25. Jüdischer Fuhrmann

Das ist freilich kein herrschaftlicher Kutscher, keiner, der auf dem Bock einer Droschke sitzt, in einem blauen Mantel, der umgekehrt wie das Hermelin mehr Flecken als reinen Grund hat, und mit einem mit Metall beschlagenen Ledergürtel um den Leib, an dem seine Nummer hängt. Das ist nur ein einfacher Fuhrmann, der mit derben Gäulen umgeht, nicht mit zierlichen Panjewagenpferdchen, die oft schon so abgeklappert sind, dass man sie gern selbst in die Kutsche setzen und eigenhändig zum Abdecker ziehen würde. Aber wenn ihr eine Kiste Wein vom Kasino zu besorgen habt oder eine Fuhre Holz für den Winter, sagt's nur hier Josche, dem Balagolen, wie der jiddische Jargon den Fuhrmann nennt. Er wird's gut besorgen. So verschmitzt wie er aussieht, so tüchtig und zuverlässig ist er bei der Arbeit, wenn es zuweilen ein Schnäpschen dazwischen gibt. „Man hat's nötig bei der Kälte!" meint er dann zur Entschuldigung und leckt sich den „Bronfen", den geliebten Branntwein von den Lippen. Nur die Peitsche braucht er ein bisschen viel bei seinen Tieren. Wenn man ihn deshalb zur Rede stellt, meint er lächelnd: „Nu, lieber Herr! Werden wir nicht auch geschlagen und geschunden, wir Menschen?"

„Hast Recht, Josche! Es ist ein schweres Leben heutzutage. Doch, was hilft das Jammern? Weitermachen! Weitermachen!"
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Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus Litauen, Weißrussland und Kurland