Verballhornt

Johann Ballhorn war ein Buchdrucker in Lübeck, der im 16. Jahrhunderte lebte. Sein Geschäft setzte sein Sohn fort und im Jahre 1531 erschien in seiner Druckerei: „Die neue lübeckische Kirchen-Ordnung“ und viel später, 1599 ein „Passional“. In beiden Büchern ist nichts von jenen verunglückten Verbesserungen zu finden, die nach ihm den Namen „Verballhornt“ erhielten, der noch heute stark im Gebrauche ist.

Eine — und die häufigst vorkommende Deutung über den Ursprung dieser Redensart ist die, dass Ballhorn in der in seiner Offizin gedruckten Kinderfibel dem Hahn einen Korb mit Eiern beigelegt. Nun ist aber die Erfindung dieses Fibelhahns viel jüngeren Datums (18. Jahrh.) und von einer solchen Ballhorn'schen Fibel Niemand etwas bekannt. Dieser Ursprung des Sprichworts, so boshaft endlich auch seine Entstehung ist, muss also als unrichtig bezeichnet werden.


Johann Balthasar Schupp, gewöhnlich Schuppius, ein deutscher Gelehrter (geb. 1610, gest. 26. Oktober 1661), suchte den Ursprung dieser Redensart in der von Ballhorn versuchten Vermehrung des Alphabets, da er die Doppelbuchstaben ff, ll, tt, ss demselben hinzugefügt haben soll. Nun wäre dies eine annehmbare Ursache, wenn sich die Tatsache bestätigte; aber es findet sich kein von Ballhorn gedrucktes ABC-Buch überhaupt, und keines mit diesen Doppelbuchstaben, insbesondere. Demnach fällt auch diese Deutung des Sprichwortes von hinnen.

Prof. Christian August Heumann, (geb. 1681, gest. 1763) in seinem „Poecile“ behauptet nun seinerseits, dass einige Lückenbüßer-Stellen aus Cicero und Quinctilian, mit denen Ballhorn eine leere Seite in Rivii epitome in verborum et rerum copiam“ ausgefüllt habe, die Veranlassung gewesen, seinen Namen für alle Zukunft zu verunglimpfen. Diese Ansicht bestreitet ein Anonymus in Gutzkows „Unterhaltungen am häuslichen Herde“ folgender Maßen: „Solche Zusätze oder Anhängsel waren im 15. u. 16. Jahrhunderte so allgemein und gewöhnlich, dass sie gar nicht auffallen konnten, und überdem ist Rivii epitome ein höchst „unbedeutendes Buch, das niemals geeignet gewesen, unseres Ballhorn Namen zu verewigen.“

Der „Braunschweigische Anzeiger,“ Jahrgang 1764, Stück 73 enthält einen Aufsatz, den auch Siebenkees in seinem „Juristischen Magazin“ I. 528 u. folg. wieder abgedruckt, der eine neue Erklärung der Redensart: „Verballhornt“ versucht, die aber unserem erwähnten Anonymus zufolge, Wahres mit Falschem vermenge. Nach dieser Quelle habe das im J. 1586 erschienene „Lübekische Stadtrecht“ den Zusatz getragen: „Vermehrt und verbessert durch Johann Ballhorn“ wie solches Bahring in seinem Clave diplomat. S. 19 behauptet und Siebenkees in seinem Magazin zur Entschuldigung hinzufügt. Doch dies Alles ist irrig, der vollständige, wörtliche Titel des in Frage stehenden Buches heißt: „Der Kayserlichen freyen und der heiligen Reichs-Stadt Lübeck Statuta und Stadt-Recht. Auf’s Newe übersehen, Corrigiret und aus alter Sechsischer Sprach in Hochteudsch gebracht. Gedruckt zu Lübeck durch Johann Ballhorn 1586.“

Nun denn ist besagter Anonymus doch zunächst geneigt, in diesem revidierten Lübeck'schen Stadtrecht, das Ballhorn zuerst gedruckt, den Ursprung des in Rede stehenden Ausdruckes zu suchen. Seine Auslegung ist folgende:

„Obgleich man freilich, namentlich von dem angrenzenden Mecklenburg und Holstein aus ans eine endliche Revision und den Abdruck des Lübeck'schen Rechtes angetragen, ja wie sehr sich Mancher in Lübeck selbst darnach gesehnt hatte, so war man doch nirgends mit der Revision zufrieden und schalt auf sie unverholen als eine durchaus verfehlte Arbeit. Die Holsteiner und Mecklenburger hätten nun eigentlich ihren Vorwurf, wenn er anders gegründet war, auf den Senator von Stieten schleudern sollen, denn dieser machte den Entwurf zur ganzen Arbeit und hielt so eigensinnig an denselben, dass er nur mit Mühe noch zu einzelnen Abänderungen sich verstand; allein wie wenige wußten außer und vielleicht in Lübeck, welchen Herrn des Rathes jene Revision zunächst übertragen worden war. Sie ließen ihrem Unmuthe freien Lauf und wälzten alle Schuld auf den Unschuldigsten, auf den Buchdrucker Johann Ballhorn, weil dessen Name allein auf dem Titelblatte genannt war, oder auch weil es vielen Rechtsgelehrten schon unwillkommen war, dass überhaupt das Rechtsbuch nur gedruckt ward, und sie nun so ihren Ärger über den Abdruck auf den Drucker übertrugen Das ist die nächste und wahrscheinlichste Erklärung des Sprichwortes.“ Es bleibt jedem unbenommen, sie gelten zu lassen. Wir teilen, bemüht das Materiale zu erschöpfen und nicht geneigt zu Vermutungen noch eigene Vermutungen hinzuzufügen, eine noch neuere oder doch andere Ansicht mit, welche wir dem Werke: „Lübische Geschichten und Sagen“, gesammelt von Prof. Dr. Ernst Deecke. Lübeck bei Carl Boldemann 1852 entnehmen. Dieses für Lübeck zunächst, aber auch für weitere Kreise recht interessante Buch enthält mancherlei Sagen, Märchen, die sich an Lübeck und seine Umgebung knüpfen. Besonders gewähren eine belehrende und zugleich unterhaltende Lektüre die mancherlei Abenteuerlichkeiten von dem Leben und den Taten einzelner Lübecker daheim und zur See; ferner die Schilderungen alter Bräuche und Einrichtungen, wie überhaupt die Züge, welche in das Treiben und die Charaktere der hansischen Altvordern einen überraschenden Einblick gestatten.

Unter Anderem bringt dieses Buch auch über die Redensart „Verbessert durch Hanns Ballhorn,“ folgenden Aufschluss:

„Johann Ballhorn war ein Buchdrucker aus Soest in Westphalen gebürtig, der 1528 in Lübeck ein neues Fibelbuch herausgab und zuerst den lutherischen Glauben, das Vaterunser und den Hausspiegel hinzufügte, zum Ärgernis der Geistlichkeit. Andere Kränkungen verursachte Ballhorn der Clerisei durch die Veröffentlichung der neuen Ordnung des lübeck'schen Gottesdienstes. So wurde er denn von seinen Feinden sprichwörtlich gemacht in dem Sinne, als ob er sich wie ein rechter Thor mit ungelegten Eiern abgegeben, wozu auch das Sinnbild seiner Fibel den Anlass lieh. Von Ballhorn nämlich rührt der krähende Hahn her, der seitdem auf dem Tittelblatte keines ABC-Buches fehlen durfte. Es sollte damit ausgedrückt sein, dass die Christenheit wachsam sein müsste, oder es würden ihr fremde Eier ins Nest gelegt. Ist doch der Hahn überhaupt ein vom Volksglauben bevorzugtes Tier, dessen Krähen die Gespenster der Nacht verscheucht, und den Dunkelmännern schon durch die Aufgabe verhasst, dass er den Anbruch des Tages zu verkünden hat. Trotz der Anfechtungen und Gegenversuche des Domkapitels blieb Hanns Ballhorn der deutsche Fibellieferant und die Verfolgungen blieben fruchtlos. Dafür rächten sich die Gegner, indem sie den Buchdrucker verriefen und boshaft verspotteten, so dass man noch heut zu Tage die ungeschickte Veränderung eines Buchs oder Kunstwerkes als eine „Verballhornung“ zu bezeichnen pflegt.“

So wären denn genug Vermutungen über diese Redensart und nur das Eine ist gewiss, dass im Namen des lübeck'schen Buchdruckers ihr Entstehungsgrund zu suchen; alles Übrige aber ist doch nur mehr oder weniger wahrscheinliche Hypothese.

In ähnlicher Weise wie Verballhornen, um eine Veränderung zum Schlechten zu bezeichnen, bediente man sich der Redensart „Verkuhbachen“. welche wahrscheinlich von dem badenschen Orte Kuhbach ihren Ursprung ableitet. Die nächste Veranlassung dieses Schimpfes ist mir unbekannt.