Sozialdemokratische Kulturpolitik

Autor: Haenisch, Konrad (1876 in Greifswald, †1925 in Wiesbaden) deutscher Journalist, Redakteur und Politiker der SPD, Volksbeauftragter im preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Erscheinungsjahr: 1918

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sozialdemokraten, Schulpolitik, Bildungspolitik, Sozialdemokratie, Schule, Reichstag, Weltkrieg
Der unterzeichneten Verlagshandlung, die die bekannte Schrift von Konrad Haenisch: „Die deutsche Sozialdemokratie in und nach dem Weltkriege" herausgebracht hat, ist von den verschiedensten Seiten*) der Wunsch ausgesprochen worden, die programmatische Rede, die der neue preußische Kultusminister in seiner Eigenschaft als Mitglied des Abgeordnetenhauses am 5. Juni 1918 über Fragen der Schulpolitik gehalten hat, im Druck erscheinen zu lassen. Sie hat geglaubt, sich diesem Wunsch nicht entziehen zu sollen, denn in dieser Rede sind in straffer Zusammenfassung alle die Grundgedanken ausgesprochen, die die sozialdemokratische Schulpolitik bestimmen. Was im Sommer im wesentlichen noch Theorie und Zukunftstraum war, das ist jetzt, nach der großen Umwälzung der letzten Wochen, der unmittelbaren Verwirklichung nahegerückt; hat diese Umwälzung doch die Sozialdemokratie zur herrschenden Partei Deutschlands und den damaligen Fraktionsredner seiner Partei zum preußischen Kultusminister gemacht.

Es ist deshalb nicht nur für jeden Lehrer, sondern auch für alle Eltern, ja für jeden politisch und kulturell Interessierten ein dringendes Gebot der Stunde, sich mit dem schulpolitischen Programm der deutschen Sozialdemokratie, wie es in dieser Rede niedergelegt ist, vertraut zu Machen.
Berlin, Ende November 1918.
C. A. Schetschke & Sohn.

*) So schreibt auch Professor Plenge von der Universität Münster i. W. in seiner jüngsten Broschüre „Durch Umsturz zum Aufbau":
„Vielleicht wäre es nützlich, wenn diese Rede möglichst bald in weites Kreisen verbreitet würde. Sie könnte über die Verhältnisse, in denen wir gegenwärtig leben, und über die Möglichkeiten der Zukunft ein gut Teil Beruhigung schaffen."


Auszug aus dem stenographischen Bericht über die Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses am 5. Juni 1918.

Vizepräsident Dr. Lohmann: Das Wort hat der Abgeordnete Hensel. (Pause.) Es will anscheinend keiner der Herren den Anfang machen. Es bleibt mir also nur die Möglichkeit, die Herren der Reihe nach auszurufen.

Hensel (Johannisburg), Abgeordneter (kons.): Mir ist erst heute der Auftrag geworden. Ich habe noch kein Material gesammelt und verzichte vorläufig,

Vizepräsident Dr. Lohmann: Das Wort hat der Abgeordnete Haenisch. (Abgeordneter Haenisch: Ich verzichte auch.) An dritter Stelle steht Herr Dr. Mehring auf der Rednerliste. (Pause.) Dieser ist nicht anwesend. Dann hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kaufmann.

Dr. Kaufmann, Abgeordneter (Zentr.): Ich bedaure sehr, das; die andern Herren alle streiken; aber unter diesen Umständen denke ich gar nicht daran - - -

Vizepräsident Dr. Lohmann: Dann sehe ich voraus, dass wir keine Redner bekommen werden. Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Adolph Hoffmann.

Adolph Hoffmann, Abgeordneter (u. Soz.-Dem.): Ich kann es wohl begreifen, dass bei einer solchen Zusammensetzung des Hauses die Herren streiken. Dann wäre es vielleicht gut, wenn vertagt würde, bis die Herren hier sind.

Vizepräsident Dr. Lohmann: Ich kann nur die Redner aufrufen. Das Wort hat der Abgeordnete Graue (Brandenburg).

Graue (Brandenburg), Abgeordneter (fortschr. V.-P.): Ich würde auch erst lieber morgen sprechen.

Vizepräsident Dr. Lohmann: Ja, „lieber", das genügt mir nicht, Herr Abgeordneter. Ich frage nur, ob Sie jetzt reden wollen. (Zuruf.) Sie verzichten. — Herr Abgeordneter Lüdicke! (Pause.) Ist nicht da. — Herr Abgeordneter Dr. Blankenburg! (Pause.) Ja, meine Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft; es ist kein Redner da. Das Wort hat der Abgeordnete Haenisch. (Zuruf.) — Ich bitte, solche Bemerkungen zu unterlassen.

Haenisch, Abgeordneter (Soz.-Dem.): Meine Herren, auch mir ist es natürlich sehr wenig angenehm, in dieser Situation, wo wir alle annahmen, dass heute die Debatte noch nicht stattfinden würde, zu Worte zu kommen; aber da sonst die ganze Generaldebatte über den Kultusetat ja einfach ausfallen würde — keiner der gemeldeten Herren hat sich bereit erklärt, heute an erster Stelle zu sprechen —, so habe ich mich wohl oder übel bereit finden lassen, heute schon das Wort zu ergreifen — (Zuruf) — nicht als Streikbrecher, wie der Herr Abgeordnete Hoffmann eben sagt, aber im Interesse des Hauses und um der Sache willen, und um den andern Herren die Möglichkeit zu geben, sich nun wenigstens morgen zu äußern.

Haenisch, Konrad (1876 in Greifswald - 1925 in Wiesbaden) Journalist, Redakteur und SPD Politiker

Haenisch, Konrad (1876 in Greifswald - 1925 in Wiesbaden) Journalist, Redakteur und SPD Politiker

Karikaturistische Darstellung eines Prokrustesbettes aus der deutschen Satirezeitschrift „Berliner Wespen“ vom 30. August 1878

Karikaturistische Darstellung eines Prokrustesbettes aus der deutschen Satirezeitschrift „Berliner Wespen“ vom 30. August 1878