Stadt und Land. Viertes Bilderbuch der Münchner „Jugend“.

Aus dem Bilderschatze der Münchner „Jugend“ ausgewählt und unter Mitwirkung der „Freien Lehrervereinigung für Kunstpflege“ Berlin herausgegeben von
Autor: Hirt, Georg (1857- ?), Erscheinungsjahr: 1909
Themenbereiche
Joseph von Eichendorff, 1788-1857

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.

Die Trägen die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.

Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was soll ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl und frischer Brust?

Den lieben Gott lass ich nun walten,
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach’ aufs best bestellt.
Inhaltsverzeichnis
Liebe Kinder

Es ist mitten im Sommer. Wie ein sonnenbeschienenes Eiland voll lockender Genüsse liegt die goldene Ferienzeit vor Euren Augen, so greifbar nahe und doch nicht erreichbar. Aber in wenigen Tagen wird Euer Schifflein, bepackt mit Hoffnungen und Wünschen, dort Anker werfen, und Ihr könnt dann die Insel der Glückseligen in köstlicher Ungebundenheit nach allen Richtungen hin durchstreifen. Fürs erste freilich gilt es noch manche Klippe zu umsegeln und manches andere Hindernis durch Mühe und Arbeit zu überwinden.

Drückende Schwüle lastet schwer auf der ganzen Klasse. Nur die Aussicht auf den nahen Schulschluss gibt manchem schwankenden Charakter noch einigermaßen eine Stütze. Langsam schleicht Minute auf Minute dahin. Über die Hafte gebeugt, in beängstigender Stille reihen die Knaben einen Buchstaben an den andern. Tapfer kämpfen Sie alle an gegen Langeweile und Müdigkeit. Soeben hat der kleine Hans eine Seite vollendet. Er ist einer armen Witwe Sohn und muss immer so früh aufstehen, weil er seiner Mutter Zeitungen austragen hilft. Natürlich ist das Löschblatt, das er zu Hause extra in das Heft legte, auf ganz natürliche Weise verschwunden, und somit ist der kleine Schreiber vorderhand zur Untätigkeit verurteilt, was ihm freilich nicht ganz unwillkommen ist. Still blickt er vor sich hin. Da fangen auf einmal die Buchstaben vor seinen Augen an zu tanzen, sanft und doch mit unwiderstehlicher Gewalt senkt sich’s auf seine Augenlider herab, und der Kopf bewegt sich in Zwischenräumen ruckweise nach vorn.

Der Lehrer hat es längst bemerkt, er lächelt. „Lasst und das Lied singen, das wir kürzlich gelernt heben“, sagt er in ruhigem Tone. Da kommt Leben in die Schar, alle Müdigkeit ist wie weggeblasen, und „aus voller Kehl’ und frischer Brust“ klingt es:

„Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.“


Auch Hans hat sich aufgerafft und singt kräftig mit. Voriges Jahr war er mit der Ferienkolonie im Gebirge. Da hat er die Gunst, von der das Lied singt, zum ersten Male erfahren. Und nun schwingt sich seine Sehnsucht, getragen von der frischen aufwärtsstrebenden Melodie, hinaus aus den nüchternen Wänden der Schulstube in das Wunderland Phantasie. Er sieht „Die Bächlein von den Bergen springen“ und hört die Lerchen jubeln, um ihn her ist Sonnenglanz und Blumenduft und Waldesrauschen.

Glücklicher Hans! Ohne dass eines Menschen Auge etwas davon gemerkt hat, ist eine schöne edle Dame an seine Seite getreten und hat einen Kuss auf seine bleiche Stirn gedrückt. Damit hat Frau Kunst sein Herz bezaubert.

Was hat nun aber dieses Buch mit dem kleinen Hans und seiner Sehnsucht zu schaffen? Nun, ich meine, dass es Euch beim Beschauen der Bilder ähnlich ergehen wir, wie dem kleinen Burschen beim Singen des Eichendorff’schen Wanderliedes. Wie dort Dichterworte und Melodie, so werden hier Formen und Farben ihren bestrickenden Zauber ausüben. Freundlich lächelnd tritt dann jene schöne Frau zu Euch, bietet Euch die Hand und fordert Euch auf zu einer Wanderung durch Stadt und Land an ihrer Seite. Wohlan, schlagt ein! Es darf keinen großen Vorbereitungen. Auch das Wetter kann Euch gleichgültig sein. Ja wenn es draußen stürmt und schneit, reist sich’s in Gesellschaft der hohen Frau am angenehmsten. Nur zweierlei müsst Ihr mitbringen: einen frohen Sinn und helle Augen.

Und nun blättert um, die Reise kann beginnen. Glückauf zur fröhlichen Wanderfahrt!

Alexander Troll.




001 Schwind, Moritz v., Die Hochzeitsreise.
002 Schmidt-Michelsen, A., Der Leipziger Naschmarkt.
003 Georgi, Walther, Bayerische Postillone.
004 Lürtzing, Karl, Erfurt vom Hügel.
005 Gärtner, Fritz, Münchner Nachwinter.
006 Georgi, Walther, Töpfermarkt.
007 Osswald, Fritz, Wintermorgen im Nympfenburger Park.
008 Engels, Robert, Um Mitternacht.
009 Rieth, Paul, Schluss der Vorstellung.
010 Schönmann, A., Ave-Läuten.
011 Buhe, Walther, Im Berliner Tierpark.
012 Blos, Karl, Sonntagnachmittag.
013 Hoeß, Eug. Ludw., Viehmarkt.
014 Eichler, Reinhold Max, Das Korn der Witwe.
015 Wilke, Erich, Die Märchen-Erzählerin.
016 Bauriedl, Otto, Der Berg-See.
017 Püttner, Richard, Burg am Niederrhein.
018 Schaupp, Richard, Erntetrunk.
019 Zimmermann, Alfred, Die Wilderer.
020 Lippmann, Johannes, Der Besenbinder.
021 Feldbauer, Max, Frau Nachbarin.
022 Spitzweg, Carl, Der Platz-Major.
023 Havek, Hans v., Der Fischerjunge
023 Georgi, Walter, Württembergischer Bauernhof.

Schwind, Moritz v., Die Hochzeitsreise.

Schwind, Moritz v., Die Hochzeitsreise.

Schmidt-Michelsen, A., Der Leipziger Naschmarkt.

Schmidt-Michelsen, A., Der Leipziger Naschmarkt.

Georgi, Walther, Bayerische Postillone.

Georgi, Walther, Bayerische Postillone.

Lürtzing, Karl, Erfurt vom Hügel.

Lürtzing, Karl, Erfurt vom Hügel.

Gärtner, Fritz, Münchner Nachwinter.

Gärtner, Fritz, Münchner Nachwinter.

Georgi, Walther, Töpfermarkt.

Georgi, Walther, Töpfermarkt.

Osswald, Fritz, Wintermorgen im Nympfenburger Park.

Osswald, Fritz, Wintermorgen im Nympfenburger Park.

Engels, Robert, Um Mitternacht.

Engels, Robert, Um Mitternacht.

Rieth, Paul, Schluss der Vorstellung.

Rieth, Paul, Schluss der Vorstellung.

Schönmann, A., Ave-Läuten.

Schönmann, A., Ave-Läuten.

Buhe, Walther, Im Berliner Tierpark.

Buhe, Walther, Im Berliner Tierpark.

Blos, Karl, Sonntagnachmittag.

Blos, Karl, Sonntagnachmittag.

Hoeß, Eug. Ludw., Viehmarkt.

Hoeß, Eug. Ludw., Viehmarkt.

Eichler, Reinhold Max, Das Korn der Witwe.

Eichler, Reinhold Max, Das Korn der Witwe.

 Wilke, Erich, Die Märchen-Erzählerin.

Wilke, Erich, Die Märchen-Erzählerin.

Bauriedl, Otto, Der Berg-See.

Bauriedl, Otto, Der Berg-See.

Püttner, Richard, Burg am Niederrhein.

Püttner, Richard, Burg am Niederrhein.

Schaupp, Richard, Erntetrunk.

Schaupp, Richard, Erntetrunk.

Zimmermann, Alfred, Die Wilderer.

Zimmermann, Alfred, Die Wilderer.

Lippmann, Johannes, Der Besenbinder.

Lippmann, Johannes, Der Besenbinder.

Feldbauer, Max, Frau Nachbarin.

Feldbauer, Max, Frau Nachbarin.

Spitzweg, Carl, Der Platz-Major.

Spitzweg, Carl, Der Platz-Major.

Havek, Hans v., Der Fischerjunge

Havek, Hans v., Der Fischerjunge

Georgi, Walter, Württembergischer Bauernhof.

Georgi, Walter, Württembergischer Bauernhof.