Ins Bockshorn jagen

Die so mannigfachen Deutungen dieses Sprichwortes müssen die Frage anregen, ob denn auch wirklich der bärtige Vertreter so vieler Untugenden seinen Namen und seine Hörner dazu hergegeben, oder ob nicht die beiden Teile des Wortes sprachlich eine ganz andere Erklärung fordern. Gewiss sehr viel hat die Annahme für sich, dass die Zusammensetzung der schwäbischen Mundart angehöre, in welcher Bock einen Fehler und Horn so viel alsWinkel bedeutet, und also „ins Bockshorn jagen“ so viel bedeutet als „in den FehlerWinkel jagen.“ In Ulm sagt man „ins Bockshorn sperren,“ Es wäre somit zunächst auf Kinder angewendet worden, denen man, wenn sie etwas verbrochen, mit dem Winkel drohte. Ganz gut stimmt damit der dem Sprichworte innewohnende Sinn des Ängstigen, Respekteinflössens überein. Sehr unterstützt wird diese Erklärung durch die Phrase: „Einen Bock schießen,“ die man ja geradezu auf Einen anwendet, der einen Fehler, eine Dummheit begangen hat.

Andererseits liegen Deutungen vor, welche die Etymologie des Wortes gar nicht berühren und rein geschichtlich, ja auch rechtsgeschichtlich sind; freilich sieht es dabei mit den Beweisen oft misslich aus. Am wenigsten stichhältig dürfte wohl die Behauptung sein, dass die Redensart von dem Gebrauche der jüdischen Synagogen herrühre, nach welchem über Ausgestoßene der Fluch unter dem Schalle von Widderhörnern ausgesprochen worden sein soll.


Jedenfalls gewichtiger ist die Deutung des gelehrten Sprachforschers Dr. Rumy, welcher mitteilt, dass Bockshorn jenes fürchterliche Torturwerkzeug gewesen sei, durch welches nicht nur die kreuzweise gestrekten Daumen des bis zu dem Boden herabgebückten, zur Tortur verurteilten Unglücklichen, sondern auch die kreuzweise gesteckten beiden großen Zehen, während man noch Stäbe durch die Arme eines solchen Gemarterten schob, zu gleicher Zeit zusammengeschraubt wurden. Ferner hieß Bock die ehemals in Zuchthäusern angewendete Strafmaschine, durch die ein Mensch, welcher Prügel zu bekommen hatte, in die dazu geeignete Lage gebracht ward. Daher man sagte: „In den Bock spannen.“ Der Sinn der Ängstigung liegt auch hier auf der flachen Hand.

Es ist nicht zu läugnen, dass für diese Erklärung des Wortes Bock Vieles spricht; wir erinnern nur an jenes Gerät der Wagner, welches bestimmt ist, Holzblöcke, die zurecht geschnitzt werden sollen, mit Gewalt einzuklemmen, einzuspannen und festzuhalten. Auch die Tischler kennen ihren Bock, in den sie geleimte Gegenstände einspannen. Aber wie steht es mit dem verhängnisvollen Horn, das zum Bocke in der Tat besser und gefügiger als „Die Faust auf's Auge“ passt? Das Horn mahnt an's Blasen, und es besteht in der Tat auch die Redensart: „Ins Bockshorn blasen“, d. h. blinden Arm machen. Auch die Wissenschaft der Heraldik legt ihr Körnlein dazu und belehrt uns, dass Bockshorn jene Zierde auf den ritterlichen Wappen bedeute, welche den Helmen aufgesetzt ward. Wir aber kennen diese Hörner nur unter der Benennung Büffels horner und überhaupt protestieren wir gegen jede Reminiszenz an ein „Aufsetzen“ von Hörnern, da man dabei leicht noch auf andere Tiergattungen z. B. Hirsche kommen könnte, was die Frage nur verwickelter machen würde.

Gewiss ist nur der Sinn, den man damit verbindet, nämlich der des Furchteinjagens, und am besten dürften wir mit der einfachsten Erklärung gehen, welche kurz und gut sagt: „Einen ins Bockshorn jagen“: Schüchtern machen; „ihn gegen des Bockes Hörner jagen,“ was jedenfalls zuweilen nicht ungefährlich und angsterregend ist.