Lübeck - ein Resümee

Meine Lübecker Skizzen möchte ich — selbst bei dem besten Willen — nicht weiter ausdehnen können. Literatur und Kunst leben in der alten Hansestadt nicht viel mehr, als ein Handwerksleben, und was der Gemeinsinn gestiftet, es beschränkt sich höchstens auf städtische Verhältnisse, die ohne Interesse für Deutschland sind. Ausgezeichnetes, Außergewöhnliches findet man in dieser Hinsicht Nichts.

Zwei Buchhandlungen versorgen Lübeck und einen großen Teil von Holstein mit der neuesten Literatur, einen bedeutenden Verlag hat keine derselben aufzuweisen. In der „Vereinigung“ findet man eine ziemlich reichhaltige Ausbeute politischer und schönwissenschaftlicher Zeitungen.


Das Theater ist mittelmäßig und feiert im Sommer, wodurch es denn erklärbar, weshalb hier nie ein einstudiertes Ensemble zu erwarten ist. Mit einem Worte, Alles deutet an, dass Lübeck durch die Gegenwart nicht im kräftigen Mannes-Alter schreite, dass es vielmehr, als silberhaariger Greis, ohne den raschen, gleichförmigen Pulsschlag eines regen öffentlichen Lebens, jene durchschleiche, freilich stolz und nicht ohne Glorie der Vergangenheit, die von den Türmen und aus den Kirchen strahlt, aus den vielen frommen, begüterten Stiftungen, aus der Geschichte, aus den Fluten der Ostsee, über welcher Lübeck einst den Szepter hielt; aber doch sonst schwach und entmarkt, wie Nürnberg, Augsburg, wie die alte Kaiserstadt Aachen, die jetzt von ihren Tuchfabriken lebt, aber im Leben nicht mehr die Blicke der Welt auf sich zieht, wie einst, als hier die deutsche Krone vergeben wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus den Hansa-Städten