Die Atmosphäre im Innern der Stadt

Die Atmosphäre im Innern der Stadt hat Nichts von jenen stickartigen Bestandteilen aufzuweisen, mit welchen so häufig die Luft größerer Städte geschwängert ist. Frei und unbeengt, wie Lübeck liegt, ist es allenthalben dem Luftzuge Preis gegeben, der hier nicht durch Vorstädte abgewehrt wird und ungehindert Einlass erhält. In Lübeck atmet man holsteinische Reinheit, jene ländliche Luft, die so erquicklich, wie kräftigend auf den Körper einwirkt und viel dazu beitragen mochte, die Ausdünstungen der Begräbnisplätze im Innern der Stadt unschädlich zu machen. Vor vielen Häusern erheben sich Lindenbäume, sich zu freundlichen Bekränzungen um die alten einfachen Steingemäuer bildend und dem Ganzen das heitere, gemütliche Ansehen verleihend, welches dem düsteren, gotischen Ausdruck der Stadt das nötige Licht für unsere protestantischen Augen gibt. Lübeck hat in seinem Äußeren acht-lutherisches Gepräge, jenen herzlichen Farbenton der Aufklärung, welche die Bilder nicht aus den Kirchen verbannte. Bremen dagegen hat ein echt-kalvinistisches Ansehen, das weniger zum Herzen spricht, sondern kaltverständige Worte redet und die inneren Kirchenwände nackt und kahl hingestellt hat. Lübeck sieht gemütlich aus; Bremen steif, beinahe herrenhutisch, oder gar quäkerartig, denn der Kalvinismus spielt hier in alle Abarten über. Lübeck hat, wie gesagt, einen holsteinischen Charakter; Bremen hat durchaus holländische Reinlichkeit, neben holländischem Pflegma und holländischer List in seinem äußeren Wesen. Natürlich trägt sich der Charakter der Bewohner einer Stadt auf die Stadt selbst über. Man führe einen Fremden, der Nichts von der herrschenden Kirche in Lübeck weiß, dort umher, er wird zweifelsohne die Stadt für Luthern ergeben erklären, wenn er nur das Innere der Kirchen in Augenschein nimmt, und die Gemütlichkeit der Häuser betrachtet; aber Bremen steht so starr und gescheuert, so nebelig und bigott da, dass man es ihm zur Genüge ansieht: hier walte der Rigorismus der kalvinistischen Lehre, welcher aller Poesie den Tod geschworen hat. Hamburg ist eine Weltstadt und trägt das Gepräge derselben. Man sieht es, der Handel von Amerika und Europa, der im Angesichte der Stadt seine Flaggen entfaltet, hat hier das Eigentümliche des reichsstädtischen Wesens sowohl, wie das der herrschenden Kirche verwischt. Hamburg hat durch ihn jenes buntfarbene Antlitz erhalten, in welchem sich London und Amsterdam, Spanien und die vereinigten Staaten, Mexiko und sogar der Orient vereinen. Der Materialismus spiegelt sich hier in Allem.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus den Hansa-Städten