Um des Kaisers Bart streiten

Oder auch: „Um des Kaisers Bart spielen;“ oder: „Es geht um des Kaisers Bart.“ Eine Redensart im Spiele, und bedeutet so viel als: Um Nichts spielen. Zu Grunde liegt hier eine zweifache Anschauung. Entweder man stellt, sich den Bart des Kaisers wie einen andern vor, der an und für sich nichts Wertvolles sei; oder dem entgegen bezeichnet man den Bart des Kaisers als etwas so Hohes, Unerreichbares, dass es lächerlich wäre, auf seine Gewinnung hin zu spielen.

Das Ding hat aber auch einen geschichtlichen Hintergrund. Es soll sich nämlich um den Bart eines wirklich lebenden Kaisers, Karl des Großen, gehandelt haben. Es entstand unter Numismatiken? ein gelehrter Streit. Die Numismatiker unterscheiden Münzen, die bärtige Köpfe zeigen, von solchen, worauf unbärtige ausgeprägt sind. Jene heißen numi barbati, Bartmünzen, und gehören mehrere römische Kaisermünzen, z. B. die des Trajan, Aurelian, Justinian u. a. dazu. Nun entspann sich, wie behauptet wird, ein gelehrter Streit unter Münzkundigen, ob die echten Münzen von Kaiser Karl dem Großen einen Bart zeigen müssen oder nicht. Die Sache hatte historische Wichtigkeit, denn auf einigen Siegeln stand das Bildnis des Kaisers mit, auf andern ohne einen Bart. Darüber entstand der sehr natürliche Verdacht, dass entweder diese oder jene untergeschoben sein müssten, und es ward die wichtige Frage aufgeworfen: welche von beiden echt wären. Die Frage konnte aber nicht entschieden werden als dadurch, dass man auszumitteln suchte: ob der Kaiser überhaupt einen Bart getragen habe oder nicht. Diese Untersuchung verfiel, — jedoch mit Unrecht, dem Witze der Spötter und gab der obigen Redensart den Ursprung. Nach Andern soll das Sprichwort auf die Sage von dem Kyfhäuser-Schläfer, dem Kaiser Friedrich Barbarossa, sich beziehen, von dem viele noch immer nicht glauben wollen, dass er in seiner unterirdischen Kaiserwohnung des Thüringer Berges seinen Bart ins Unendliche fortwachsen lasse, vielleicht bis Deutschland einig sein werde. Da wäre also ein Streit, und zwar ein sehr brennender, allerdings noch in der Schwebe.


So viel ist indes gewiss, dass die historische Deutung den ursprünglichen Sinn der Redensart nur bestätige, nämlich die Charakterisierung eines Streites um Dinge von untergeordnetem Interesse.

Die alten Griechen sagten: „Um des Esels Schatten streiten“, welche Redensart daraus entsprang: Ein junger Athenienser hatte zu einer Reise einen Esel gemietet. Eines Mittags auf der Reise brannte die Sonne sehr heiß, und er sah sich vergeblich nach einem Schatten um. Da fiel ihm ein, sich in des Esels Schatten zu erfrischen. Er stieg ab und wollte dies eben tun, als der ihn begleitende Eselstreiber behauptete, der Platz gehöre ihm zu, denn er habe zwar den Esel, keineswegs aber des Esels Schatten vermietet. Es kam darüber zu heftigen Worten, von diesen zu Schlägen und, da durch diese auch nichts entschieden wurde, zu einem Prozess, der obigem Sprichworte seinen Ursprung gab und den Wieland in seinen „Abderiten“ mit unverwüstlichem Humor dargestellt hat.

Analog diesen Redensarten ist die französische: Se battre de la chappe à l’évêque, „sich um den Mantel des Bischofs raufen“, für die man neben andern Erklärungen auch die historische hat, dass wenn der Erzbischof von Bourges nach der Einkleidung den Fuß zum ersten Male über die Schwelle seiner Kathedrale setzte, das abergläubige Volk sich seines Chor-Mantels bemächtigte und denselben in Stücke zerriss, welche als erbeutetes Heiligtum von den Einzelnen sorgfältig aufbewahrt wurden. Man erzählt auch von dem römischen Volke, dass es das Messgewand eines verstorbenen Papstes in ebenso fanatischer Weise zu teilen pflegte. Man pflegt das französische Sprichwort anzuwenden, wenn man um Sachen streitet, die weder dem Einem, noch dem Andern der Streitenden angehören.