Schweden

Mit 16 Farbreproduktionen nach Bildern von schwedischen Meistern
Autor: Lagerlöf, Heidenstamm, Laurin, Grimberg, Tegner, Fröding, Erscheinungsjahr: 1917
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schweden, Geschichte, Landeskunde, Landesteile, Feldzüge, Landschaften, Sitten und Gebräuche, Könige, Feldherren, Schlachten, Bündnisse
Beiträge von

Lagerlöf, Selma (1858-1940) schwedische Schriftstellerin
Heidenstam, Verner von (1859-1940) schwedischer Dichter und Nobelpreisträger
Laurin, Carl Gustav (1868-1940) schwedischer Kunsthistoriker, Pädagoge und Schriftsteller
Grimberg, Carl (1875-1941) schwedischer Historiker, Autor und Publizist

Gedichte von

Tegner, Esaias (1782-1840) schwedischer Dichter
Fröding, Gustaf (1860-1911) schwedischer Schriftsteller, Journalist und Dichter

Der Reingewinn der verkauften Exemplare fällt kriegsinvaliden deutschen Gefangenen zu, die Schweden passieren.

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            Lappland-Schonen. von Selma Lagerlöf.

Dieses Buch, das Kriegsgefangenen, die freigelassen worden sind und sich auf der Heimreise nach ihrem eigenen Lande befinden, in dem Augenblicke überreicht werden soll, wo sie schwedischen Boden betreten, weiß, dass es ihm schwer fallen wird, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Es versteht, dass Soldaten, die Monate, ja vielleicht Jahre lang in Gefangenschaft gelebt haben, jetzt, wo sie über die Grenze in ein neutrales Land gekommen sind und andere Farben in den Flaggen und Wimpeln, andere Uniformen an dem Eisenbahnpersonal sehen, als die, die sie in der letzten Zeit gewohnt waren, an anderes zu denken haben, als ein Reisebuch aufzuschlagen.

Wahrscheinlich haben sie sich ja bis zum letzten Augenblick nicht sicher gefühlt, dass es wirklich nach der Heimat geht. So lange sie die russischen Grenzpfähle nicht hinter sich hatten, waren sie noch Gefangene, und es hätte ja eine Weisung kommen können, die dem einen oder anderen von ihnen die Genehmigung zur Reise versagte. Oder es hätte ja auch geschehen können, dass der ganze Invalidenzug aus diesem oder jenem Grunde hätte angehalten und zurückgesandt werden können. Bisher hatten sie noch nicht gewagt, ihre Hoffnungen die Schwingen zum Fluge regen zu lassen, aus Furcht, sie wieder aufgeben und in den Ranzen stecken zu müssen. Aber jetzt, nachdem sie in ein anderes Land gekommen sind, wissen sie, dass sie frei sind, dass sie Freiheitsgedanken denken können. Nichts kann sie mehr daran hindern, zu denen zurückzukehren, welche die langen, kummervollen Tage auf sie gewartet haben. Jetzt wissen sie, dass in einigen Tagen ihre eigene Sprache in ihren Ohren tönen wird, dass Landsleute kommen und ihnen die Hände drücken und ihnen schöne Worte sagen werden, ihnen, die sich für ihr Vaterland geopfert haben. Nun müssen sie auch daran zu denken beginnen, wie sich ihr künftiges Leben gestalten soll. Doch darüber machen sie sich augenblicklich nicht viel Kummer. Jetzt ist die Hauptsache die, dass sie wirklich auf dem Heimwege sind. Sind sie erst so weit gekommen, dann wird schon alles andere gut werden.

Kommt nun aber jemand und drückt ihnen ein Büchlein in die Hand über das Land, das sie durchreisen sollen, so schieben sie es wohl zur Seite und sagen, sie können nicht mitfolgen mit dem, was es ihnen zu sagen hat. Sie wollen jetzt nur mit geschlossenen Augen stillsitzen und daran denken, dass sie bald den alten wohlbekannten Kirchturm über dem Heimatdorfe emporragen sehen, oder bald das Geplätscher des großen Flusses in den Sommernächten hören werden. Das Land, das sie jetzt durchreisen, ist nur der Weg, den sie zu wandern haben, um nach Hause zu kommen. Allein was geht sie der Weg an, was kümmert sie die Landschaft außerhalb des Fensters des Eisenbahnabteils? An so etwas denkt man auf anderen Reisen, nicht auf dieser.

Was bekümmert es sie, dass die kleine Stadt, die sie erblickten, als sie auf schwedischen Boden kamen, Haparanda heißt, dass sie etwas über eintausend Einwohner hat, dass sie die nördlichste Stadt Schwedens ist, dass sie ein einladendes und wohlhabendes Aussehen hat? Was kann hierin von dem geringsten Interesse sein für die, die nur die einzige Sehnsucht kennen, bald wieder zu Hause zu sein?

Wären die Reisenden auf der Fahrt an etwas Aufsehenerweckendem oder Merkwürdigem vorübergeführt worden, so wäre es ja möglich gewesen, dass sie sich an das Buch gewendet hätten um Aufschluss darüber zu bekommen, was hier zu sehen war. Aber die Bahn geht vorwärts durch Wald und Wald und wieder Wald. So ist es hier oben, und das Buch weiß, dass es während des größten Teils der Reise so verbleiben wird. Es ist, als hätten die Ingenieure, die die Längsbahn durch Schweden gebaut haben, sich in den Sinn gesetzt, sie in einem Waldtunnel zu verbergen.

Es hätte ja sein können, dass die Längsbahn ein Stückchen weiter nach Osten verlegt worden wäre. Dann wäre sie in das offene Küstenland mit den altertümlichen Höfen, den aufblühenden Städten, den großen Sägemühlen und den inselreichen Scheren heruntergekommen. Oder sie hätte weit nach Westen die Strecke entlang gezogen sein können, wo die großen Flüsse in wildem Fall von den Bergen herunterstürzen, oder sie hätte sich, noch weiter westwärts, zwischen den großen Seen dahinschlängeln können. Was gibt es in der ganzen Welt schöneres, als ein Lappmarksee, der mit seinem durchsichtigen Wasser unbeweglich daliegt und die feierlichen Gebirgsketten und Schneeberge abspiegelt, die sich um ihn auftürmen ? Oder was gibt es, das stärker die Aufmerksamkeit fesselt, als die großen Wasserfälle? Die Menschen können sich ja von einem solchen Anblick gar nicht trennen.

Was nützt es aber, über etwas zu klagen, was doch nicht zu ändern ist? Das Büchlein kann vielleicht doch einen Leser finden.

Möglich ist, dass einige der Reisenden sich zu wundern anfangen, wo sie sich denn eigentlich befinden, ob denn die Reise niemals ein Ende nimmt, ob sie noch viele Tage sich zu sehnen brauchen, bevor sie das Meer sehen, das sie hinübertragen soll in das Vaterland, und um hierauf Antwort zu erhalten, greifen sie vielleicht nach dem Buche. Und um ihretwillen will dasselbe versuchen, einige Wegweiser aufzustellen, damit sie den Beweis erhalten, dass die Fahrt vorwärts schreitet. Die Reise geht wohl auch darum nicht schneller, aber die sehnsüchtigen Gedanken können Stellen finden, wo sie auf einige Augenblicke rasten können, wie die Zugvögelscharen sich unter Jubelrufen auf den bekannten, sicheren Plätzen niederlassen, wo sie seit alters auf ihren langen Reisen auszuruhen pflegen.

Vor einigen Jahren geschah es, dass drei schwedische Touristen eine Alpenbesteigung in der Schweiz vorgenommen hatten. Sie waren früh des Morgens, noch ehe der Tag angebrochen war, von dem Hotel unten in der Ebene aufgebrochen und hatten das Glück gehabt, bis zu dem schneebedeckten Berggipfel hinaufzugelangen. Dasselbe Glück begünstigte sie auf dem Abstiege. Keiner von ihnen glitt auf den glatten Abhängen aus, oder trat fehl, wenn der enge Weg dicht an den Schlünden und Abgründen vorbeiführte. Alles ging gut, sowohl oben auf dem ewigen Eise wie auf den kahlen Felshöhen, bis sie zu den breiten Nadelwäldern kamen, die dieser Berg, gleich anderen, um seine Mitte gegürtet hatte.

Nun wissen ja alle Gebirgswanderer, dass alle Schwierigkeiten und Gefahren beinahe überwunden sind, wenn man beim Abstieg von den Alpen erst bis zur Nadelwaldregion gekommen ist. Dort findet man breite, gebahnte Wege und dort findet man Menschen. Dort trifft man Hirten mit Herden, die zur Weide in die Berge getrieben werden, und Jäger, die auf dem Wege nach den Bergen sind. Die Axt des Holzhauers schlägt drinnen in den Gebüschen, und alte Frauen kommen mit ungeheuren Reisigbündeln auf dem Rücken aus dem Walddunkel geschlichen. Dort findet man beinahe die ganze Zeit über als munteren und unterhaltenden Gesellschafter einen singenden Gebirgsbach. Ja zuweilen kann man an Stellen mit geschützter Lage nach Süden und mit gutem Boden zu seinem Erstaunen einzelne Hütten oder sogar ganze Dörfer sehen. Lass es auch noch so weit bis zur Taltiefe sein, ist man bis hierher gekommen, so kann man sicher sein, dass keine Naturhindernisse sich dem Wanderer in den Weg stellen.

Alles dies wussten die Schweden auch, und deshalb ließen sie ihre Führer, die gern so schnell wie möglich ins Tal hinunter wollten, vorauseilen, so bald sie die Nadelwaldgrenze erreicht hatten. Eine Möglichkeit, sich zu verirren, war nicht vorhanden. Sie brauchten sich nur an die breite, prächtige Landstraße zu halten. Diese würde sie schon den Berg hinab bis vor die Hoteltür führen.

Allein gerade die Sicherheit und die Leichtigkeit der Wanderung benahm ihnen ihre frühere Spannkraft, denn kaum waren sie einige Schritte im Walde gegangen, da fühlten sie sich so müde, dass sie nicht wussten, wie sie im stände sein sollten, den einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es half nichts, dass es langsam bergab ging. Die Schlaffheit und Kraftlosigkeit nahm zu, und es ergriff sie ein starkes Verlangen, sich auf den Waldboden hinzuwerfen und Nächte und Tage zu schlafen, um die Müdigkeit aus dem Körper zu treiben.

Sie setzten jedenfalls ihre Wanderung fort, beklagten sich aber darüber, dass der Wald ihnen alle Aussicht benehme. Sie meinten, sie würden sich weniger müde fühlen, wenn sie frei den Berg hinauf und herab sehen und somit die Entfernung beurteilen könnten.

Ganz plötzlich rief da der eine aus: „Wenn ich den Boden und die Bäume betrachte, ist es mir, als wären wir so weit gegangen, dass wir uns ungefähr auf derselben Höhe, wie Haparanda, befinden.“

Die beiden anderen blieben stehen und sahen ihn an, außerstande zu begreifen, was er meinte.

(Fortsetzung unter Kapitel I.)

01 Unser Land. Fernsicht von Dalsland über den Venersee. Gemälde von Otto Hessenblom

01 Unser Land. Fernsicht von Dalsland über den Venersee. Gemälde von Otto Hessenblom

02 Auf der Einfahrt. Bild vom Einlauf in Stockholm. Gemälde von Prinz Eugen.

02 Auf der Einfahrt. Bild vom Einlauf in Stockholm. Gemälde von Prinz Eugen.

03 Nord-Schweden. Landkarte

03 Nord-Schweden. Landkarte

04 Süd-Schweden. Landkarte

04 Süd-Schweden. Landkarte

05 Schloss zu Stockholm. Gemälde von Prinz Eugen.

05 Schloss zu Stockholm. Gemälde von Prinz Eugen.

06 Der Mälarsee von Stockholm aus gesehen. Gemälde von Eugen Jansson.

06 Der Mälarsee von Stockholm aus gesehen. Gemälde von Eugen Jansson.

07 Osterfeuer. Am Osterabend werden in mehreren Provinzen große Feuer angezündet, eine uralte Sitte, angeblich um die Hexen von der Gegend fernzuhalten. Karl Nordström.

07 Osterfeuer. Am Osterabend werden in mehreren Provinzen große Feuer angezündet, eine uralte Sitte, angeblich um die Hexen von der Gegend fernzuhalten. Karl Nordström.

08 Sonnenaufgang an der Ostküste von Schweden. Gemälde von Bruno Liljefors.

08 Sonnenaufgang an der Ostküste von Schweden. Gemälde von Bruno Liljefors.

09 Sommernachtstanz in Dalekarlien. Der Johannisbaum wird am Vorabend vor Johanni errichtet. Gemälde von Andreas Zorn.

09 Sommernachtstanz in Dalekarlien. Der Johannisbaum wird am Vorabend vor Johanni errichtet. Gemälde von Andreas Zorn.

10 Auf dem Rückwege aus der Kirche. Bild aus Bohuslän. Gemälde von C. Wilhelmsons.

10 Auf dem Rückwege aus der Kirche. Bild aus Bohuslän. Gemälde von C. Wilhelmsons.

11 Dalekarlierin aus der Heimat des Künstlers. Gemälde von Anders Zorn.

11 Dalekarlierin aus der Heimat des Künstlers. Gemälde von Anders Zorn.

12 Märzabend. Die Nordbrücke, „Norrbro“, Stockholm. Gemälde von Niels Kreuger

12 Märzabend. Die Nordbrücke, „Norrbro“, Stockholm. Gemälde von Niels Kreuger

13 Schloss Wadstena in Ostgotland. 16tes Jahrhundert. Gemälde von Oskar Björck

13 Schloss Wadstena in Ostgotland. 16tes Jahrhundert. Gemälde von Oskar Björck

14 Krebsfang. Die Kinder des Künstlers beim Krebsfang in Dalekarlien. Aquarell von Carl Larsson.

14 Krebsfang. Die Kinder des Künstlers beim Krebsfang in Dalekarlien. Aquarell von Carl Larsson.

15 Der Verfasser Verner von Heidenstam in seiner Villa in den Stockholmer Schären. Gemälde von Oscar Björck

15 Der Verfasser Verner von Heidenstam in seiner Villa in den Stockholmer Schären. Gemälde von Oscar Björck

16 Sommerabend in Schweden. Gemälde von Carl Willhelmson

16 Sommerabend in Schweden. Gemälde von Carl Willhelmson

17 Junge Dalekarlierin von Leksand. Gemälde von Emerik Stenberg.

17 Junge Dalekarlierin von Leksand. Gemälde von Emerik Stenberg.

18 Birkenhain in Södermanland. Gemälde von Reinhold Norstedt.

18 Birkenhain in Södermanland. Gemälde von Reinhold Norstedt.