08. Birute

Gib mir die Hand, liebe kleine Birute! So ist es recht. Und nun schau' mich an! Sieh' einer, das magst Du nicht. Und schon hast Du mir Deine Hand wieder fortgezogen! Und wenn ich über Dein glattes blondes Haar streichen will, so runzelst Du die Stirn und schüttelst Dich wie ein junges Füllen, das die Bremsen ärgern, sprödes litauisches Mädchen! Sag' mir eine alte Sage Deines Volkes! Das kannst Du nicht? So sing' mir ein Volksliedchen, ein litauisches, ein wehmütiges! Das willst Du nicht?

Weißt Du, dass Deine Vorfahren Heiden waren, schlimme hartnäckige Heiden, bis unsere preußischen Ritter sie mit dem Schwert erst zur Taufe bekehrten! Das glaubst Du nicht? Weil Du morgens, mittags und abends das Kreuz über Dich schlägst, glaubst Du das nicht, und siehst böse zur Seite! Aber es ist so gewesen, sag' ich Dir, Du brauchst keine Schüppe zu machen. Sie haben einstmals aufeinander losgehauen, wie die Teufel, die Preußen und die Litauer. An der Weichsel und hier an der Memel. Aber hernach sind sie gut Freund miteinander geworden. So gut, dass in Ragnit beispielsweise, wo es zwei getrennte Kirchhöfe für die deutsche und die litauische Gemeinde gibt, die Leichen derjenigen Leute, die sich im Leben gut gekannt haben, noch oft des Nachts zusammenkommen, wenn es stürmisches Wetter ist. Aber Du hörst ja nicht mehr zu, kleine Birute! Du bist längst fortgelaufen. Aber unser Struck hat Dich hier festgehalten. Da! Schau' her! Kssss - - !
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Skizzen aus Litauen, Weißrussland und Kurland