April-Schicken

Ob dieser vom Volkswitze ausgebeutete Gebrauch, am ersten April Jemands Leichtgläubigkeit zu einer lächerlichen Betörung desselben zu benutzen, sich an die meteorologische Tatsache von der Unbeständigkeit des Monats April und den Täuschungen, welche die seinem Wetter Vertrauenden erfahren, sich anlehne, oder ein historisches Ereignis zum Grunde habe, ist wohl nicht zu ermitteln. Alt ist diese Sitte, so viel ist gewiss, und man findet ähnliche Narren-Tage bei den ältesten Völkern. Die Hindus hatten einen solchen im Huli-Tage, am 31. März, dessen Späße so ziemlich mit denen unseres Aprilspielens übereinstimmen. Man ließ einander gegenseitig Aufträge ausrichten und zu Handlungen verleiten, welche auf eine Täuschung hinausliefen und den Gefoppten dem Gelächter preisgaben. Die Römer feierten ein festum stultorum, das aber auf den 17. Februar fiel. Die Franzosen nennen diesen Spaß poisons d’Avril und die Engländer haben ihren fool’s day, Narrentag. Die Bezeichnung poisons d’Avril soll von der Fischerei hergenommen sein, deren lebhafter Betrieb um diese Zeit wieder begonnen wird. Täuschte nun der Erfolg die Erwartung eines guten Fanges, so sagte man: Es wären April-, d. h. nur sehr wenige Fische. Daran knüpft sich auch eine historische Reminiszenz. Franz, Herzog von Lothringen, wurde nebst seiner Gemalin, Claudia, von Ludwig XIII. von Frankreich in Nancy als Gefangener behandelt. Sie machten nun Befreiungsversuche und wählten dazu den 1. April. In Bauernkleidern und mit Körben auf dem Rücken verließen sie mit Anbruch des Tages die Stadt. Eine Frau erkannte sie aber und benachrichtigte eiligst die Schildwache am Thore von der Flucht. Dieser und den übrigen Wachsoldaten kam aber diese Nachricht so unglaublich vor, dass sie lachend erwiderten: „Poisons d’Avril!“ lassen uns nicht Aprilschicken. Die Lothringer pflegten dann immer zu sagen: „Das war ein Aprilfisch für die Franzosen.“

Ein anderer köstlicher Beitrag findet sich zur Geschichte des englischen Narrentages. Ein junger Chirurg, der eben aus der Schule im Bartholomäusspital gekommen war, wurde am 1. April von seiner Wohnung auf dem Strand zu einem Patienten in der Newgate-street zu einem sehr reichen Manne Namens Dobbs gerufen. Es war sein erster Patient, und der junge Chirurg versäumte nicht, sich eiligst einzufinden. Er ward vorgelassen. M. Dobbs war eben in seinem Comptoir beschäftigt. Als er von dem Chirurgen den Zweck seines Kommens vernahm, verstand er gleich, um was es sich hier handle. Er ging auf den Scherz ein und sagte: „Wohl, Sir, mein Name ist Dobbs; aber ich bin, Gott sei Dank, frisch und gesund. Es ist ein Missverständnis, und ohne Zweifel ist es mein Bruder, der Zuckerbäcker auf Fish-streethill, der nach Ihnen gesandt hat; er ist häufig Unpässlichkeiten unterworfen, ich will Ihnen eine Zeile an ihn geben.“ Der junge Äskulap entschuldigt sich, dankt, nimmt das Billet und eilt nach Fish-street-hill, das 3/4 Meilen weiter liegt. Er tritt in den Laden, findet aber Mr. Dobbs Bruder eben so wohlauf als den von Newgate - street. Der Zuckermann liest das Billet und sagt: „Da die Adresse an J. Dobbs gerichtet sei, müsse nicht Jeffrey, sondern John Dobbs gemeint sein, ein dritter Bruder, der zu Limehouse wohne.“ Abermalige artige Einhändigung einer Adresse, abermaliges Danken, abermalige Jagd auf Mr. John Dobbs zu Limehouse und abermalige Täuschung, wonach aber der Gefoppte die Geduld verliert und heimwärts steuert.


Auch im Munde des deutschen Volks geht seit Langem der Reim:

„Am ersten und letzten April,
Schickt man die Narren wo man will.“

Wie sehr übrigens die Ungunst des Aprilwetters einen ernsten, wirklichen Einfluss auf die Entstehung des Sprichwortes geübt habe, erweisen die folgenden altdeutschen Verse:

„Weibergemüt, Herrengunst, Aprilwetter und Federspil
Verkehren sich oft, wie' mer eben will;“

und es wäre somit als Grund der Täuschung, die nun einmal den Kern der Sache unwiderruflich ausmacht, nicht ein beliebiger Scherz, sondern die bekannte, immer wieder beobachtete Wandelbarkeit der Weiber- und großer Herren-Gunst anzunehmen.

Um eines historischen ersten Aprils zu gedenken, entnehmen wir der Biographie des berühmten französischen Chemikers Vauquelin folgende Tatsache: Napoleon hatte einst ein Paket von verschiedenen fremdartigen Substanzen erhalten und, da eine beabsichtigte Vergiftung vermutet wurde, an Vauquelin zur Analyse zugeschickt. Die Analyse ergab nichts. Vauquelin eilte zu Napoleon mit dieser Meldung. Napoleon war, wie es schien, übel aufgelegt und mit dieser Nachricht übel zufrieden. Endlich rief Vauquelin aus: War nicht gestern der 31. März? Allerdings, antwortete Napoleon. „Nun Sire, dann hat man Sie in den April schicken wollen.“ Die Umstehenden waren wie vom Donner gerührt. Napoleon, der mit großen Schritten auf- und abging, blieb auf einmal stehen und sagte: „Wahrhaftig Vauquelin, diese Antwort sieht Ihnen ganz ähnlich,“ fing an zu lachen und Vauquelin entfernte sich, ohne daran zu denken, wie er in seiner naiven Freimütigkeit die Etiquette schwer verletzt hatte.