Einen Ball geben

Unseren Schönen macht diese vielbedeutende, brillante, oft so folgenreiche Phrase wohl noch einmal so rasch und heiß das Blut nach den Wangen strömen, und wochenlange, bevor sie in Szene gesetzt wird, machen sie die umfassendsten Toilettstudien. Da wir nun überzeugt sind, dass unsere Damen nicht mit dem gleichen Eifer in philologischen und kulturhistorischen Studien sich ergehen, so wollen wir die Mühe für sie übernehmen und sie mit einer Untersuchung über das obige Thema überraschen. Sie haben sich wohl mit uns und einer Heerschar von Gelehrten schon daran gewöhnt, an den italienischen oder französischen Ursprung des Wortes Ball zu glauben; und in der Tat heißt tanzen auf gut italienisch ballare. Auch was man uns von der Ballade, Ballata erzählt hat, mahnt daran. Und dennoch können wir uns die Freude nicht versagen, die Bedeutung dieser Redensart „in des Wortes lustigster Bedeutung“ auf deutschen Boden zurückzuführen. Mögen die Wälschen und die tanzenden Franzmänner ihrerseits den Beweis führen, dass das Wort dennoch ihnen gehört.

Einer altdeutschen Sitte gemäß, die sich im nördlichen Deutschland erhalten hat, wird am 2. oder 3. Ostertage jungen Frauen von erwachsenen Mädchen des Dorfes ein Ball überreicht. Dieser ist mit Wolle oder Federn ausgefüllt und mit seidenen Bändern geschmückt, wird an einer Stange in Prozession durch das Dorf getragen und vor dem Hause der jungen Frau aufgepflanzt. Nachdem man sich lustig um ihn herumgetrieben hat, nimmt man ihn, trägt ihn ins Haus hinein und gibt ihn förmlich der Neuvermählten, welche dafür ihrerseits Tanzmusik aufspielen lässt. So fällt, wie man sieht, die eigentliche Bedeutung jenes Spielzeuges Ball genannt, mit seiner figürlichen zusammen, und wir brauchen die Italiener und Franzosen gar nicht mehr.


Aber schon in Homers Odyssee finden wir Tanz mit Ballspiel vereinigt, und zwar an zwei Stellen, nämlich im 6. Gesange und im 8., zwischen Nausikaa, der Königstochter und ihren Mädchen, dann beim Tanze des schönen Laodamas mit Halios.

Als Spielzeug und mit witzigen Beziehungen erscheint der Ball auch in alten Volksbüchern, u. zw. bei Brand:

„Sie slahen einander den Ball zu“ —

bei Tristan:

„In Ballenwis umtriben und tragen.“

Der Brand'sche Spruch hat den Sinn: Sich gegenseitig loben, um wieder dafür gelobt zu werden, was der Lateiner nennt: „Honore invicem praevenire.“ Ähnlich klingt auch das volkstümliche: „Einander das Hölzel werfen,“ d. h. Anlass zu gewünschter Äußerung geben.

Das vom Ball herkommende französische Ballet wird in der Berliner Gesellschaft hie und da als Bezeichnung von etwas Langweiligem gebraucht. Man sagt davon: „Das ist Ballet.“