Über den Autor

„Der Aufenthalt in St. Petersburg war für Vitzthum nur eine kurze Episode, immerhin lang genug, um ihm über russische Zustände ein treffendes Urteil zu ermöglichen. Am 4. Juni 1852 in Kronstadt angekommen, verließ er die nordische Hauptstadt schon im folgenden Frühjahr mit dem Aufgehen des Newa-Eises. In diese Zeit fiel der Besuch des Prinzen, nachmaligen Königs Albert von Sachsen, der vom 27. Juli bis 27. August 1852 währte und Vitzthum Gelegenheit bot, einige äußerst charakteristische Bemerkungen des Zaren Nikolaus über den sächsischen Thronfolger in seine Aufzeichnungen aufzunehmen. An dessen Besuch in Moskau, den er zusammen mit dem preußischen Prinzen Friedrich Wilhelm, nachmaligen Kaiser Friedrich III. machte, hatte Vitzthum nicht teilgenommen. Er holte das Versäumte im September nach. Außer diesen Erlebnissen nahm selbstverständlich die Persönlichkeit des Kaisers das volle Interesse des sächsischen Geschäftsträgers gefangen. Jedenfalls imponierte ihm dessen auch im Äußeren den unbedingten Selbstherrscher darstellende Erscheinung. Dass freilich diese Selbstherrlichkeit ihre bedenklichen Seiten hatte, namentlich insofern sie die von dem damaligen russischen Kanzler Nesselrode eingehaltene Politik gelegentlich rücksichtslos kreuzte und bei Seite schob, sollte sich an der Entwicklungsgeschichte des Krimkrieges erweisen, die Vitzthum zum Teil noch mit erlebte. Der kühle sächsische Beobachter kam dabei zu der jedenfalls von seinem damaligen Chef schwerlich geteilten Überzeugung, dass der Zar nicht mehr ganz normal sei. Darauf basierte dann der Irrtum Vitzthums, dass Nikolaus gleich den andern drei Söhnen Kaiser Alexanders I. einer Gehirnkongestion erlegen sei, während er bekanntlich an einer Lungenentzündung starb, die er sich gelegentlich einer von den Ärzten dringend widerratenen Parade zugezogen hatte.

Vitzthum vertauschte St. Petersburg noch 1853 mit London, wo ihm eine reichlich vierzehnjährige Tätigkeit beschieden war.“


Artikel „Vitzthum von Eckstädt, Karl Friedrich Graf“ von Konrad Sturmhoefel. Aus: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches St. Petersburg 1852-1853