Wer das Glück hat, führt die Braut nach Haus

Als Veranlassung zu diesem Sprichworte wird ein geschichtlicher Vorfall erzählt. Der deutsche König Ludwig, Karls des Großen Nachfolger, lag mit den widerspenstigen Böhmen im Streite. Die unter dem Bischof Arno von Würzburg und anderen Herren gegen sie entsendeten Schaaren (871) stießen aus ihrem Zuge auf eine Truppe Mährer, welche eben im Begriffe waren, die Tochter des Herzogs von Böhmen ihrem Bräutigam, dem Herzoge von Mähren, zuzuführen. Ludwigs Leute griffen sie an und jagten ihnen nebst anderer Beute auch die Braut ab, die nun des Bischofs gute Prise ward.

Aber dieser Erklärung entgegen steht die bekannte lateinische Fassung des Spruches, nämlich das: „Cui fortuna favet, sponsa petita manet.“ Das Beiwort „petita“ deutet offenbar auf eine von bestimmtem Werber begehrte Braut, während in der obigen Geschichte das Überkommen derselben reiner Zufall ist. Es muss sich auf die Anschauung gründen, dass überhaupt die Erwerbung und der Besitz einer Braut comme il faut ein Glück genannt zu werden verdiene, das entweder nicht Jedem zu Teil wird oder nicht immer gerade dem, der schon im Zuge war, dasselbe zu erreichen. Es schwebt uns zu deutlich der Begriff eines Wettkampfes vor, in welchem sich das Glück, dem Objekte gegenüber, nur für Einen entscheidet, und es ließe sich hier ebenso sehr das Moment des Glückes betonen, das Einem, wie man sagt, oft im Schlafe, unverhofft kömmt, als die Errungenschaft einer Braut.


Daher finden wir auch die Redensart: „Glückt es einem, so glückt es hunderten nicht.“ Lateinisch: „Non semper felix temeritas.“ Oder: „Das Glück ist nicht derer, die es verdienen, sondern denen es beschert ist.“ — „Das Glück ist rund, wer's kriegt, dem ist's Gesundt.“ — „Wer eines Dings nicht wert ist, dem gönt und gibt es das Glück.“ — „Ein fauler Hund find offt ein gut Stück Fleisch.“

So dürfte auch in unserem Spruche das Heimführen der Braut nur als Charakteristik guten Glückes, in untergeordnetem Zusammenhange, gemeint sein.

Übrigens findet sich wohl auch eine Stimme, die selbst dieses Glück in Frage stellt, insofern es nämlich vom Heimführen abhängen soll; denn es sagt der Volksmund: „Die Bräute sind nit deren, so sie heimfüren, sunder deren, so sie beschlafen.“