Ein großes Defizit.
Allmonatlich eine Milliarde oder 1.000.000.000 Mark mehr Ausgaben als Einnahmen, mehr Konsumtion als Produktion im Volkshaushalt, das ist die schlimme Botschaft, mit welcher der Reichskanzler den neuen Reichstag eröffnet hat. Ein Wunder, daß es noch gelungen ist, diese Tatsache bis nach den Wahlen geheim zu halten. Für die Klarstellung und Abhilfe aber ist es jetzt die höchste Zeit.
Freilich zu merken war es schon seit langer Zeit an allen Ecken und Enden, daß es nicht stimmte. Wollte man für sein Geldzertifikat etwas kaufen, so hieß es nur zu oft, der Vorrat davon sei eben ausgegangen und würde erst in einiger Zeit ergänzt werden können. In Wahrheit aber war nicht die stärkere Nachfrage, wie sich jetzt herausstellt, sondern die Abnahme der Produktion schuld daran. Es war sogar schwer, sich für Ersparnisse auf dem Geldzertifikat auch nur die notwendigsten Kleidungsstücke zu erneuern. Bei anderen Bedarfsartikeln musste man mit erschrecklichen Ladenhütern fürlieb nehmen, wenn man überhaupt etwas bekommen wollte. Die Preise für die aus dem Auslande bezogenen Artikel wie Kaffee, Petroleum, Reis waren nachgerade kaum mehr zu erschwingen.
Auch sonst hat wahrlich die Bevölkerung nichts weniger als in Saus und Braus gelebt. Für das Mittagessen ist zwar nach wie vor die Fleischration auf 150 Gramm verblieben; indessen scheinen Änderungen in Bezug auf Einrechnung von allerhand Abfällen auf die Gesamtheit der Portionen stattgefunden zu haben. Auch bat sich der Gemüseetat sehr vereinfacht und ist auf Erbsen, Bohnen, Linsen und Kartoffeln eingeschränkt. Am Bebeltage ist die erwartete größere Fleischration und ein unentgeltliches Glas Bier ausgeblieben. Sogar bei den Gewürzen scheint immer mehr gespart zu werden. Vielfach hört man über die Geschmacklosigkeit und Fadheit der Speisen klagen, was Ekel erzeugt, der selbst durch starkes Hungergefühl sich nicht überwinden lasse. Von Erbrechen und Darmkatarrh war bei den Mahlzeiten immer mehr die Rede.
Obwohl nach den vorhandenen Anzeichen sich annehmen läßt, daß trotz der starken Auswanderung der Bevölkerung in Folge der Gewährleistung freier Kindererziehung von Seiten des Staates einem rapiden Zuwachs entgegensieht, werden neue Wohnhäuser selbst in Berlin nicht mehr gebaut. Sogar die notwendigsten Reparaturen werden vielfach hinausgeschoben. Von Meliorationen, Erneuerungen der Maschinen und Geräte oder von Erweiterungen von Betriebs- und Produktionsanlagen oder neuen Verkehrswegen hört man nirgend etwas.
Die Vorräte für die Konsumtion scheinen aus ein Minimum zusammengeschmolzen zu sein. Nur an Artikeln, nach denen wenig oder gar nicht verlangt wird, ist noch erheblicher Vorrat; außerdem bei allen jenen Waren, die früher in das Ausland verkauft wurden und jetzt dort, namentlich in den sozialdemokratischen Staaten, keinen Absatz mehr finden, so namentlich an Putzwaren, Stickereien, Handschuhen, Wein, Seidenwaren, Klavieren, Plüsch u. s. w. Alle diese Waren werden deshalb im Inland weit unter dem Kostenpreis abgegeben, nur um damit zu räumen.
Trotz alledem scheint das Defizit gerade in den letzten Monaten eher größer als kleiner geworden zu sein. Sogar die Vorräte von Rohstoffen und Hilfsstoffen beginnen nicht mehr auszureichen, um auch nur den regelmäßigen Fortgang der Produktion zu sichern. Das Ausland überlässt jetzt nirgendwo mehr Waren auf Kredit an Deutschland, sondern nur im Umtausch der Gegenwerte, Zug um Zug.
Man kann dabei nicht einmal behaupten, daß die Regierung leichtsinnig die Konsumtion geregelt hat. Sie hatte, wie es in der Botschaft zur Eröffnung des Reichstags heißt, ziemlich genau ermittelt, daß der Wert der gesamten Produktion an Gütern und Dienstleistungen in Deutschland unmittelbar vor der Umwälzung sich einschließlich der schon damals vorhandenen Produktionszweige der Gemeinwesen auf 17 bis 18 Milliarden Mk jährlich belief. Die Regierung hatte eine Steigerung des Produktionswerts als Folge der neuen Organisation gar nicht einmal in Rechnung gestellt, sondern war nur davon ausgegangen, daß auch bei Einführung des achtstündigen Maximalarbeitstages sich der bisherige Produktionswert erreichen lasse. Diese Annahme war der Berechnung der zulässigen Konsumtion zu Grunde gelegt. Dabei konnte denn allerdings schon bisher die Mehrheit der Bevölkerung trotz aller Einschränkung in der persönlichen und wirtschaftlichen Freiheit nicht besser, sondern nur schlechter gestellt werden, als vor der großen Umwälzung.
Und nun stellt sich heraus, daß der Produktionswert gegen früher auf ein Drittel, also jährlich von 18 aus 6 Milliarden oder monatlich, von 1½ auf ? Milliarde in der sozialisierten Gesellschaft zurückgegangen ist. Es wird also in jedem Monat eine Milliarde untergezehrt. Das ergibt in 4 Monaten schon so viel Verlust, wie im großen französischen Kriege seiner Zeit Frankreich an Kontribution an Deutschland abführen mußte.
Wo soll das hinaus und wie ist Abhilfe möglich! Die Spannung auf die nächste Reichstagssitzung, in welcher der Kanzler die Ursachen des Defizits klarlegen will, ist eine Überaus große.
Freilich zu merken war es schon seit langer Zeit an allen Ecken und Enden, daß es nicht stimmte. Wollte man für sein Geldzertifikat etwas kaufen, so hieß es nur zu oft, der Vorrat davon sei eben ausgegangen und würde erst in einiger Zeit ergänzt werden können. In Wahrheit aber war nicht die stärkere Nachfrage, wie sich jetzt herausstellt, sondern die Abnahme der Produktion schuld daran. Es war sogar schwer, sich für Ersparnisse auf dem Geldzertifikat auch nur die notwendigsten Kleidungsstücke zu erneuern. Bei anderen Bedarfsartikeln musste man mit erschrecklichen Ladenhütern fürlieb nehmen, wenn man überhaupt etwas bekommen wollte. Die Preise für die aus dem Auslande bezogenen Artikel wie Kaffee, Petroleum, Reis waren nachgerade kaum mehr zu erschwingen.
Auch sonst hat wahrlich die Bevölkerung nichts weniger als in Saus und Braus gelebt. Für das Mittagessen ist zwar nach wie vor die Fleischration auf 150 Gramm verblieben; indessen scheinen Änderungen in Bezug auf Einrechnung von allerhand Abfällen auf die Gesamtheit der Portionen stattgefunden zu haben. Auch bat sich der Gemüseetat sehr vereinfacht und ist auf Erbsen, Bohnen, Linsen und Kartoffeln eingeschränkt. Am Bebeltage ist die erwartete größere Fleischration und ein unentgeltliches Glas Bier ausgeblieben. Sogar bei den Gewürzen scheint immer mehr gespart zu werden. Vielfach hört man über die Geschmacklosigkeit und Fadheit der Speisen klagen, was Ekel erzeugt, der selbst durch starkes Hungergefühl sich nicht überwinden lasse. Von Erbrechen und Darmkatarrh war bei den Mahlzeiten immer mehr die Rede.
Obwohl nach den vorhandenen Anzeichen sich annehmen läßt, daß trotz der starken Auswanderung der Bevölkerung in Folge der Gewährleistung freier Kindererziehung von Seiten des Staates einem rapiden Zuwachs entgegensieht, werden neue Wohnhäuser selbst in Berlin nicht mehr gebaut. Sogar die notwendigsten Reparaturen werden vielfach hinausgeschoben. Von Meliorationen, Erneuerungen der Maschinen und Geräte oder von Erweiterungen von Betriebs- und Produktionsanlagen oder neuen Verkehrswegen hört man nirgend etwas.
Die Vorräte für die Konsumtion scheinen aus ein Minimum zusammengeschmolzen zu sein. Nur an Artikeln, nach denen wenig oder gar nicht verlangt wird, ist noch erheblicher Vorrat; außerdem bei allen jenen Waren, die früher in das Ausland verkauft wurden und jetzt dort, namentlich in den sozialdemokratischen Staaten, keinen Absatz mehr finden, so namentlich an Putzwaren, Stickereien, Handschuhen, Wein, Seidenwaren, Klavieren, Plüsch u. s. w. Alle diese Waren werden deshalb im Inland weit unter dem Kostenpreis abgegeben, nur um damit zu räumen.
Trotz alledem scheint das Defizit gerade in den letzten Monaten eher größer als kleiner geworden zu sein. Sogar die Vorräte von Rohstoffen und Hilfsstoffen beginnen nicht mehr auszureichen, um auch nur den regelmäßigen Fortgang der Produktion zu sichern. Das Ausland überlässt jetzt nirgendwo mehr Waren auf Kredit an Deutschland, sondern nur im Umtausch der Gegenwerte, Zug um Zug.
Man kann dabei nicht einmal behaupten, daß die Regierung leichtsinnig die Konsumtion geregelt hat. Sie hatte, wie es in der Botschaft zur Eröffnung des Reichstags heißt, ziemlich genau ermittelt, daß der Wert der gesamten Produktion an Gütern und Dienstleistungen in Deutschland unmittelbar vor der Umwälzung sich einschließlich der schon damals vorhandenen Produktionszweige der Gemeinwesen auf 17 bis 18 Milliarden Mk jährlich belief. Die Regierung hatte eine Steigerung des Produktionswerts als Folge der neuen Organisation gar nicht einmal in Rechnung gestellt, sondern war nur davon ausgegangen, daß auch bei Einführung des achtstündigen Maximalarbeitstages sich der bisherige Produktionswert erreichen lasse. Diese Annahme war der Berechnung der zulässigen Konsumtion zu Grunde gelegt. Dabei konnte denn allerdings schon bisher die Mehrheit der Bevölkerung trotz aller Einschränkung in der persönlichen und wirtschaftlichen Freiheit nicht besser, sondern nur schlechter gestellt werden, als vor der großen Umwälzung.
Und nun stellt sich heraus, daß der Produktionswert gegen früher auf ein Drittel, also jährlich von 18 aus 6 Milliarden oder monatlich, von 1½ auf ? Milliarde in der sozialisierten Gesellschaft zurückgegangen ist. Es wird also in jedem Monat eine Milliarde untergezehrt. Das ergibt in 4 Monaten schon so viel Verlust, wie im großen französischen Kriege seiner Zeit Frankreich an Kontribution an Deutschland abführen mußte.
Wo soll das hinaus und wie ist Abhilfe möglich! Die Spannung auf die nächste Reichstagssitzung, in welcher der Kanzler die Ursachen des Defizits klarlegen will, ist eine Überaus große.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sozialdemokratische Zukunftsbilder