem unserer alten und angestammten Landesteile rühmen kann.

Das Altsylter Volksgericht der Ratsmänner, welches ich im Jahre 1859 noch in voller Übung gesehen, ist im Jahre 1867 durch die Preußische Regierung aufgehoben worden. Statt der gebotenen und ungebotenen Thinge von Ehedem fungiert jetzt ein regelrechtes Königlich Preußisches Amtsgericht in der ehemaligen Landvogtei Tinnum. Bis zur Besitzergreifung durch Preußen hat es auf Sylt immer nur einen einzigen Königlichen Beamten gegeben: den Landvogt; das Wort „Amtmann", in unserem Sinne, war dort unbekannt, der Beamte von Tondern, der diesen Namen führte, hat sich seitdem in einen „Landrat" verwandelt. In den verschiedenen Teilen des ehemaligen Amtes, jetzigen Kreises Tondern, gab es nur Hardesvögte; auf Sylt und Osterlandföhr dagegen seit 1460 Landvögte, die als Vertreter der Königlichen Gewalt in einem langwierigen, und von beiden Seiten hartnäckig geführten Kampfe die Befugnisse der ursprünglich republikanisch organisierten und durchaus auf Selbstregierung gestellten Volksgemeinde zu beschränken und an sich zu bringen trachteten. Auf diese Weise hatten sie, mindestens seit 1750, nicht nur die Polizei, sondern auch die Steuerhebung in ihre Hände gebracht und nahmen Teil an der ökonomischen Verwaltung wie der Justizpflege der Insel. Darüber hinaus zu kommen ist ihnen freilich niemals gelungen; sie mussten sich vielmehr immer damit begnügen, nur Beisitzer der Versammlung zu sein, Leiter der Beratungen, aber ohne das Recht der Stimmabgabe, sowohl bei den Urteilen der zwölf Ratsmänner, des sogenannten Sylter Rates, welchem das Gericht, als auch bei den Beschlüssen der neun Bevollmächtigten, des sogenannten Landesbevollmächtigten-Kollegiums, welchem die Verwaltung- und die Polizei der Landschaft Sylt als solcher zustand.

So war der Zustand der Dinge, welchen Preußen vorfand. Es begann die Reorganisation damit, dass, wie sich dies für ein modernes Gemeinwesen von selbst versteht, die Verwaltung von der Justiz getrennt und die Funktionen zwischen dem Amtsrichter und dem Landvogt geteilt wurden. Für das Institut der Ratsmänner war in der neuen Ordnung der Dinge kein Raum mehr, und es musste, bei der ersten Berührung gleichsam, fallen; allein erklärlich ist das Bedauern derjenigen, welche mit einer so lang in Ehren gehaltenen Reliquie der Vergangenheit, diese selbst mehr und mehr entschwinden sehen, welche sich erinnern, dass dem Sylter Rate noch vor wenig mehr als hundert Jahren, sogar der Blutbann zugestanden, und dass derselbe niemals ein Urteil gesprochen, welches nicht bestätigt worden wäre. Die Kompetenz des gegenwärtigen Amtsrichters erstreckt sich nur auf kleinere Sachen, Erbteilungen etc., unter Beisitz zweier gewählter Schöffen, und sein Personal besteht aus einem Amtssekretär und einem Gerichtsdiener. Dem Landvogt dagegen, welcher seinen Sitz in Keitum hat und ausschließlich Verwaltungsbeamter ist, untersteht die Polizei, mit Allem was zu derselben gerechnet wird, sowie das hochwichtige Strand- und Dünenwesen, welches für die Insel von einer geradezu vitalen Bedeutung ist und von acht Strand- und Ufervögten nebst mehreren Dünenaufsehern besorgt wird. In alle diese Verhältnisse, seitdem Preußen dieselben in die Hand genommen, ist eine straffere Disziplin gekommen, die hier und dort, wo man bisher nicht daran gewöhnt war, noch drücken mag, aber ihre Zuverlässigkeit in guten wie schlimmen Tagen, ihre Unerlässlichkeit für das gemeine Wohl doch zu sehr erwiesen hat, als dass man, mit allen ihren Unbequemlichkeiten, sie nicht willig ertragen sollte. Preußische Zoll- und Steuer-, deutsche Post- und Telegraphenbeamte sind in voller Tätigkeit; aus ihrer Vereinsamung und Weltentlegenheit sieht sich die Insel plötzlich hineinversetzt in das volle moderne Staatsleben. Dass dies ohne Einbuße an gewissen lieb gewordenen patriarchalischen Überlieferungen und Einrichtungen nicht wohl geschehen konnte, liegt auf der Hand; und in einer solchen Stimmung ist man nur zu sehr geneigt, dasjenige, was man verloren, auf Kosten des Neuen, was man dafür gewonnen, zu überschätzen. Das Gemüt des Menschen ist nun einmal so beschaffen, dass es am Alten hängt und das Vergangene zu glorifizieren liebt. Nichts war noch zur Zeit meiner ersten Anwesenheit unpopulärer auf Sylt, als das erst aus dem Jahre 1790 datierende Colleg der Landesbevollmächtigten, in welchem der Sylter Rat eine Beeinträchtigung und Beschränkung seiner alten Rechte und Privilegien erblickte; jetzt hält man es hoch als „den letzten Rest der altfriesischen Freiheiten". Umgekehrt, während man früher und mit Recht, über die gänzliche Vernachlässigung der Insel Seitens der dänischen Regierung Beschwerde führte, glaubt man jetzt, dass die preußische sich vielleicht zu geschäftig erweise, indem man dreißig bis vierzig Beamte bei der Arbeit sieht, wo früher nur einige wenige waren. Dass Unzuträglichkeiten vorhanden, die mit der Lage der Insel zusammenhängen, soll nicht in Abrede gestellt werden, wie z. B. dass das Kreisgericht für Sylt sich jetzt in Flensburg befindet, welches bei der außerordentlichen Schwierigkeit der Kommunikation im Winter für Schwache und Arme gar nicht zu erreichen ist.

Indessen sollte man über den kleinen, teils wirklichen, teils nur eingebildeten Übelständen die größeren Segnungen nicht vergessen, deren Sylt offenbar schon heute sich erfreut. Mit kräftiger Hand hat Preußen sogleich da eingegriffen, wo Hilfe am Meisten Not tat: nämlich am Strand und in den Dünen, durch deren Existenz diejenige der Insel selbst bedingt wird; so dass dieser lang isolierte Volksstamm nicht nur der nationalen Gemeinschaft wieder zurückgegeben, sondern auch der Boden selbst, auf dem er lebt, neu gesichert worden ist. Nicht mehr, wie in vergangenen Tagen, werden die Westerländer Frauen und Mädchen sich den Tod holen, indem sie bei Sturm und Wetter draußen in den Dünen arbeiten, um die wankenden durch Anpflanzungen zu befestigen; nicht mehr, auf ihre unzulängliche Kraft allein gestützt, hat die Insel den Kampf um ihr Dasein mit den Elementen zu führen, welche, je mehr die Schutzwälle wichen, desto ungestümer und unbarmherziger wurden. Hier, wie gegen einen einrückenden äußeren Feind, war es des Staates erste und oberste Pflicht, für seine bedrohten Angehörigen einzutreten; aber während der dänischen Zeit war für die Dünen regierungsseitig überhaupt Nichts getan worden, so dass die Westerländer sich, ohne jegliche Beihilfe, gegen den Andrang der See zu schützen hatten. Hansen gibt die Kosten für Bau und Erhaltung des Seedeichs von Tinnum nach Westerland in den Jahren von 1820—1866 auf etwa 12.000 Mark an, welche, so wie die Arbeit unentgeltlich geleistet ward, gleichfalls durch freiwillige Beiträge des kleinen Dorfes aufgebracht werden mussten. Dazu kam, dass die Strandpolizei so schlecht gehandhabt ward, dass noch Ende der dreißiger Jahre der Strandraub auf Hörnum, und zwar auch von den Nachbarinseln Föhr und Amrum aus, betrieben wurde.

Gegenwärtig hat der Strand, und zwar an seinen gefährdetsten Stellen, ein ganz anderes Ansehen gewonnen. Seit 1869 lässt die preußische Regierung auf Staatskosten die weitläufigen Dünen bei Rantum und nördlich von Kampen unter Aufsicht eines Düneninspektors bepflanzen, während zur Befestigung des Strandes bei Westerland bis aufwärts nach Wenningstedt jene Steindämme, die sogenannten „Buhnen", angelegt werden, gleichfalls unter Aufsicht eines eigens dazu bestellten Wasserbaumeisters. Die gefährlichsten der Dünen sind die sogenannten Längen- oder Wanderdünen, jene nach Süd und Nord gedehnten, oft Meilen langen, sehr hohen und kahlen Sandberge, welche sich selten mit den sonst so stark wuchernden Dünenpflanzen bedecken und daher in ihrer Nacktheit und Ungebundenheit um so verderblicher sind, als sie bei Sturm, wie rauchende Berge, Massen von Sand über das ostwärts liegende Land schütten und sich selber unaufhaltsam, todbringend, ostwärts wälzen*). Eine solche Düne nun, nördlich von Kampen, hat die Regierung bereits zum Stehen gebracht; und wie bedeutungsvoll diese Tat, kann nur der ermessen, welcher die Zerstörungsgeschichte der früheren Zeit studiert hat.

*) Man vergl. Hansen: Sagen und Erzählungen der Sylter Friesen, S. 8 und 9. — Demselben würdigen Manne, Lehrer in Keitum, der eine Literatur über Sylt eigentlich erst geschaffen und dessen verdienstvolle Schriften ich im Verlaufe dieses Buches wiederholt genannt, habe ich auch für diese und die nachfolgenden statistischen Angaben zu danken, die er mir brieflich mitzuteilen die Güte hatte.

Wenn demnach die Sylter nicht mehr in beständiger Angst zu leben brauchen, dass ihnen der Boden unter den Füßen entschwinde, so spiegelt diese zunehmende Sicherheit der Existenz sich auch in der sonstigen Prosperität der Insel. Die Bevölkerung derselben, welche sich im Jahre 1859 auf 2.700 belief, ergab bei der Zählung von 1875 eine Zunahme von mehr als 400, nämlich 3.114 Einwohner, darunter 1.365, männlichen und 1.749 weiblichen Geschlechts. Am meisten verhältnismäßig hat Westerland gewonnen; im Jahre 1850 zählte das Dorf nicht mehr als 450 Einwohner, während es heute bereits 683 hat. Das Kirchspiel Keitum, das größte auf Sylt, hat seit 1860 um 163 Einwohner zugenommen, es zählt gegenwärtig 1.734, von denen auf den Ort Keitum allein 886 kommen. Wir dürfen, mit diesen Zahlen vor uns, wohl an eine gedeihliche Zukunft der Insel denken, deren Schicksal nun und für alle Zeit unauflöslich an dasjenige des großen, mächtigen, liebevoll sorgenden Vaterlandes geknüpft ist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Stillleben auf Sylt