Bretze

Während die seltsam verschlungene Figur dieses Gebäckes von Sprachforschern dahin erklärt wird, dass es von dem lateinischen brachium, bracellus d. i. Arm herkommt und zwei in einander verschlungene Arme darstellt, haben wir auch eine historische Deutung vor uns. Im Mittelalter pflegten nämlich die Geistlichen den Kindern für gut gesagte Gebete ein Zuckerwerk zu schenken, das die Form eines Kreuzes in einem Ringe hatte und daher Gebetkuchen, preciuncula, verdeutscht Prezel genannt wurde. Dieses Gebäck soll anfänglich nur in der Zeit von Advent bis Ostern gebacken worden sein.

Die kirchengeschichtliche Bedeutung ward später zu einer kulturhistorischen; große und kleine Kinder griffen nach Salz- und Zuckerbretzeln, und ein ordentlicher Wiener will im Verzeichnisse seiner Gasthausschilder die verschiedenen roten und goldenen Bretzen nicht vermissen.


Bemerkenswert dürfte hier sein, dass es noch ein anderes diesem Gebäcke ähnliches gibt, das in Niederösterreich Beugel genannt wird. Es unterscheidet sich von der Bretze durch den Mangel der Verschlingung oder des Kreuzes innerhalb der Rundung; aber was das Moment der Erscheinung zu gewisser Zeit betrifft, hält es das fest, was wir beim Bretzel längst nicht mehr beobachten; das Beugel nämlich lässt sich zu Ostern sehen, genau zu jener Zeit, da die Herrschaft der Bretzen zu Ende gegangen sein soll.

Offenbar ist der Ursprung des Namens Beugel auch sprachlich nach beugen, biegen zu erklären, denn die beiden Enden dieses Gebäckes finden sich in Ringform zusammen; indem ein gerades Teigstänglein gebogen ward, entstand das Beugel.