10. Ein Museumsdirektor

„Tadas Daugirdas, Taddäus von Dowgird", wie der litauische Name polonisiert lautet, also steht auf einer Visitenkarte, die an der Tür hängt, die zum Museum in Kowno führt. Man klopft an und der Mensch, den diese Zeichnung konterfeit, schaut uns an. In etwas legerer Kleidung, und ohne sich mit einem steifen Kragen zu belasten, der einem, wie den Frauen ihr Korsett, fortwährend die Lust am Leben wegschnürt, sitzt er da, der Direktor des Museums. Mit dem Anstand, den er hat, und mit einem Blick voll jener Menschlichkeit, die, wie Schiller in der „Freude", die ganze Welt umspannt. Er schlägt ganz langsam seine Augen von unten auf und blickt einen gutmütig prüfend an: „Bruderherz, was für ein Kerl magst Du wieder sein." Ich entsinne mich noch gut meines ersten Besuchs bei ihm. An einem Märznachmittag, der so löschpapierengrau war, dass selbst unverbesserliche Optimisten an dem Wert des Daseins irre werden konnten. Da, als ich diesen Mann sah in seiner kleinen zusammengesammelten Welt, von der jedes Stück zu künden schien: „Am farbigen Abglanz haben wir das Leben", da fühlt' ich mich auf der Stelle wieder wie zu Hause. Sein Museum bekommt jetzt oft Besuch. Viel häufiger als in der Russenzeit. Gleich nach der Einnahme Kownos, wie er gern erzählt, meldeten sich schon feldgraue Barbaren, um seine Sammlung zu betrachten. Kein Bild, kein Band ist aus ihr abbanden gekommen. Und er präsidiert weiter seinen Gemälden, Steinen, Ausgrabungen, Waffen, Büchern und Raritäten wie eine Figur von Dickens oder Balzac. Abwechselnd greift er zum Pinsel, abwechselnd zur Feder, um den Altertumsforschern über Litauen eins auszuwischen. „Die Maler sagen, ich sei ein vortrefflicher Archäologe und die Archäologen erklären mich für einen ausgezeichneten Maler!" So berichtet er, der ein unterhaltender Anekdotenerzähler ist, lächelnd von sich selbst, schaut dabei überlegen seinem Tabaksqualm nach und fühlt sich in dem Himmel auf Erden heimisch, in dem Don Quixote, E. T. A. Hoffmann, Hans von Bülow und andere erlauchte Geister ihren Atem zogen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus Litauen, Weißrussland und Kurland