Siberien, Sibirien, Siberia, Sibeor, Siberie
Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste Band 37 (1743)
Autor: Zedler, Johann Heinrich (1706-1751), Erscheinungsjahr: 1743
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Sibirien, Sibirien Sibeor, Lat. Siberia, Fr. Siberie, eine überaus große Landschaft zwischen Moskau und China, welche sich nach Russischer Ausrechnung auf 200 Deutsche Meilen in die Länge und Breite erstrecket. Sie grenzt gegen Norden, mit den Samojeden, gegen Osten mit den Ostraki, gegen Westen mit Pormien und condera bis an Ußa, und den Fluss Juzawaja, gegen Süden an Barrabum, von Worchamria bis an de Fluss Oby. Sonst begreifet man auch unter den General-Namen von Sibirien, alles Land, welches von Permien, längst an dem Tartarischen oder Eis-Meer, bis an den Fluss Yamur oder Amur und an die Ost-See unter Czarischer Bothmässigkeit; also, daß darunter gehöret, die eigentlich so genannte Provintz Sibirien, das Land der Samojeden, Lucomien, Loppie, Persidia, Tinousa und Dauria, bis an der Mongolen Land. Was die Benennung dieser Landschaft anbelanget; so sind die Gelehrten deswegen nicht allerdings einig. Viele geben vor, sie sei den alten Griechen und Römern, unter den Nahmen des Asiatischen Iberiens bekannt gewesen, und habe noch heut zu Tage, den Uralten Nahmen, mit Hinzusetzung des einigen Buchstabens S. welches den Sprach-Verständigen nichts neues oder ungewohntes ist beibehalten. Andere haben noch eine größere Wahrscheinlichkeit, bei ihrer Meinung, oder gedenken sie wenigstens zu haben, wenn sie sagen, daß das Wort Sibir, welches in Sclavonischer und Russischer Sprache so viel als Norden und Mitternacht heißet, zu ihrer Benennung Gelegenheit gegeben. Doch möchten es diejenigen wohl am besten getroffen haben, welche den Name Sibirien von dem Flusse Sibir oder Sibersta, ja gar von der nun verfallenen Stadt Siber herleiten, und das Land dahero Ciberien und Sibior nennen, welches aber nicht mit dem Groß Herzogtum Siverien, sonst Czernichovien genannt, muss vermischet werden. Man sieht zwar hieraus so viel, daß unter diesen Meinungen eine immer mehr Wahrscheinlichkeit als die andere habe, dennoch aber lässet sich wohl schwerlich behaupten, ob eine oder welche von diesen die richtigste sei? Allein die Sache ist auch nicht von so großer Wichtigkeit, daß man Ursache hätte, sich lange dabey aufzuhalten. Eines wollen wir hierbei noch anmerken, welches die Meinung derjenigen ist, welche sagen, daß dis Land bey dem Plinius den Nahmen Abatimon führe. Hieraus wollen sie als denn schließen, als ob die alten Völker, so bey den Griechen Saberi, Abares, und Avares heißen, daher den Ursprung gehabt. Man könnte hierbei noch gedenken, daß einige so gar den Ursprung der Hunnen von diesen Völkern hergeleitet; wir lassen aber dieses, weil es zu unsern Haupt-Zweck nicht gehöret, an seinem Orte beruhen. Es wird die Provinz Sibirien von vielen in das Nördliche und in das Südliche eingeteilt. Wir finden aber weite keine Anweisung der Grenzen, oder Anzeige, welche kleinere Herrschaften, oder welche Städte zu dem Mitternächtig- welche zu dem Mittägigen Teile gerechnet werden; außer daß sie Somojeden zu Nord-Sibirien, und die Wüsten Stop zu Süd-Sibirien, zählen. Viele von den Geographis und andere gelehrte Leute, sind in der ungegründeten Meinung gestanden, daß dieses weitläufige Land ein besonderes Reich ausmache und einen einigen Ober-Herrn untertänig sei, welches sich aber ganz anders gezeigt, da die große Czaarische Entdeckung jener Ländereien und nun mehro gesicherte Nachrichten gegeben, daß das Land viele kleine Könige gehabt, deren keiner von dem andern dependirt; und ein jeder mit etliche 1000 Mann zu Felde ziehen können auf die Art, wie die Amerikanischen Könige und Königreiche in denen Reise-Büchern uns beschrieben werden. Wie denn noch jetzt die hieselbst teils unter Chinesischen Schutz lebende Tartaren in unzählige Horden, deren jede unter ihren Chan oder Taiso stehet geteilt sind. Der Name Sibirien ist inzwischen weder in den ältern noch mittlern Zeiten sehr Bekannt gewesen. Denn wenn man die in Lateinischer Sprache zusammen gedruckte Scribenten von Moskau und andere dergleichen ältere Bücher aufschlägt und durchblättert; so wird man denselben kaum etliche mahl, und darnebst gar magere Nachrichten von dem Lande antreffen. Die Ursache ist eben, weil dis große Land den Moscowitern selbst noch nicht bekannt war, und niemand sich dahin zu reisen getrauet. Paulus Venerus, der um das Jahr 1272 in die Tartarische Dienste getreten, und etliche Jahre darinnen gedauret, meldet hiervon einige Umstände, welches er aber vermutlich nur aus den Erzählungen anderer geschöpft, weil er das Land niemals selbsten durchreiset. Er nennet zwar dasselbe nirgends mit Nahmen doch kann man aus seinen Beschreibungen deutlich abnehmen, daß er nichts anders als Sibirien meine. Was die Entdeckung des Landes anbelangt, so giebt es davon wieder nicht einerlei Meinungen. Einige schreiben sie den Kosaken zu, welche um den Dnieper sich niedergelassen. Andere wollen sie einem reichen Manne, mit Nahmen Anica beimessen, aber von Osoyia oder Soil einer Stadt am Fluss Visogda gelegen, gebürtig gewesen, und mit den Samojeden starke Handlung getrieben, Allerneuest. Staat von Sibirien. Noch andere sagen, es habe zur Einnehmung desselben ein großer Räuber Jeremak Amiofeirwitz zu Zeit der Regierung des Groß-Herrns Czar Iwan Basilowitz Gelegenheit gegeben. Brands Chines. Reise. Dem sei nun wie ihm wolle, so ist zum wenigsten so viel gewiss, daß die Sibirier sich nicht durch Waffen gezwungen, sondern mit guten Willen unter des Czaren Bothmäßigkeit begeben, unter welche sie sich auch noch bis auf den heutigen Tag befinden. Die Landschaft wird mithin auch, wie alle andere Russische Staaten durch einen Vice-Re oder Gouverneur regiert, unter welchen alle Woywoden und Commendanten der übrigen Städte von Sibirien, Daurien und des ganzen neu-entdeckten bis an die Tartarische Eiß-See stehen. Dieser dammlet von allen Städten die jährliche Schatzung an Zobeln, und andere; welche so denn ferner unter einer starken Eskorte nach Moskau in die Siberische Cantzeley geliefert worden. Diese wichtige Stelle wird gemeiniglich einem von dem geheimden Räthen, und den reichsten Familien in Moskau anvertrauet, in der Absicht, weil diese ohndem schon Geld und Gut haben, so werden sie desto getreuer sein, und nach fremden Mitteln nicht so leichte streben. Das größte Einkommen aus diesem Lande bestehet in den Tribut von allem Peltzwerk, als Zobeln, Mardern, roten und weißen Füchsen, Hermelinen, Bibern, u.a.m. Ehedem war ein jeder von denen unter Sr. Czarischen Majestät stehenden Heyden, bis in das zehnte Jahr frei. In dem zehnten Jahre musste er zwei, im 11ten, drei und so weiter bis in das zwanzigste Jahr, jährlich einen mehr liefern: so denn blieb es bey 12 Zobeln bis in das 50. Jahr; und nahm die Zahl also auch jährlich wieder ab. Weiter findet man, daß alle gefangene Zobel, den Zöllner vorgelegt werden, welcher den zwanzigsten als des Czars Anteil und Zinse nimmt. Die Kaufleute müssen gleichfalls dem Czar an statt des Zolls von zehn Zobeln einen heraus geben. Diese alle müssen in die Cantzeley geliefert werden, und machet der Groß-Schatzmeister den Preis; welcher auch den Offizieren einige an Bezahlungs-Statt über lässt. Der bequemste Fang des Zobel aber ist im November und Dezember bis den 18. Januar. Denn wenn die Sonne sich zu nähern beginnet, pflegen die Haare auszufallen, und werden die Zobel-Häute untaugbar. Sie werden mit abgerichteten Hunden gejagt, daß sie sich in die Gebüsche, Sträucher oder bedeckte Hölzer verkriechen, alsdenn wird ein Netz herum gespannt, und werden also gefangen, und mit Knütteln totgeschlagen. Wofern sie sich aber auf die hin und wieder stehende Bäume begeben, werden sie von den Jägern mit stumpfen Bolzen und Pfeilen herunter geschossen. Und auf solche Weise soll Sibirien jährlich bey 200,000 Rubeln eintragen; welche Summe leichte noch könnte vermehrt werden, wenn das Land nicht so weit von Moskau entlegen wäre. Es ist zu verschiedenen Malen der Cantzeley gedacht worden, weil nur diese zu des Landes Umständen etwas beiträgt; so wollen wir hiervon kürzlich einige Nachricht geben. Man nennt diese insgemein die Sibirische Cantzeley oder Sibirskoi Pricas, und befindet sich in Moskau. Es werden daselbst alle Sachen, so zu diesem Lande gehören, verhört und abgetan; absonderlich wird darinne die Einnahme und Ausgabe der Peltzwerk-Rechnung geführt. Der Vorderste in diesem Collegio ist der Cantzler, welcher keine Besoldung hat, sondern er muss selbst dem Czar jährlich 1000 Rubeln zahlen. Hergegen dependieren alle Woywoden von Sibirien bloß einzig und alleine von ihm, die er nach seinem Belieben einsetzet, und also hierdurch sich schon wieder erholen kann. Das Gebirge, welches Sibirien gleichsam als mit einem Gürtel umzingelt, ist eines von den größten in allen Teilen der Welt. Es ist so beschaffen, daß von Moskau aus dahinein nur ein einiger Pass offen bleibet, woselbst der Czar jederzeit eine starke Wache hält, damit niemand aus Russland in Sibirien, noch aus Sibirien zurück in Russland ohne Bewilligung gelangen möge. Man nennet dis steinigte Gebirge mit einem General Nahmen Pojas oder Bojas das ist Welt-Rucke und Semina Camenoi, oder Gürtel der Erden. Es hebet sich von dem Mitternächtigten Eis-Meer an, und teilet Russland von Sibirien, auch Casan und Astracan, erstrecket sich bis in Mongalen, und an Chataja; auch reichet es fast bis an das mittägige Meer hinein und scheidet die Calmucken. Vermutlich sind es die Montes Riphæi der alten. Die benachbarten teilen dieses Gebirge in drei Teile. Zwo Tagreisen wird es genennet Coosvinscoy Camen; hernach heißt es andere zwo Tagreisen Cirginscoy Camen; und endlich vier Tagreisen lang Podvinscoy Camen, und ist in allen bey 50 Meilen breit. Diese drei Wüsten werden mehrenteils, von wilden Tartarn und Samojeden besucht, welche daselbst allerhand Wild vor den Czaren fangen. Weil man nun den Eingang in das Gebirge nehmen muss; so muss die Reise des Winters angestellt werden. Denn des Sommers ist der Weg wegen des Morastes und der tiefen Wege sehr unbrauchbar. Was die Landes-Art betrifft, so ist die Luft in dem mitternächtigen Sibirien überaus rau und streng und von einer unbeschreiblichen Kälte, und dauert der Winter gemeiniglich 6 ganze Monden, von November nämlich bis zum Ausgang des Aprils. Die fruchtbaren Bäume sind in dieser kalten Gegend sehr selten, und man trifft weiter nichts als eine Art Nüsse an, welche um den Kreta und sonsten hie und da häufig an den Cedern wachsen. In dem September findet man auf dem Felde an vielen Orten, wo fett Erdreich ist, ganze Büsche voll schwarze und rote ziemlich große Johannes-Beere in großer Menge. Es giebt viel Honig daselbst, daß wohl kein Land in der Welt gefunden wird, wo viel Bienen in den großen wilden Wäldern ohne einige Pflegung gezeugt werden, indem ganze Bäume davon voll liegen. Es möchte zwar diese vielen wunderbar scheinen, wie solches in einem so kalten Lande möglich sein könne. Allein es ist zu wissen, daß bey annahenden Frühling, im Lande eine gar geschwinde Veränderung geschehe, und Schnee und Eis in kurzen zerfließen und vergehen, die Wälder alsbald ausschlagen die Saaten grünen, und die Blumen hervorkommen. Hierzu kommt, daß der Boden voller Salpeter und nitresen Teilen ist, welche das Wachstum sonderlich beförden. Nebst dem Honig und Wachs giebt das Land vielerlei Kaufmanns-Waren an allerhand köstlichen Peltzwerk, Bisem, Juchten, Pot-Asch, Marien-Glas, Teer, grobe Leinwand, Hanf, Bibergeil, Caviar, getrengten Fischen u.s.f. welches alles nach Archangel verführet, und sonsten die Handlung aus den meisten Sibirischen Städten bis nach China getrieben wird. Unter den Kräutern, welche in Sibirien wachsen, ist das wunderbarste das Rosa Trava oder Sichel-Kraut, welches das Eisen zerbrechen soll. Die Wurtzel Voltschneykoren, oder Wolffs-Wurtz, soll die Krafft haben, Wunden zu heilen u.s.f. In dem Mittägigen Sibirien liegt der Step, eine Wüsten 6 bis 700 Werste lang, in welcher wenig Flüsse sind, wovon ein mehrers an seinem Ort. Die Haupt-Stadt in ganz Sibirien ist Tobolsko, von dem dabey fliessenden Fluss Tobel also genannt, 3000 Werste oder 600 Meilen von Moskau gelegen, ist ein ziemlich großer befriffener Ort, liegt auf einem sehr hohen Berge, und hat ein schön großes steinernes Kloster, so mit einer hohen steinernen Mauer umgeben, und mit hohen Wacht-Türmen versehen ist, dahero es auch statt einer Festung dienen kann, unten an dem Fluss Irtis, und neben der Stadt wohnen viele Mahometanische und Buchanische Tatarn, welche auf besagten Flusse großen Handel treiben, so gar, daß sie durch das Calmucker-Land bis in China hinein handeln. Wenn es in den Calmuckischen Oertern sicher zu reisen ist, so ist dieser Weg über die Jamuschowa Osera oder Zamuser Meer, so ein stehender See ist, der allernächste, den man auf China nehmen könnte. Tobolsko ist die Haupt- und größte Handels-Stadt in Sibirien, derer ihr Gebiete sich ausstrecket gegen Süden über Barrabum von Merchatura bis an den Fluss Oby, gegen Osten hat es Samojedia, gegen Norden erstrecket es sich an Ostiaky, und gegen Western is an Ussa und dem Fluss Susowaja. Was sonst die Handlung dieses Orts betrifft, so bestehet selbige meistenteils in Peltzwerck. als Zobeln, Hermelin, Bären, Wölfen, Füchsen und Grau-Werk etc. wovon an seinem Ort mit mehrern. Sonsten hat Sibirien überaus viele Flüsse, unter welchen der vornehmste der Oby, den man insgemein für den alten Carambucis hält, und welcher viele Inseln hat, die mit Bäumen und Büschen bewachsen. Er nimmt seinen Anfang in der See Kitai gegen Sud-West, lauft durch der Calmucken Land, durch das Reich Altin, Sibirien, Ostockien, Obdorien und Lucomorien. Seine Breite ist an etlichen Orten eine Meile, an andern eine halbe Meile, und ergießt sich in Somojedien, mit etlichen Armen aber in die Tartarische See, gibt auch vortreffl. schöne Fische als Belugen, Weiß-Fische, Störletten, Störe etc. Weiter sind in diesem Lande von Flüssen merkwürdig der Itis, Yrtis, Irtisch, Artoys, oder Nittisch, der Tobel, der Fluss Tabda, der Turg, der Wah oder Wagga, der Keta-Strohm, der Cham oder Kama u.a. von welchen alle am gehörigen Ort. Die Städte in Sibirien sind Merchatur, Japaentzschin, Tumeen, Tobol, Narim, Tomskoy, Kosnetzi, Kranojer, Ker, Jenozeiskoy, Ilim, Mongascy, etc. welche alle sehr volkreich. Überdies gibt es auch in Sibirien solch gut Korn-Land, daß die Einwohner nicht nötig haben, das Land zu düngen. Das Korn ist allda so wohlfeil, daß man hundert deutsche Pfund vor sechzehn Copeck, das ist so viel, als einen Marck Lübisch kaufen kann; desgleichen einen Ochsen vor zwey bis drittehalb Reichsthaler, ein ziemlich groß Schwein vor zwey bis 3 Marck Lübisch. Man hat allda eine große Menge von allerhand Wildpret, als Elend, Hirsche, Rehe, Haasen etc. wie auch Feder-Wildpret, als Fasane, Rebhühner, Schwanen, wilde Gänse, etc. welches alles sehr wohlfeil ist. Der Fluss Irtis ist so fischreich, daß man einem Stör von vierzig bis sechzig Pfunden vor sechs bis zwölf Copeck, so sechs bis zwölf Schilling Lübisch, kaufen kan. In der Stadt Tobol ist eine große Besatzung, welche aus wohl bewaffneten Soldaten bestehet, welche, so bald von Sr. Czaarischen Majestät Ordre kommt, über neun tausend Mann ins Feld stellen kann, über dieses sind auch daselbsten einige tausend Tartaren, welche Ihrer Czaarischen Majestät alle zu Pferde auf einem Notfall dienen. In dieser Haupt-Stadt hält sich auf der Metropolitanus, oder Ober-Kirchen-Voigt, welcher aus Moskau dahin gesendet wird, und in ganz Sibirien und Daurien das geistliche Ober-Haupt ist. Sibirien ist allenthalben mit Tartarischen Völkern umgeben, unter welchen die vornehmsten sind die Calmucken, Kerrgiesen und Mongalen, diese reichen von Sibirien bis Mongalen, die Kerrgiesen-Tartarn halten sich in den Wüsteneyen bey der Stadt Krasnojar auf, und thun den Russen großen Schaden. Denn dieses Volk ist sehr räuberisch, und treiben öfters denen Russen das Vieh weg, nehmen auch zu unterschiedenen mahlen einige Menschen mit; dahingegen bekommen sie auch öfters blutige Streiche wieder von denen Russen. Die rechten Heydnischen Nationen aber, so an Sibirien stoßen, sind Tunguskoy, Buratzkoy, Ostiakoy, Barrabinsii, Samojedy, und viel andere mehr, welche alle ihre besondere Fürsten und Religion haben. Dieser Strichs Landes insbesonder, welchen sie bewohnen, heißt sonst auch das Asiatische Sibirien, Lat. Siberia Asiatica, dessen Einwohner fast eben so ein zusammen gelaufenes Gesindel als die Kosaken in Europa sind, und welchen man gemeiniglich den Nahmen der Ostiacken beileget. Die alten Sibirier gehen mit Zauberei um, und treiben große Abgötterei; die Russen unter ihnen sind ziemlich stark, wiewohl die Tartaren und Armenier den größten Theil ausmachen. Das Land Sibirien an sich selbst ist reich an Mineralien und Metallen, insonderheit an Kupfer und Eisen. Das Kupfer wird an vielen Orten in schönen Handsteinen gefunden, so die Natur zu Tage austreibt: weil aber noch keine Anstalt zu ordentl. Bereit- und Einrichtung der Bergwerke gemacht ist, haben die Einwohner auch noch zur Zeit wenig Nutzen davon; Eisen aber, wie auch Stahl, hat man hier zur Genüge von ziemlicher Güte, es sind auch hin und wieder gute Anzeigungen von Silber-Erz. In den hohen Gebirge bey Werckaturia findet man sehr viel Kristall, das härter als an andern Orten Europä, und dem unächten Jaspis ziemlich gleich ist. Der Oby wirft allerhand saubere Steine an seine Ufer aus, worunter man klare und durchsichtige, rote und weiße Steine findet, denen Agaten nicht ungleich. Die Russen graben darein Blumen und Figuren, und fassen selbige in ihre Ringe. Unter vielen andern Merckwürdigkeiten, so leicht sonst an keinem Orte in der Welt gefunden werden, als in Sibirien allein, ist insonderheit das von denen Einwohnern so genannte Mamant, welches hier an vielen Orten in der Erden gefunden wird. Es sieht fast in allen Stücken dem Elfenbein gleich, an Farbe und Wachstum, man findet es meistens an sandigen Orten. Viele von denen Einwohnern halten es vor Elefanten-Zähne, so seit der Sintflut in der Eren gelegen. Einige meinen, es sei das bekannte Ebur fossile, und also ein Gewächs der Erden. Noch finden sich viele so vorgeben, es wären Hörner eines in denen sumpfigen Örtern und Löchern der Erden sich befindenden und lebenden sehr großen Tieres, daß im Schlamme seine Nahrung hätte, und mit diesen Hörnern den Kot und die Erde von sich wegarbeitete. Wenn es aber also unter der Erden in eine sandige Gegen käme, könnte es wegen des stetig nachschiessenden Sandes, und seiner ungeheuren Größe, sich nicht wieder umwenden, sondern es müsse also stecken bleiben, und sterben. Die Einwohner wissen davon unterschiedliche Arbeit zu machen, und ist solches in allen Stücken unserm Elfenbein gleich; nur daß es viel spröder ist, auch leicht seine weiße Farbe verändert, und gelbe wird, wann es ins Wasser, oder in die Hitze kommt. Das unvergleichliche Muscus-Tier weiset sich öfters über die Grenze Sibiriens; es soll von der Größe eines Rehs sein, und erzählet man von ihm daß unterweilen von der Brunst, aus gar zu heftiger Geilheit, ihm der Nabel springe, und das Blut häufig heraus fließe, da denn die Wälder von dem angenehmen Geruche erfüllet werden, und ist der Muscus Sack nicht ein Testicul dieses Tieres, wie der bisherige irrige Wahn gewesen, sondern sein Nabel ist eigentlich die Behältnis dieser vortrefflichen Parfume. Das ganze Land zwischen Sibirien und der Caspischen See ostwärts des Wolga Strohms wird von den Bockarkyer- Mongaler- und Kalmucker- wie auch von unterschiedenen andern besondern Horden Tartaren bewohnet, deren jede ihren a parten Aucos oder Cham haben. Viele derselben erkennen einen großen vornehmen Cham vor ihr Ober-Haupt, welcher zu Samaccand, einer an einem Arm des Oxus-Strohms gegen Morgen der Caspischen See gelegenen Stadt, seine Residenz hat, und sein Geschlechte, wie man sagt, von dem großen Tamerlan herführet. Etliche von diesen Tartaren, sonderlich die Calmucken, erkennen den Czaar vor ihren Schutz-Herrn; andere aber leben nur in guter Freundschaft mit denen Russen, und kommen alle Jahre an die Ost-Seite der Wolga, mit denen Czaarischen Unterthanen zu handeln. Sie sind alle von einer Religion, die nicht viel von der Mahometanischen unterschieden ist, nur das sie Pferde-Fleisch und andere ihrem Geschmack wohlbehagende Kreaturen essen, welche die Türken und Crimmische Tartaren vor verbotene Speise halten. Alle Nachrichten stimmen darinnen überein, daß es in diesem Lande von dem Wolga-Strohm an, bis zu der Chinesischen Mauer sehr viele ebene Felder und Wälder, wie auch Seen und Flüsse habe, deren einige, gegen die Caspische See, und andere gegen das Tartarische Meer, laufen, mithin den meisten Theil des Landes fruchtbar und ziemlich angenehm machen. Sonst ist Sibirien als ein Land bekannt, wohin Russland die vornehmsten Staats-Gefangenen zu schicken gewohnt ist, welche entweder Unruhe im Lande angestiftet, oder sonst in des Czaaren Ungnade gefallen sind. Und zu einem dergleichen Gefängnis scheinet die Natur gleichsam selbst dis Land ausgesetzt zu haben, indem Sibirien, durch das große Gebirge von Moskau abgesondert, so daß wie bereits gedacht worden, nur ein einiger Pass dahin offen, welchen Sr. Czaarische Majestät jederzeit mit einer starken Wache besetzen lassen. Es war diese Strafe weiland so arg als wenn einer auf die Galeeren versendet wird, indem sie allda 2 3, 6, 10 mehr oder weniger Jahre, nachdem das Verbrechen war, verbleiben und der Zobel Jagd mit höchster Beschwernis obliegen mussten. Sie sind gehalten, täglich eine gewisse Anzahl zu liefern, oder die bekommen die Knut-Peitsche. Was ein solcher über seine auferlegte Zahl fället, mag er frei verkaufen. Die Delinquenten werden nicht gleich, sondern etliche leidlich, etliche sehr scharf, nachdem das Verbrechen ist, gehalten. Und man hat Exempel einiger der Verschickten, welche, ob sie schon die Erlaubnis erhalten, nach Moskau wieder zurück zukehren, lieber daselbst verbleiben, ihre Familien zu sich kommen lassen, und ihren beständigen Wohn-Platz allda nehmen wollen. Denn etliche sind nur auf eine gewisse Zeit, etliche hingegen auf Lebenslang dahin verbannet. Das Königreich hat sonst auch sein eigenes Wappen, welches der Czaar auf den linken Flügel des Russischen Reichs-Adlers setzen lassen. Es bestehet dasselbe in zween silbernen Wölfen, die eine güldene Crone halten im blauen Felde; unten sind nebst einem güldenen Bogen zween silberne Creutzweis liegende Pfeile. Brands Chines. Reisen Martiniere Nouveau Voyage Vers la Septentrion. Sandratts Moscovien, Olearii Moscowit Reise-Beschreib. Allerneuester Staat von Sibirien. Das veränderte Russland, I. II. Th. Czaar Peter Alexiewitz hat im Anfang des achzehenden Jahrhunderts solches Land sehr mit Städten und Dörfern anzubauen angefangen, sonderlich durch die gefangenen Schweden. Die Einwohner reden die Ungarische Sprache, welches viele auf die Gedancken gebracht, daß die alten Ungarn aus dieser Gegend hergekommen. Sonst hat uns Herr Nicolaus Vitsen, Bürgermeister zu Amsterdam in seinem Noord-en Ostergedeelte van Asia en Europa, wie von andern nördlichen Ländern, also auch von diesem Sibirien eine gründliche und ausführliche Beschreibung geliefert. Es ist in den neuern Zeiten in diesem Lande durch die Schwedischen Gefangenen hin und wieder viel Gutes angerichtet, indem sie zu Erbauung verschiedener Evangelischer Schulen Anlass gegeben. Diese wurden meistens nach der unglücklichen Schlacht bey Pultava dahin geschickt, und mussten bis auf den Nordischen Frieden 1710 daselbst ausdauern, Verändertes Russland.