Dulsons Doktorarbeit und seine Mitwirkung an der Arbeit der Sprachkommission

In seiner Doktorarbeit über die Mundart von Alt-Urbach „Alt-Urbacher Mundart (Probleme der Sprachmischung am Material der wolgadeutschen Mundarten)“, die er kurz vor seiner Verhaftung im März 1934 verteidigt hat, geht Dulson detailliert auf die Methode der Materialaufarbeitung ein und führt die korrigierten Namen der deutschen Herkunftssiedlungen an, die von den russischen Schreibern völlig entstellt wurden, denn sie schrieben diese Namen nach dem Gehör auf. Leider konnte A. Dulson die Korrektur der Herkunftsnamen nicht abschließen, sie wurde schon in unseren Tagen von Igor Pleve beendet. Der erste Band mit den Namen der ersten deutschen Kolonisten ist 2000 in Deutschland erschienen [Pleve 1999; 2001; 2005].

Nach der Absolvierung der Universität (1929) wurde Dulson in das Moskauer Institut der Aspirantur aufgenommen und schloss es 1932 ab, am 10. Februar 1933 wurde ihm der wissenschaftliche Grad eines Dozenten in der allgemeinen Sprachwissenschaft und Germanistik verliehen.


Da Dulson aus Preiß stammte, schenkte er große Aufmerksamkeit der Geschichte und der Mundart seines Heimatortes. 1925 schreibt er das Manuskript „Zur Geschichte von Preiß“, etwas später, 1926, – „Zur Volkskunde von Preiß“, und 1928 unternimmt er den ersten Versuch einer wissenschaftlichen Beschreibung der Mundart von Preiß („Die Mundart von Preiß. Beschreibung“), auf der 1938 seine Habilitationsschrift basiert. Er erstellt das „Wörterbuch der Preißer Mundart“. 1929 erscheint eine ergänzende Arbeit unter dem gleichen Namen „Die Mundart von Preiß. Laut-, Wort- Satzlehre“. Diese Manuskripte wurden nicht veröffentlicht, aber sie wurden als Bestandteile in seine Habilitationsschrift aufgenommen. Der abschließende Beitrag, der eine ganze Periode in der sowjetischen Dialektforschung abgeschlossen hat, erschien in den Nachrichten der Akademie der Wissenschaften der UdSSR im März 1941 [Dulson 1941: 82-96]. Professor Viktor Schirmunski, der damals Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR war, bestätigte Dulson, dass er mit seiner Dissertation über seine Mundartforschung in Preiß in den engsten Kreis der führenden sowjetischen Germanisten aufrückte [Hagin 1973-1981: 156].

In seinen Arbeiten über die Mundarten der Wolgadeutschen unternahm Dulson eine ausführliche Beschreibung der Mundarten von einer ganzen Reihe von Kolonien (Marxstadt, Hussenbach, Fresental), dabei galt sein besonderes Augenmerk dem soziolinguistischen Aspekt der Forschung. Dulson trug ebenso Material aus 300 anderen wolgadeutschen Kolonien zusammen – in allen diesen Ortschaften ist er auch selbst gewesen – und erfasste es in einer recht umfangreichen Kartei. Diese Dörfer waren aber sprachlich weniger interessant als Preiß, in dem Nachkommen von Einwanderern aus 129 Ortschaften Deutschlands, Österreichs, Lothringens und Luxemburgs waren. Obwohl nur etwa der vierte Teil davon von hessischen Einwanderern abstammte, hatte sich in Preiß der hessische Dialekt durchgesetzt, wenn auch mit einigen Abweichungen und Beimischungen.

Außerdem arbeitete er aktiv in der Zentralstelle zur Sprachforschung mit, die sich auch mit anderen Sprachen der Völker der ASSRdWD befasste. A. Dulson begann auch ukrainische Mundarten unter dem Blickwinkel der engen Sprachkontakte zu erforschen. Die Ergebnisse seiner Arbeit veröffentlichte er 1927 im Beitrag „Zur Charakteristik der ukrainischen Mundarten der Republik der Wolgadeutschen“. Außerdem sammelt Dulson Materialien zum Artikel „Franzosen in den wolgadeutschen Kolonien“.

Außer den Arbeiten zur Dialektologie gehören Dulsons Feder auch eine Reihe von Beiträgen zur Volkskunde, besonders interessant ist seine Arbeit „Die Karwoche und Ostern in Sitte und Brauch der Wolgadeutschen“, die das erste Mal im Buch von E. Erina und V. Salkowa über die Sitten und Bräuche der Wolgadeutschen veröffentlicht wurde [Obeschan powolschkich nemzew 2001].

Dulson befasste sich auch mit der Folklore. Das Material wurde 1933 im „Literaturbuch“ im Kapitel „Folklore“ in Engels veröffentlicht. Der Wissenschaftler hat Sprichwörter, Redensarten, Rätsel und Reime sowie Hochzeitsbräuche in gereimter und prosaischer Form in der Kolonie Krassnyi Jar, aber auch Rezepte und Ratschläge der Volksheilkunde gesammelt und bearbeitet. Er hat Themen der linguistischen Diplomarbeiten und Seminarentwürfe zum Vorlesungskurs „Einführung in die Sprachwissenschaft“ ausgearbeitet und ein Gutachten über die Doktorarbeit von E.I. Dolizki geschrieben. Dulson schenkte auch große Aufmerksamkeit der Methodik des Deutschunterrichts.

Dulson konnte auch der romantischen Versuchung nicht entgehen, sich an der Reformierung der deutschen Sprache zu beteiligen. Sein Beitrag „Zur Frage Reform der deutschen Rechtschreibung“ (1926) steht im Einklang mit ähnlichen Arbeiten von B. Bartels (1925) und A. Ström (1931). Nach der Verhaftung von G. Dinges übernahm Dulson die Leitung der Zentralstelle, die in die „Sprachkommission“ umbenannt wurde. A. Dulson setzt den Kollegen das Ziel, „eine neue sowjetische deutsche Sprache auf der Basis der Sprache des deutschen Proletariats“ zu schaffen.

Diese Tätigkeit wurde 1934 in der „Literaturenzyklopädie“ einer scharfen Kritik unterworfen. Unter anderem stand dort: „ … der Vorschlag von Professor A. Ström, eine besondere sowjetische deutsche Sprache zu schaffen und eine neue deutsche Rechtschreibung in der UdSSR einzuführen, würde in der Praxis zur weiteren Isolation des deutschen Dorfes, zur Einschränkung des Einflusses der sowjetischen Literatur, zu ihrer Beseitigung vom Kampf der kommunistischen Partei Deutschlands und zum Einbüßen ihres internationalen Inhalts führen“. In einer Konferenz der sowjetischen deutschen Schriftsteller im März 1934 wurden A. Ström und sein Kollege Professor der Pädagogischen Hochschule in Odessa P. Mikwitz einer scharfen Kritik unterworfen [Nachrichten 1934]. Bald darauf wurden die beiden verhaftet und ins Zuchthaus geworfen, wo sie zu unterschiedlicher Zeit ums Leben gekommen sind.

Wegen der Wende der Innenpolitik des Landes und der Versuche der von Dulson geleiteten Sprachkommission, die deutsche Sprache zu reformieren, wurde die Mundartforschung in den Hintergrund gedrängt, und die Arbeit der Sprachkommission richtete sich nun auf die Erforschung der Sprachen der Völker, die in der ASSRdWD ansässig waren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sprach- und Kulturerbe der Wolgadeutschen