Steigerung der Getreideernte mit Hilfe der Elektrizität.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1921
Autor: Lustig, H., Erscheinungsjahr: 1921

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Elektrizität, Gleichstrom, Wechselstrom, Stromstäke, Spannung, Notlage, Getreide, Pflanzen, Wachstum, Ertrag
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die freilich nur allmählich mögliche Überwindung der gegenwärtigen Notlage wäre die Steigerung der einheimischen, in erster Linie auch der landwirtschaftlichen Produktion. Eine beachtenswerte Aussicht, diesem erstrebenswerten Ziele näher zu kommen, eröffnet sich durch die überraschenden Ergebnisse, die von der englischen Landwirtschaft während der Kriegsjahre durch Zuhilfenahme der Elektrizität bekannt geworden sind.

*****************************************************
Schon vor etwa dreißig Jahren hat der schwedische Gelehrte Professor Lemström auf Grund von Beobachtungen, die er auf einer Polarreise machte, Versuche angestellt, durch Elektrizität auf die Entwicklung von Pflanzen einzuwirken. Aus der Tatsache nämlich, dass die atmosphärische Elektrizität des höchsten Nordens, mit der auch die Erscheinung des Nordlichtes zusammenhängt, ungleich stärker ist als in unseren Breitengraden, schloss dieser Forscher, dass wohl darin der Grund für die wesentlich schnellere Wachstumsentwicklung in diesen Gegenden läge.

Die Richtigkeit seiner Annahme wurde durch das Ergebnis seiner daraufhin angestellten Experimente bestätigt. Er spannte zunächst über einige in Töpfe gepflanzte Blumen ein Netz aus, das von einer Influenzmaschine elektrisch geladen wurde. Bei den so behandelten Pflanzen wurde ein beschleunigtes Wachstum festgestellt. Nun dehnte er seine Versuche auf das freie Feld aus und erzielte in verschiedenen Fällen eine Verdoppelung des Ernteertrages. In England, wo man Lemströms erstaunliche Erfolge mit wachsendem Interesse verfolgt hatte, ging man vor mehreren Jahren dazu über, hochgespannte Wechselströme, die durch Gleichrichtung in Gleichstrom verwandelt wurden, anzuwenden.

Es stellte sich heraus, dass es keines die ganze Fläche überspannenden Netzes bedurfte, dass vielmehr dünne Drähte, einfach in Abständen von etwa elf Meter an Holzstangen und in Höhe von fünf Metern gezogen, durchaus genügen. Für hundert Hektar braucht man etwa hundert Stangen. Die Drahtleitung wurde am Erdboden isoliert und ihr Gleichstrom in 60.000 bis 100.000 Volt Spannung, aber von geringerer Stromstärke zugeführt. Die Ergebnisse wurden immer befriedigender. Zur Erzeugung des Stromes bedient man sich eines Ölmotors, wie er auch bei uns zum Antrieb kleinerer landwirtschaftlicher Maschinen Verwendung findet, und lässt ihn eine kleine Dynamomaschine antreiben. Durch besondere Vorrichtungen wird der somit erzeugte Gleichstrom in hochgespannten Wechselstrom und dieser wieder durch zahlreichen Wechsel in hochgespannten Gleichstrom umgewandelt. Die Apparate nehmen nur wenig Platz ein, und die nötigen Umschalter sind auf einer mannshohen Schalttafel vereinigt. —

Auf diese Weise kommt eine hohe Wärmeentwicklung, aber auch eine chemische Beeinflussung zustande, über die Klarheit zu schaffen es noch weiterer wissenschaftlicher Forschungen bedürfen wird. Dass die Nahrungsaufnahme der Pflanze durch elektrische Einflüsse eine erhebliche Steigerung erfährt, ist jedenfalls einwandfrei erwiesen. In Amerika machte man auch Versuche mit Begießungen elektrisch behandelten Wassers, die sich aber im Gegensatz zu den elektrischen Bestrahlungen nicht bewährten.

Eine kürzlich von dem englischen Landwirtschaftsministerium veröffentlichte Denkschrift gibt einen klaren Überblick über die in England erreichten Erfolge. Danach konnte zum Beispiel das Wachstum des Haferkornes mit Hilfe der Elektrizität eine Steigerung um 49 Prozent, die des Haferstrohs sogar bis zu 88 Prozent erfahren. Auch bei Weizen und Gerste, Rüben und Kartoffeln sowie bei Gartenfrüchten, Tomaten, Erdbeeren usw., wurden mit dem elektrischen Verfahren, wenn auch bei den einzelnen Arten in verschiedenen Graden, außerordentlich befriedigende Ertragserhöhungen erzielt. Die elektrisch bestrahlten Pflanzen waren kräftiger und größer, meist auch von dunklerer Farbe als auf gleichem Boden ohne solche Behandlung gewachsene Pflanzen derselben Art. Die Herstellungskosten waren gering und betrugen für Felder von etwa fünfzig Hektar für jedes Hektar nur fünfzig Pfennig, während der durchschnittliche Mehrgewinn auf 1,12 für die gleiche Feldfläche stieg. Bei ausgedehnteren Bezirken ist das Verhältnis zwischen Kosten und Mehrertrag noch viel günstiger.

Man darf nun wohl hoffen, dass auch die deutsche Landwirtschaft sich die Entdeckung des schwedischen Forschers und die seither gemachten Erfahrungen zunutze machen wird. Voraussetzung für eine allgemeine Verwertung in größtem Umfang würde freilich sein, dass die Erzeugung der Elektrizität für die Landbezirke, statt auf zunehmende Behinderungen zu stoßen, in weit größerem Maßstab als bisher ermöglicht würde.

Getreideernte, ein Fuder Getreidegarben

Getreideernte, ein Fuder Getreidegarben

Getreideernte

Getreideernte

Mecklenburg, Getreideernte, Mähbinder

Mecklenburg, Getreideernte, Mähbinder

Bauern beim Dreschen

Bauern beim Dreschen