Vorwort

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In Russland selbst ist Sibirien fast so wenig bekannt als in England und schon der bloße Name reicht hin, ohne Untersuchung ein verdammendes Urteil auszusprechen. Bei unserer Ankunft in Moskau wünschte man uns Glück, einer Verbannung entronnen zu sein, aus welcher so wenig Menschen zurückkehren, und Mancher fragte uns wie es möglich gewesen wäre, so lange in jenem Lande gelebt zu haben, Alle aber staunten uns an, so unglaublich kam es ihnen vor, dass eine solche Reise freiwillig und ohne einen bestimmten Zweck gemacht worden sei. Omne ignotum est pro magnifico - ist ein Sprichwort, das in unseren Tagen nicht minder wahr ist als zur Zeit, wo Tacitus schrieb, vielleicht um so mehr, da wenigere Dinge unbekannt sind als zu jener Zeit“.


„Wir haben in neueren Zeiten allerdings den Bericht von einer Reise in Sibirien und Kamtschatka erhalten, die der Irländer Dobell in den Jahren 1812 und 1814 unternahm, aber er beschrieb Kamtschatka weit genauer als Sibirien. Wir haben die Beschreibung der Fußreise des verstorbenen Kapitäns Cochrane, die unter so außerordentlichen Umständen gemacht wurde, und den Reisebericht des blinden Holman, die zwar beide geeignet waren, die Teilnahme des Publikums an den Berichterstattern zu erhöhen, aber das Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Mitteilungen etwas verminderten. In weit neuerer Zeit erschien auf Anregung des Majors Sabine die englische Übersetzung des Berichtes über die Entdeckungsreise des Barons Wrangel im nördlichen Sibirien und Kamtschatka, die in demselben Jahre unternommen wurde, wo Cochrane jene Länder besuchte. Es werden darin jedoch keineswegs diejenigen Teile Sibiriens beschrieben, die wir gesehen haben; es war lediglich eine wissenschaftliche Reise, die auf Befehl des Kaisers Alexander gemacht ward. Auffallend ist es, dass in Russland nie Nachrichten über diese Reise veröffentlicht wurden, und wir konnten nicht erfahren, aus welchem Grunde. Wir haben in unserem Reiseberichte uns einige Bemerkungen über diejenigen Punkte erlaubt, worin wir mit dem Verfaster nicht einig sind, und zwar im Vertrauen auf die im Lande selbst von uns gesammelten Nachrichten“.

„Es gibt verschiedene deutsche Werke über Sibirien, unter welchen mehre dem achtzehnten Jahrhundert angehören, und darunter behauptet den ersten Rang der Bericht über die von Pallas in den Jahren 1768 bis 1774 unternommene Reise, ein sehr verdienstvolles Werk, das aber für den Naturforscher anziehender als für das Publikum ist. Selbst wo Pallas umständlichere Nachrichten über den Zustand und die Lebensweise der Bewohner des Landes zu jener Zeit mitteilt, kann sein Werk doch nicht für ein treues Gemälde Sibiriens in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gelten. Russland hat seit Peter dem Großen mächtigere Fortschritte in der Gesittung gemacht als in derselben Zeit irgend ein Land in der Welt. Es würde unbillig sein, zu erwarten, dass Sibirien eben so rasch in der Gesittung vorgeschritten sein sollte, als viele andere Teile jenes unermesslichen Reiches, aber wir glauben, dass es im Verhältnisse zu seinen natürlichen Vorteilen keine langsameren Schritte gemacht hat als andere Länder. Man muss fürchten dass Gastfreiheit eine Tugend sei, die in Zeiten und Ländern geehrt wird, wo die künstliche Verfeinerung noch nicht den höchsten Punkt erreicht hat. Beurteilen wir Sibirien nach diesem Maßstabe, so müssten wir das Land freilich sehr niedrig stellen, denn es gibt, wie wir glauben, kein Land, wo Gastfreiheit so allgemein und so herzlich geübt wird. Wir würden undankbar sein, wenn wir nicht jede Gelegenheit ergreifen wollten, unser Zeugnis für die Bewahrung dieser patriarchalischen Sitte unter allen Volksklassen, von dem General-Gouverneur bis herab auf den Bauer, hier niederzulegen.“

Unter den neuesten, in Russland erschienenen Werken verdient der siebente Band der auf Kosten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften von K. G. von Baer und Gr. von Helmersen herausgegebenen „Beiträge zur Kenntnis des russischen Reiches und der angrenzenden Länder Asiens“ (Petersburg 1845) besondere Auszeichnung.

Dieser Band enthält bloß Nachrichten über Sibirien und die Kirgisen-Steppe, namentlich über den Kornbau in einem Teile des Landes, über die Zunahme der eingeborenen Bevölkerung, über den Jagderwerb besonders im östlichen Sibirien, vorzüglich über die Jagd auf Pelztiere und den Pelzhandel, und über eine im Jahre 1840 in die östliche ostungarische Kirgisen-Steppe unternommene Reise. Dem hier gesammelten, meist aus amtlichen Quellen geschöpften reichlichen statistischen Stoffe sind einige Anmerkungen und Erläuterungen entlehnt worden, welche die Angaben des Verfassers ergänzen können.

Im August 1846
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sibirien. Band 1