Sind die Himmelskörper bewohnt?

Aus: Unterhaltungen am häuslichen Herd. Herausgeber: Gutzkow, Karl. Neue Folge . Band 5
Autor: Frauenstädt, Julius Dr. (1813-1879) philosophischer Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Astronomie, All, Sterne, Weltkörper, Bewohner, Lebensformen, Wasser, Licht, Wärme, Dichte, Kometen, Sonnensysthem, Universum, Planeten, Sonne, Mond, Merkur, Uranus, Mars, Jupiter, Venus, Pluto, Neptun, Atmosphäre, Sauerstoff, Milchstraße, Gravitation, Umlaufbahn
Es ist eine Frage, die sich wohl jedem einmal, der den gestirnten Himmel erblickt, aufdrängt, ob diese Weltkörper von lebenden, empfindenden und denkenden Wesen bewohnt sind?

Der wissenschaftlich Ungebildete, astronomisch Unwissende phantasiert sich etwa geflügelte Engelsgestalten auf diese Weltkörper und glaubt, dass er nach seinem Tode auch auf einen derselben als Engel werde versetzt werden u. s. w.

Anders beantwortet sich der astronomisch Kundige diese Frage. Er weiß, dass Leben da nicht gedeihen kann, wo die Bedingungen des Lebens fehlen, und forscht daher, welche Bedingungen auf andern Himmelskörpern für organische Wesen vorhanden sind und wie etwa unter den dort vorhandenen Bedingungen sich die Organismen gestalten mögen.

In Bezug auf unser Planetensystem finden wir in dem zweiten Teile der „Schöpfungsgedanken“ von Professor Dr. K. H. Baumgärtner, der den besonderen Titel führt: „Blicke in das All“ (Freiburg, Wagner’sche Buchhandlung, 1859), schätzenswerte Andeutungen hierüber. Der Verfasser neigt sich im allgemeinen zu der Ansicht, dass, da überall in den Schöpfungswerken eine so große Zweckmäßigkeit zu erkennen, da z. B. jede einzelne Sehnenfaser an den Herzklappen ihre Bestimmung hat, wohl auch die großen Himmelskörper nicht zwecklos da sein werden. Zwar könnten wir die Zwecke, welche durch die Schöpfungswerke erreicht werden sollen, nicht überall erkennen und hätten oft selbst nicht eine Ahnung von denselben; wenn wir aber in Betrachtung zögen, dass sich auf der Erde, durch alle Entwicklungsperioden des Erdkörpers hindurch, nicht allein Schöpfungsakte von organisierten und beseelten Wesen kund gaben, sondern auch eine durch alle Zeiträume hindurch fortgesetzte geistige Entwicklung, und wenn Wir daher als den Hauptzweck oder wenigstens als einen der Zwecke der Erschaffung der Erde die Schöpfung und Entwicklung beseelter Wesen anerkennen müssten, so könnten wir unmöglich glauben, dass ganze Systeme von Weltkörpern existierten, denen nicht eine ähnliche Bestimmung zukäme.

Von den Planeten weist der Verfasser nach, dass es einige gibt, auf denen völlig nach Art der Tiere organisierte Geschöpfe existieren können. Bei den übrigen ließen sich folgende Möglichkeiten denken:

1) Der Himmelskörper ist noch nicht so weit entwickelt, dass Geschöpfe unserer Art sich auf demselben aufhalten könnten. Er besteht z. B. nur aus einer glühenden Kugel, welche mit Wasserdampf umgeben ist, wie unsere Erde war, bevor sich Pflanzen und Tiere auf derselben befanden;

2) das organische Leben ist schon auf ihm erloschen. Es hat sich vielleicht die Oberfläche dieses Himmelskörpers mit einer Eiskruste überzogen;

3) es hat vielleicht der betreffende Weltkörper nicht die Bestimmung, belebte Wesen zu beherbergen, und dient ausschließlich zu andern Zwecken;

4) es befinden sich auf manchen Weltkörpern Geschöpfe, vielleicht mit großer Intelligenz ausgestattet, welche eine andere Organisation besitzen als wir, namentlich hinsichtlich des Materials, aus welchem sie bestehen.

Zu den Weltkörpern, welche ihrer Beschaffenheit nach Geschöpfe tragen können, die mit festem Gerippe, Muskeln und ähnlichen Geweben versehen sind und atmen, gehören die vier inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars und, wie es scheint, die Sonne. Denn sie haben alle eine Atmosphäre, sie haben alle auch wahrscheinlich Wasser, und die Dichtigkeit dieser Weltkörper ist eine solche, dass organische Körper, ähnlich denen der Erde, auf ihnen bestehen können. Die Lichtmenge, welche diese Planeten von der Sonne erhalten, zeigt zwar eine bedeutendere Verschiedenheit als ihre Dichtigkeit, doch lassen diese Unterschiede die Möglichkeit der Existenz organischer Geschöpfe ähnlicher Art zu. Die Wärme endlich zeigt wahrscheinlich ähnliche Verschiedenheiten wie die der Lichtmenge, jedoch sind die Unterschiede wahrscheinlich weniger bedeutend als die des Lichts, da es hier auch aus die Beschaffenheit der Planeten ankommt. Wäre die Wärme in demselben Grade auf dem Merkur erhöht, als derselbe stärker beleuchtet ist als die Erde, so könnten freilich Geschöpfe unserer Art auf demselben nicht existieren.

Die Unterschiede der Atmosphäre, des Wassers, der Dichtigkeit, des Lichts und der Wärme auf den genannten Planeten müssten natürlich große Unterschiede in der Beschaffenheit der Pflanzen und Tiere auf denselben hervorbringen; doch könnten im ganzen die Grundstoffe und der Typus ihrer Organisation dieselben sein. Aber welchen verschiedenen Eindruck würden die Bewohner dieser Planeten von der Sonne empfangen! Den Bewohnern des Merkur und der Venus müsste dieselbe weit majestätischer erscheinen als uns Erdgeschöpfen. Die Merkurbewohner würden dieselben in der Sonnennähe elfmal größer sehen als die Erdbewohner, und ihr Auf- und Untergang würde bei den wahrscheinlich sehr hohen Bergen des Merkur ein wundervolles Schauspiel darbieten. Doch da der Merkur keine Trabanten besitzt, so würden die Bewohner desselben in der Nacht das Mondlicht entbehren.

Auch der Unterschied der Jahreszeiten, der Tages- und Jahresdauer bringt auf den genannten Planeten erhebliche Unterschiede im Leben ihrer Bewohner hervor. Der Verfasser geht alle diese Unterschiede näher durch, beleuchtet dann auch die verschiedenen Lebensbedingungen auf den vier äußern Planeten: Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, und kommt in Bezug auf diese zu dem Resultate, dass auf ihnen die äußern Bedingungen zwar noch insofern Lebensprozesse zulassen, die den unsrigen analog sind, als eine Atmosphäre vorhanden ist, dass aber die Geschöpfe wegen der geringen Dichtigkeit dieser Weltkörper nur von viel weniger dichten Stoffen zusammengesetzt sein können als auf den vier inneren. Man hat z. B. berechnet, dass die Jupiters-Oberfläche nur die Dichtigkeit etwa des Nussbaums oder Erlenholzes besitzen könne. Die Saturnkugel hat nur etwa den achten Teil der Erddichtigkeit, sodass die Oberfläche derselben kaum die Konsistenz des Korkholzes besitzen kann. Der Saturnbewohner muss also schon, da die Dichtigkeit geringer ist als die der leichtesten tropfbaren Flüssigkeit, die wir kennen, „ein halb ätherisches Wesen“ sein. Die Dichtigkeit des Uranus ist beträchtlicher als die des Saturns und stimmt ungefähr mit der des Jupiter überein. Der Uranus und Neptun bewegen sich in einer solchen Entfernung von der Sonne (der erstere im Mittel 396 1/2 Million Meilen, der letztere 624 Millionen Meilen), dass die Wirkung der Sonne auf diese Planeten wahrscheinlich nur sehr gering ist, sodass schon auf ersterem das Sonnenlicht sich nicht stärker als unser Mondlicht zeigt. Doch könnte die eigene Beschaffenheit dieser Planeten die Wirkung zu einer beträchtlicheren machen, sodass also vorteilhaftere Lebensbedingungen bewirkt würden, als sie nach den Berechnungen durch den bloßen Einfluss der Sonne zu erreichen wären. Der Winter wäre bei einer Umlaufzeit des Uranus von 84 Jahren und des Neptuns von 164 Jahren unter gleichen Verhältnissen wie auf der Erde von einer solchen Dauer und Stärke, dass ein Tierreich auf diesen Planeten für die Dauer nicht existieren könnte, wenn nicht etwa mit dem Wechsel der Jahreszeiten eine Wanderung nach andern Zonen, nach Art der Wandervögel bei uns, allgemein durchgeführt würde.

Zu merkwürdigen Resultaten kommt der Verfasser in Bezug auf die Sonne. Auf ihr können die Geschöpfe am meisten Ähnlichkeit mit denen auf der Erde haben. Den Kern der Sonne umgibt zunächst ein Dunstkreis, welcher die Möglichkeit gewährt, dass in ihm Geschöpfe atmen können, und der Sonnenkern ist jedenfalls so fest, dass auf ihm Organismen mit festem Gerippe eine Wohnung finden können.

Die Höhe der Temperatur ist ungeachtet des die Sonne umgebenden Lichtkreises (Photosphäre) wahrscheinlich nicht so groß, dass nicht irgendwelche Organismen auf der Oberfläche des Kerns existieren könnten; denn man hat die Beobachtung gemacht, dass an den Punkten, an welchen die Sonnenflecken sich zeigen, und also der Kern oder wenigstens die Dunsthülle bloßliegt, eine Temperaturerniedrigung sich darbietet, was beweist, dass der Kern einen geringeren Wärmegrad als die Lichthülle besitzen müsse.

Die Organisation der Sonnengeschöpfe müsste freilich von der unseligen in den quantitativen Verhältnissen schon aus dem Grunde abweichen, weil die Schwere der Körper eine so sehr verschiedene ist, dass 28—29mal größerer Kraftaufwand dazu gehört, um einen Körper zu bewegen, und die Geschwindigkeit eines fallenden Körpers beinahe der einer Flintenkugel gleichkommt.

Den Sonnenbewohnern auf der Oberfläche des Kerns der Sonne muss die Natur ein ganz anderes Gemälde darbieten als den Bewohnern der Planeten. Da die Sonne über ihrem Dunstkreise von einem Lichtkreise umgeben ist, so sieht der Bewohner der Sonne niemals das Firmament, mit Ausnahme an den Stellen, über welchen die Lichtsphäre zerrissen ist und wir die Sonnenflecken erblicken. Hier sieht vielleicht der Sonnenbewohner wie durch eine Kluft hindurch eine größere oder geringere Anzahl Sterne. Auch kennt derselbe, allem Anscheine nach, keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht, obgleich die Sonne, wie die Planeten, sich um ihre Achse dreht; denn es fehlt die Wirkung einer Sonne für die Sonne, da es keinen Zentralkörper von der Bedeutung der Sonne, sondern nur einen Gravitationspunkt, um welchen die sämtlichen Gestirne unseres Milchstraßensystems kreisen, zu geben scheint.

Was den Mond betrifft, so bietet er wegen Mangels einer Atmosphäre und wegen Mangels an
Wasser keine Lebensbedingungen dar. Seine Bewohner müssten eine Existenz haben, von der wir uns keinen Begriff machen können.

Die Kometen, deren es nach Wahrscheinlichkeitsberechnung über 17 Millionen gibt, welche die Bahnen der Planeten durchfurchen, können nicht Bewohner unserer Art, ja nicht einmal solche haben, wie vielleicht die halb ätherischen Gestalten des Saturns sind, weil ihre Dichtigkeit so äußerst gering ist.

Man ersieht aus diesen und ähnlichen Berechnungen, dass der Mensch, so sehr er auch mit dem Leibe an die Erdscholle gebannt ist, sich doch mit dem Geiste schon hier in andere Welten begeben und, wenn auch nichts Gewisses, doch wenigstens Mögliches und Wahrscheinliches von ihren Bewohnern berichten kann.

Die mehr als solche Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten wollen, mögen sich von Geisterklopfern und Tischrückern mehr sagen lassen; wir unsererseits ziehen die unbestimmten Umrisse von den auf andern Himmelskörpern möglichen Bewohnern, die uns die Astronomie bietet, den mit der Prätension der Gewissheit auftretenden „neuesten Nachrichten aus dem Jenseits“, die uns durch das Medium von Dienstmädchen vermittelt werden, vor. Eine auf Wissenschaft gegründete Wahrscheinlichkeit ist immer mehr wert als eine nur in der Einbildung beruhende Gewissheit.