Pantikanäum

In der Nähe des heutigen Kertsch auf der Ostseite der Insel lag rings um einen hohen Hügel amphitheatralisch bis zum Meere hinab gebaut die Stadt Pantikapium, etwa eine Stunde im Umkreise 2) Eine Königsburg, glänzende Tempel des Apollon, der Artemis, der Demeter Thesmophoros, der Aphrodite, Heiligtümer des Herakles und Aeskulap 3) ließen sie in allem Schmuck einer hellenischen Stadt erscheinen; ein geräumiger und wohlgeschützter Hafen mit trefflichen Werften und Warenhäusern zeugte für den reichen Handel, der hier getrieben wurde. Rings um die Mauern reihten sich kegelförmige Hügel, die Gräber der Verstorbenen. 1) Als die Milesier zuerst diesen Platz für ihre Ansiedelung wählten, erkannten sie in ihm den geeigneten Mittelpunkt für den Verkehr sowohl mit der Mäotis und dem Norden, als mit dem Kaukasus, und eine rasche Blüte rechtfertigte den sicheren Blick der Gründer. Den mächtigen Skythenfürsten, in deren Gebiet die Stadt lag, zahlte sie zwar immer jährlichen Zoll, aber dies hinderte sie nicht sich rings der ganzen europäischen und asiatischen Küste des Bosporos zu bemächtigen und nach und nach einen großen Staat zu gründen. Etwa 60 Jahre nach der Gründung der Stadt, im Jahre der Schlacht bei Platää, hatten sich die Archäanaktiden 2), ein altadliches Geschlecht, wahrscheinlich mitylenäischer Herkunft, der Herrschaft bemächtigt, aber erst das Haus des Spartakus, das 437 v. Chr. die Archäanaktiden verdrängte, hob Pantikapäum auf den Gipfel seiner Macht und seines Reichtums. Vor allen machte Leukon I., der vierte Herrscher aus diesem Hause, der von 393 —353 regierte, seinen Namen weithin über alles Land, wo griechisch gesprochen wurde, bekannt und geehrt.

Schon früher war von Pantikapäum aus Tanais an der Mündung des Don, die nördlichste griechische Kolonie 3), gegründet worden; alle die griechischen Niederlassungen am Bosporus, namentlich Phanagoria auf der Halbinsel Taman, und eine Menge der kleinen barbarischen Völkerschaften, die zu allen Zeiten an den Abhängen des Kaukasus wohnten, waren zu einem Staatsverband vereint, dem Reiche Bosporus, nach dem häufig die Hauptstadt Pantikapäum auch Bosporus (noch im 14ten und 15ten Jahrh. Bospro) genannt wurde. 1) Es bezeichnet das sonderbare Verhältnis dieser Herrscher, dass sie sich Könige gegenüber den barbarischen Völkerschaften ihres Reiches und ihren Statthaltern bei denselben, aber nur Archonten, oberste Beamte, der Griechen nannten. 2) So mächtig war der Staat, dass man selbst der Nachbarschaft der damals zur See allgewaltigen Athener sich ungestraft entledigt hatte. Diese hatten nämlich im wohlverstandenen Interesse ihres Handels die nur ein bis zwei Stunden südlich von Pantikapäum gelegene Küstenstadt Nymphäon in die große Zahl der ihnen verbündeten und zinspflichtigen Städte einzureihen gewusst. 3). Aber die Herrscher von Bosporus gewannen Cylon, den Beamten der Athener in Nymphäon, den mütterlichen Großvater des Redners Demosthenes: er verriet ihnen die Stadt und erhielt dann den Ort Kepoi auf der asiatischen Seite des Bosporus zum Geschenk, wo Demosthenes Mutter von skythischer Mutter geboren wurde. 4) Auch Theudosia, die früher unabhängige Stadt, eine gefährliche Nebenbuhlerin im Handel, bei deren Belagerung sein Vater Satyrus geblieben war, hatte Leukon erobert und nannte sich nun Herrscher von Bosporus und Theudosia. 5)


Man kann sich das Gewühl und Treiben in Pantikapäum während der guten Jahreszeit, wo das Meer offen war, kaum bunt und lebhaft genug denken. Die ackerbauenden Skythen brachten teils aus dem Norden der Krim, wo damals nach dem Zeugnis des Strabon das Ackerland dreißigfältige Frucht trug 6), teils weit her aus dem Norden, gewaltige Massen Getreide. Nur für den Bedarf von Attika wurden jährlich über 400.000 Scheffel Weizen ausgeführt. 7) Rings an den Küstenvorsprüngen waren große Fischereien, wo man auf besonders errichteten Warten den Zügen der Thunfische, wenn sie gegen Eintritt des Winters nach Süden zogen, auflauerte; ungeheure Massen der verschiedensten Arten gesalzener Fische waren in der Stadt aufgestapelt und fanden begierige Käufer. 1) Züge von Schlachtvieh bewegten sich aus den Herden der Nomaden nach dem Hafen. Felle von Rindern, Pferden und wilden Tieren, Salz, Honig, Wachs, Schafwolle bildeten Gegenstände des reichsten Absatzes. Wieder anderen Stoff des Verkehrs boten die zahlreichen Naphthaquellen auf den Halbinseln Taman und Fontal 2); auch Balken, Bretter und Mastbäume für den Schiffsbau wurden in großer Menge von Pantikapäum ausgeführt. 3) Weit herunter aus dem Norden kamen die Handelskarawanen wunderbarer Völkerschaften, vielleicht bis von den Ufern der Ostsee, um Pelzwerk und andere Waren zu bringen, Kleiderzeuge, Wein und andere Gegenstände des Südens zu holen. 4) Nicht den geringsten Bestandteil des Verkehrs machten die Sklaven aus, die von den wilden Skythen und Sauromaten oder den Völkerschaften des Kaukasus in ihren beständigen Kriegen gewonnen und den Griechen zum Kauf geboten wurden. Man liebte die skythischen Sklaven als tüchtige und treue Arbeiter. Hielt doch selbst der Staat Athen sich zu Leukons Zeit 1.200 solcher skythischer Sklaven, die mit Bogen bewaffnet die Gensdarmerie Athens bildeten und unter Anderem in der Volksversammlung manchen ungewaschenen Redner auf Befehl der Prytanen von der Rednerbühne entfernten. 5) Gerade in Pantikapäum wurde ohne Zweifel die Mehrzahl von ihnen gekauft. Gewiss gelangten auch die Waren des fernen Orients die auf uralten Handelsstraßen aus dem Innern Asiens nach Norden bis Kolchis und Dioskurtas am schwarzen Meere zogen, durch Vermittlung von Phanagoria auf den Markt von Pantikapäum. 1) Man kann sich denken, dass Leukon, der 3 1/3 Prozent Ausfuhrzoll erhob 2), eine glänzende Einnahme hatte. Über die ein- und ausgeführten Güter führten Hafenbeamte sorgfältige Verzeichnisse, auf die wir attische Kaufleute in Prozessen sich mehr als einmal berufen sehn. 3)

Nun vergegenwärtige man sich das bunte Durcheinander von Gestalten. Da kommen Skythen, von gelber Farbe, dickem und fleischigem Gesicht, schwammigem Körper 4); über dem langwallenden Haar eine in hoher Spitze auslaufende Kapuze, weite Hosen von Fellen unten in Stiefeln eingebunden, um den enganliegenden Leibrock einen Gürtel, am Gürtel eine Schale, auf dem Rücken Bogen und Köcher, in der Hand einen Speer; 5) von den kleinen Steppenpferden, die sie reiten, hängt zur Seite ein Schlauch mit Milchbranntwein herab. 6) Vielleicht folgen den Männern einige von 4 bis 6 Ochsen gezogene Wagen, in deren engem, mit Filzdecken überdachtem Innern Frauen und Kinder sitzen und kauern. 7) Dort braust ein Schwarm wilder Sauromaten, Jünglinge und Mädchen in gleicher Tracht und gleicher Haltung, auf ihren Rossen heran, vielleicht die Gesandtschaft eines Fürsten, die um die Hand einer Tochter Leukons oder eines seiner Statthalter und Großen werben soll. 8) Darunter die fremdartigen Handelsleute aus dem Norden und um sie eine Menge von Dolmetschern, die den Verkehr des bunten Völkergewirres zu vermitteln bemüht sind. 9)

Und im Hafen welch Gedränge? Da laden griechische Kaufleute von den Inseln Fässer mit Wein von Kos, Mende, Peparethus, Thasus aus 1), aus anderen Schiffen feines Olivenöl 2) und Tücher verschiedener Art 3), da wieder ein Handelsmann aus Athen mit größter Sorgsamkeit eine Menge feingemalter Vasen von den zierlichsten Formen; hat er doch den Geschmack von Pantikapäum berechnend in Athen Skythenkämpfe, Amazonen, Greifen und Pygmäen darauf malen lassen 4); auch wohl Bücher bringt er für die mit, die hier in nordischer Ferne doch von griechischem Geiste erfüllt sind. An anderer Stelle stehen Schiffsherren, die eben ihre Bücher in Ordnung gebracht 5) haben und mit ihren Schiffen abzusegeln im Begriff sind, welche sie mit kostbaren gesalzenen Fischen und Kaviar 6), oder mit Weizen, Fellen und Sklaven 7) befrachtet haben.

Doch sie werden aufgehalten, denn ein Kriegsschiff bringt eben mehrere jener kleinen und leichten Barken ein, auf denen Heniochen auf Seeraub ausgezogen waren. 8) Sie wohnten an den Abhängen des Kaukasus und trugen aus den Wäldern, in denen sie lebten, die engen, wenig tiefen Boote oder Kamaren, kaum 20 Mann fassend, auf dem Rücken ans Meer, plünderten dann Lastschiffe oder raubten in plötzlicher nächtlicher Landung Menschen, um sie als Sklaven zu verkaufen, indem ihnen manchmal selbst Hafenorte im Bosporus aus Furcht oder Gewinnsucht Markt und Zuflucht gewährten.

Aber warum denken wir uns nicht an jenem Tage zu Pantikapäum zu sein, der Leukon im Lichte jener Zeit am meisten verherrlichte? Pantikapäum ist festlich geschmückt, Leukon selbst und die ganze Bevölkerung, herbeigeladene Abgeordnete aller der barbarischen Stämme, die zu dem Reiche gehören, stehen in gespannter Erwartung. Da läuft, von unendlichem Jubelruf der versammelten Menge begrüßt, im stolzesten Schmucke prangend, unter fröhlicher Musik, die Staatstriere Paralos 1) von Athen in den Hafen ein, von Athen, der einzigen Stadt, der Meereskönigin und Geisterherrscherin, nach der gern oder ungern doch die Blicke aller Griechen als dem Kleinod und der Seele alles hellenischen Lebens gerichtet sind. Das Schiff landet und Gesandte Athens steigen aus. Ernst und feierlich nahen sie Leukon, setzen einen Kranz von goldenen Ölzweigen auf sein Haupt und verkünden laut den Volksbeschluss der Athener, der Leukon und seinen Söhnen und seinem ganzen Geschlechte das attische Bürgerrecht mit voller Abgabenfreiheit und allen Ehrenrechten der Wohltäter und Freunde Athens verleiht; auf ehernen Säulen soll der Beschluss in Athen, im Bosporus und auf dem Vorgebirge Hieron, wo am Eingang in den Pontus aus der Meerenge von Konstantinopel alle Schiffe zu landen und zu opfern pflegten, aufgestellt werden. 2)

Solche Ehren hatte Leukon gesucht und verdient durch große Handelsbegünstigungen, die er den Athenern bewilligt hatte. Sie zahlten nicht nur für alles Getreide, welches sie aus Pantikapäum und Thrudosia ausführten, keinen Ausgangszoll, sondern genossen auch das Vorrecht zuerst laden zu dürfen. Beides gleich wichtig: denn jene Befreiung kam dem Wert von etwa 34.000 Scheffeln gleich 3), und dieses Vorrecht 4) war von der größten Wichtigkeit, wenn einmal bei geringeren Ernten die Vorräte in Pantikapäum nicht für alle Käufer ausreichten. Jeder Ausfall aber in der Getreidezufuhr aus dem Pontus war für Athen eben so empfindlich und gefährlich, als später für Konstantinopel zur Zeit der Genuesen. Doch nicht allein diese Vorrechte hatte Leukon den Athenern bewilligt, sondern er schenke ihnen auch, vielleicht als Zeichen der Dankbarkeit für die ihm widerfahrene Ehre, im J. 357, einem allgemeinen Missjahre, 2.100.000 Scheffel, so dass sie durch Verkauf eines Teiles nach anderen Staaten eine bedeutende Summe gewannen. 1) Wir sehn, dass Leukon auf die Ehre attischer Bürger zu sein nicht minderen Wert legte, als die Könige Arybbas von Epirus, Audoleon von Päonien und Andere, denen dieselbe Auszeichnung ungefähr in gleicher Zeit zu Teil wurde.

Bei dieser Lebendigkeit des Verkehrs zwischen Athen und dem Bosporus ist es nicht unerwartet zu hören, dass bei inneren Unruhen zu Athen Anhänger der unterliegenden Partei nach Bosporos flüchteten 2) und dass Bosporaner in großer Zahl nach Athen kamen, nicht allein in Handelsangelegenheiten, sondern um höhere Bildung zu suchen oder einen genussreichen Aufenthalt zu finden 3). Wie häufig überhaupt die Reise zwischen Athen und Pantikapäum gemacht wurde, zeigt uns schon der unglaublich geringe Preis von zwei Drachmen, etwa 14 Groschen, den ein Passagier zu zahlen hatte 4). Auf derselben Höhe wie Leukon hielten die Macht des bosporanischen Reiches auch sein Sohn Pärisades I. und sein Enkel Eumelos; indessen nach und nach wurde das Reich immer mehr von den Skythen und Sauromaten bedrängt, bis Pärisades IV. im J. 98 v. Chr. sich unter den Schutz des großen Mithradates zu stellen und sein Reich an ihn abzutreten beschloss. Von da an folgte Pantikapäum den Geschicken des großen pontisch-bosporanischen Reiches, bis auch die Kunde von diesen Herrschern mit zum Teil sehr barbarischen Namen, Rhoemetalkes, Rheskuporis, Rhadamsadis, Thothorses, im 4. Jahrh. n. Chr. mit Asander II. erlischt. Sie standen unter der Oberhoheit der Römer, zahlten aber gewiss auch außerdem den Herrschern der benachbarten Nomaden jährlichen Tribut, ganz wie später eine Menge slawischer und litauischer Fürsten solchen in das Lager des großen Tatarenchans bringen mussten.

Doch der Gründer dieses Reiches, Mithradates in Pantikapäum, verdient eine kurze Betrachtung. Mithradates 6. Eupator, der achte König des pontischen Reiches, hatte 56 Jahre regiert und seine Herrschaft über ganz Kleinasien und die benachbarten Länder ausgebreitet, das bosporanische Reich mit dem seinigen vereinigt und nach Norden zu bedeutend erweitert, Griechenland hatte seinem Willen gehorcht. In 22 Sprachen redete er zu den Völkerschaften 1), die er beherrschte; und mehr als einmal hatte das weltgebietende Rom den ebenbürtigen Gegner in ihm gefürchtet. Er hatte 40 Jahre lang den Kampf mit allen Mitteln geführt, die unermesslicher Reichtum, gewaltiger Geist, völlige Gleichgültigkeit für die zu bringenden Opfer an Geld, Kraft und Menschen aufzubieten im Stande sind. 2) Besiegt von Sulla und Lucullus hatte er in Kurzem sich mit erneuter Kraft erhoben. Aber aus der nächtlichen Schlacht, in welcher ihn Pompejus im J. 66 v. Chr. besiegte, war er nur mit 800 Reitern entkommen und nach Mühsalen und Gefahren aller Art, dem Verrat seines eigenen Sohnes Machares in Phanagoria, im J. 65 nach Pantikapäum gelangt.

Hier rüstete er mit der Energie der Verzweiflung zum neuen Kampfe mit Rom; er wollte Alles wiedergewinnen oder untergehen. Bald waren 36.000 Mann neu geworben, überall wurden Waffen geschmiedet, Maschinen gebaut, selbst die Pflugstiere nicht verschont, um Schilde, Riemen und Sehnen zu gewinnen. Durch Skythten, Thrakien, Pannonien wollte er wie eine Völkerlavine im Weiterziehen anschwellend seine Feindin Rom in Italien selbst aufsuchen und in furchtbarer Umarmung erdrücken. Was später die Völkerfluten der Germanen, Hunnen, Tataren mehr als einmal getan haben, das entwarf der Riesengeist des greisen Mithradates. Aber sein Sohn Pharnaces empörte sich wider ihn, um durch Opferung des Vaters sich selbst das Reich zu retten. Der Bann der Furcht, der allein alle in der Gewalt des Königs gehalten hatte, war gelöst und Mithradates mit zwei Töchtern und wenigen Getreuen allein auf der Burg von Pantikapäum. Da mischt er das Gift, welches er immer bei sich führte; er reicht davon auf ihre Bitte den Töchtern und nimmt selbst den Rest. Durch heftiges Hin- und wiedergehen sucht er die Kraft des Giftes zu erhöhen, aber wohl sieht er die Töchter sterben, gegen seinen durch täglichen Genuss von Giften und Gegengiften abgehärteten Körper hat er keine Gewalt. Er nimmt das Schwert, aber Alter und Jammer haben dem Arm die Kraft genommen: die Wunde tötet nicht. Da erhört Bituitus, der Führer seiner keltischen Söldner, sein Flehen und endet den Todeskampf. So endete das Leben des Mithradates, ein erschütterndes Trauerspiel in den gewaltigsten Dimensionen, auf der Königsburg von Pantikapäum.

Doch wenden wir uns nach dem Südwesten der Krim, wo eben auf jenem Wüstenplateau, welches jetzt die Heere der Franzosen und Engländer trägt, Chersonesus gegründet worden war. Diese ganze Westspitze der Krim, die durch eine natürlich und künstlich befestigte Linie von Balaklawa nach der innersten Bucht des Hafens von Sebastopol von der übrigen, östlich gelegenen Krim getrennt ist, hieß im Altertum die kleine Chersonesos 1). Östlich von der nordwestlichsten, vorspringenden Spitze dieser kleinen Chersonesos, dem j. Kap Fanary oder Chersones, auf dem Plateau zwischen der j. Kosakenbucht im O. und der Fanarybucht im W. wurde etwa 540 v. Chr. zuerst die dorische Kolonie Chersonesos Heraklea oder nur Chersonesos (später Cherson) gegründet 2).

Später, man weiß nicht wann, aber schon Strabo unterscheidet eine alte und neue Stadt, war diese Lage verlassen und die Stadt neu zwischen der Quarantänebai im O. und der Schützenbai im W. angelegt worden 3). Mit unglaublicher Sorgfalt und Ausdauer hatte man fast das ganze jetzt öde Plateau in eine große Gartenanlage verwandelt, indem man fruchtbare Erde zusammentrug, die Feuchtigkeit sammelte, Terrassen anlegte, die Steine weglas und zu Hausen schichtete. Die ganze Strecke war in Kares geteilt, Landhäuser, bald einfache, bald kunstvollere, waren überall gebaut, Gleise für die Wagen sorgfältig in die Felsen gehauen, und von überall her mündeten Straßen in den Markt der Stadt. Schon damals war hier der Weinbau bedeutend; und zwar zog man meist roten 4). Der Handel der Stadt war ziemlich belebt, doch wurde er durch das nicht weit entfernte Olbia gedrückt und die eigentliche Handelsblüte fällt erst später 5).

Aber die Stadt erhielt sich, wenn sie auch an die Fürsten sowohl der Taurer in den Bergen, als der Skythen in der Steppe, die frühzeitig schon in der Nähe des j. Sympherópol eine Burg gehabt zu haben scheinen, Tribute zahlen musste, frei und selbständig; jährliche Fürsten standen an der Spitze der Verwaltung 6). Aber mit der Zeit wurden die Forderungen der Skythen, die sich mehr und mehr mit den Taurern zu Tauroskythen verbunden hatten, immer höher und unerträglicher; in derselben Zeit ungefähr, in der aus gleichem Grunde sich Pärisades IV. genöthigt sah, sein Reich an Mithradates abzutreten, bedrückte König Skiluros, von dem griechische Inschriften und Münzen bei Sympherópol gefunden worden sind 1), die Chersonesiten so, dass auch sie Mithradates um Hilfe baten. Dieser ergriff die erwünschte Gelegenheit sich der ganzen Krim zu bemächtigen und sein Feldherr Diophantos schlug mit 6.000 Mann Skiluros und seine Söhne, die ein großes Heer von 50.000 Roxolanen und Skythen um sich gesammelt hatten. Damals baute Diophantos dort, wo jetzt die Ruinen von Inkerman sind, seinem Herrn zu Ehren die Festung Eupatoria 2).

In etwas spätere Zeit gehört die mutige Tat einer Sauromaten-Königin Amage. Ihr Mann Medosakkes war dem Trunk und der Schwelgerei ergeben, aber sie übte feste Recht daheim und wehrte die Feinde in tapferem Kampfe nach außen ab. So war ihr Name weithin geehrt und gefürchtet. Auch die Chersonesiten bitten sie um Schutz gegen den Skythenkönig. Sie ermahnt diesen erst schriftlich; als er aber dessen nicht achtet, nimmt sie 120 Männer, kräftig an Geist und Körper, gibt jedem drei Pferde und reitet nun in einer Nacht und einem Tage 30 Meilen. Da gelangt sie zu der Burg des Skythen, haut die Wachen nieder, stürmt hinein, tötet den König und die Anwesenden; seinem Sohne aber übergibt sie die Herrschaft und den Chersonesiten das ihnen entrissene Land 3). Wahrscheinlich geschah dies, nachdem die Stadt im J. 36 v. Chr. von den Römern für unabhängig erklärt worden war. Die Römer waren dann zur Hilfe zu entfernt, die pontisch-bosporanischen Könige aber, deren Oberherrschaft die Stadt untergeben gewesen war, wollte sie nicht anrufen.

Ihre Macht und ihr Gebiet wuchsen im Laufe der Zeit; namentlich gewann sie in wiederholten glücklichen Kämpfen fast die ganze Krim den Herrschern in Pantikapäum ab, wo sich Sauromaten des Throns bemächtigt hatten. Etwa gegen 320 n. Chr. siegten die Chersonesiten unter ihrem Feldherrn Byskus bei Theudosia über die Sauromaten und der alte Graben von dieser Stadt nach dem Zenonischen Chersonesos, der j. Landzunge von Arabat, wurde als Grenze der beiden Gebiete festgestellt 1). Wenige Jahre darauf zog Sauromatos, der Herrscher im Bosporos, wieder gegen Chersonesos ins Feld; wieder lagerten die Heere bei Theudosia. Da besiegte der Proteuon von Chersonesos Pharnakos den Sauromatos im Zwetkampf: dessen Heer zerstäubt und die neue Grenze wird durch einen Wall von Kimmerion nach der Mäotis gezogen 2). Spuren dieses Walles hat Dubois noch jetzt in der Richtung vom Salzsee Itar-Altschik nach Sultanofka zu aufgefunden 3).

Aber was Gewalt nicht erlangt hatte, das wollten nun die Bosporaner durch List erreichen 4). In Chersonesos lebte Lamachos, ein Mann von ungeheurem Reichtum, hochgeehrt bei seinen Mitbürgern. Sein Gehöft bedeckte vier Quartiere der Stadt; die Herden seiner Pferde, Rinder, Schafe und Esel zogen jede zu einem besonderen Torweg ein in besondere Stallungen. Er hatte eine einzige Tochter, Gykia, von wunderbarer Schönheit. Um ihre Hand nun wirbt Asander, der König in Bosporos, für einen seiner Söhne. Gykia wird dem ältesten unter der Bedingung vermählt, dass derselbe niemals nach Bosporos zurückkehren dürfe. Zwei Jahre nach der Vermählung der Tochter stirbt Lamachos. Als der Jahrestag seines Todes herannaht, bittet Gykia, sein Gedächtnis zu ehren, die Stadt um Erlaubnis, so lange sie lebe, jährlich an diesem Tage allen Einwohnern reichlich Wein, Brod, Öl, Vögel, Fische, Rind- und Hammelfleisch spenden zu dürfen, damit alle den Tag festlich verbringen, erst zu Hause schmausen, dann vereint tanzen und spielen könnten. Die Stadt nimmt das Geschenk an, der Sohn des Asander aber baut darauf einen Plan sich ganz Chersons zu bemächtigen. Auf seine Veranlassung kommen von Zeit zu Zeit 10 —12 junge starke Männer mit Geschenken aus Bosporos zu ihm, scheinbar gehen sie immer wieder nach dem Hafen 1), dem h. Balaklawa, fort, aber bei Nacht werden sie von dort zu Schiff in die Besitzung des Lamachos, die an das Meer stößt, zurückgebracht. Gegen 200 hatte er so in einem entlegenen Gebäude versteckt, als wenige Tage vor dem wiederkehrenden Gedenktag, an dem er sich der feiernden Stadt zu bemächtigen gedachte, Gykia eine Lieblingsdienerin wegen eines Versehens in ein Gemach verweist, was gerade über der Halle lag, welche die Bosporaner barg. Beim Spinnen fällt dieser der Wirtel der Spindel auf den Boden und rollt in eine Vertiefung an der Wand. Sie kann ihn nicht anders wieder bekommen, als indem sie einen Ziegel aus der Wand hebt, da bemerkt sie die versammelten Männer und meldet das Bemerkte schnell ihrer Herrin. Diese beruft die Behörden der Stadt, teilt ihnen ihre Befürchtung mit und heißt sie veranstalten, dass alle Bürger den Tag wie sonst festlich begehen, aber sich etwas zeitiger nach Hause begeben. Sie werde die Tore ihres Gehöftes ebenfalls zeitig schließen lassen; dann sollten die Bürger dürres Holz und anderes Brennmaterial in Eile um ihr Haus aufschichten und auf ein Zeichen von ihr in Brand stecken. Der Tag kommt, Gykia weiß ihren Gemahl und seine Freunde, die mit ihm zechen, zu berauschen. Sie schlafen ein; da verlässt Gykia mit ihren Dienerinnen und der kostbarsten Habe das Haus und gibt das verabredete Zeichen. Das ganze Gehöft brennt nieder und in ihm verbrennen Asanders Sohn und die Bosporaner. Als aber die dankbaren Bürger das Gehöfte wieder aufbauen wollten, ließ dies Gykia nicht zu, sondern verlangte vielmehr, dass die Bürger Scherben und allen Abraum dorthin trügen. So entstand nach und nach ein Hügel, der spät noch Lamachos Warte hieß. 1) Zum Dank aber errichteten die Bürger von Cherson zwei eherne Bildsäulen der Gykia, auf deren Basis ihre Verdienste angegeben waren.

Aber sie hatten ihr auch auf ihren Wunsch versprochen sie mitten in der Stadt zu begraben. Ihre Wahrhaftigkeit zu erproben stellt Gykia sich tot und siehe da, die dankbaren Bürger tragen die vermeinte Leiche zum Tore der Stadt hinaus. Da richtet sich im Tore Gykia auf und ruft: Wehe, wer noch einem Chersonesiten glaubt! Die Bürger schämten sich, versprachen von neuem das Begräbnis in der Stadt, und hielten später wirklich ihr Versprechen. Also erzählt der Kaiser Konstantinus Porphyrogennetus gegen die Mitte des 10. Jahrhunderts. Es war nämlich gegen alle griechische Sitte Gräber innerhalb der Stadt zu haben. 2) Und so zeigten sich die Chersonesiten auch darin treu griechischer Sitte und griechischem Wesen, dessen eigentliche Vertreter sie, als überall fremde Völkerschaften in raschem Wechsel die Krim besetzten, tief hinein ins Mittelalter bis zum eigenen Untergange blieben.

Doch wir scheiden hiermit von den Griechen und griechischem Leben auf der Krim, und kommen zu den


III. Skythen und Alanen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus der Geschichte der Krim