Engelbrecht und seine Dalekarlier

Im Jahre 1389 erhielten Schweden, Norwegen und Dänemark einen gemeinschaftlichen Regenten in der dänischen Königin Margarete, einer der vortrefflichsten Frauen, welche die Geschichte kennt. So lange sie lebte, hielt die Union zusammen, denn Margarete war tüchtig und ein guter Mensch.

Doch, ihr Verwandter und Nachfolger, Erich von Pommern, vernachlässigte seine Pflichten und regierte das schwedische Volk durch ausländische Vögte.


Mehrere von ihnen machten sich als grausame Bauernschinder bekannt. Am berüchtigsten war aber der Däne Jösse Eriksson, der Vogt über Westmanland und Dalekarlien. Von ihm erzählt ein alter Bericht aus dieser Zeit schreckliche Grausamkeiten. So soll er fünf Bauern in einem Rauchfang aufhängen und schwangere Frauen vor Heuwagen haben spannen lassen.

Das Glück der Dalekarlier war, dass sie einen tüchtigen Leiter erhielten in Engelbrecht Engelbrechtsson, einem angesehenen Mann aus den Bergslagen. Er übernahm es, zum König von Dänemark zu fahren, um Gerechtigkeit zu schaffen. Unverzagt trat der einfache Mann vor den Herrscher dreier Reiche und bat ihn, die Dalekarlier von ihrem grausamen Vogt zu befreien: „Ich kann mein Haupt zum Pfände dafür setzen“, sagte er, „dass die Klagen der Bauern wahr sind. Lass Jösse Eriksson hierher kommen, lass uns beide vor Gericht stellen, und hänge den, der unrecht hat!“

Der König ließ die Sache durch den schwedischen Reichsrat untersuchen. Als aber Engelbrecht wieder vor ihn trat mit einem Zeugnis, dass die Klage der Dalekarlier gerecht gewesen sei, wurde Erich zornig und brach aus: „Du klagst doch immer! Geh' deiner Wege und komm' mir nie wieder vor die Augen!“ Engelbrecht ging — murmelte aber halblaut: „Einmal werde ich schon wiederkommen.“

Nun beschlossen die Dalekarlier, sich mit Waffengewalt die Gerechtigkeit zu schaffen, die ihr König ihnen verweigert hatte. Zu Johanni 1434 sammelten sich alle, mit Äxten und Bogen bewaffnet, und zum Hauptmann wählten sie Engelbrecht Engelbrechtsson.

Fest entschlossen waren sie, nicht nur Dalekarhen, sondern das ganze Reich von den fremden Unterdrückern zu befreien.

Der Rachezug ging von Vögteburg zu Vögteburg; diese wurden zerstört und ihre Herren vertrieben. In 4 Monaten war das ganze Reich gereinigt und Erich abgesetzt. Es geht die Sage, dass in diesem Befreiungskrieg kein Bauer auch nur den Wert eines Huhnes verloren habe. Eine so gute Ordnung herrschte in den gewaltigen Bauernheeren.

Auf einem Reichstag, der 1435 in Arboga zusammentrat, setzten die Bauern einen Beschluss durch, dass Engelbrecht Schweden als Reichsvorsteher regieren solle. Aber der einfache Volkshäuptling hatte unter den großen Herren mehrere Neider, und seine segensreiche Laufbahn sollte ein schnelles Ende nehmen.

Die Anstrengungen während des Befreiungskrieges hatten ihm eine Krankheit zugezogen, so dass er auf Krücken gehen musste. Aber nichts konnte ihn hindern, seine Pflichten als Regent Schwedens zu erfüllen. Im Frühjahr 1436 wollte er von Örebro nach Stockholm fahren, um mit dem Reichsrat zu überlegen. In Gesellschaft seiner Frau und seiner Diener fuhr er in einem Boot über den See Hjälmaren. Gegen Abend landete er an einer Insel, die zum Schlosse Göksholm gehörte. Der Gutsbesitzer, Reichsrat Benkt Stensson Natt och Dag, war mit Engelbrecht in Streit geraten, hatte sich aber kurz vorher mit ihm versöhnt.

Engelbrecht macht ein Feuer an, um sich zu erwärmen und die Nacht zuzubringen. Da nähert sich ein Boot vom Schlosse. Engelbrecht sagt da zu den Seinen: „Nun werdet Ihr sehen, dass Herr Benkt mir seine Freundschaft zeigen und mich auf sein Schloss laden will.“ Und so wankt er, auf seine Krücken gestützt, zum Ufer, um den besten Landungsplatz zu zeigen.

Aus dem Boot aber springt Magnus, der unbändige Sohn des Herrn Benkt, mit hocherhobener Axt. Er stürzt sich auf den wehrlosen Mann am Ufer mit dem Ausrufe: „Soll man denn im schwedischen Land niemals Ruhe vor dir haben!“ und spaltet ihm den Kopf. Hierauf befiehlt der Mörder seinen Mannen, die Frau und die Diener Engelbrechts zu fesseln, und führt sie in Ketten nach Göksholm. Als die Bauern in der Gegend aber von der Tat hörten, die an dem späten Frühlingsabend draußen auf der Insel geschehen war, ruderten sie dorthin und trugen den Leichnam ihres geliebten Häuptlings unter Tränen zu Grabe. In der Wut der Verzweiflung stürmte eine Bauernschar das Schloss Göksholm, vermochte aber nichts gegen den festen Turm auszurichten, nur die Holzgebäude des Hofes wurden in Brand gesteckt.

Eine edlere Gestalt, als die Engelbrechts, „des kleinen Mannes“, haben die schwedischen Annalen nicht aufzuweisen. „Nicht aus Übermut oder aus Herrschsucht hatte er die Fehde begonnen“, sagt ein gleichzeitiger lübischer Chronist, „sondern aus innigem Mitleid mit dem bedrängten Volk. Er setzte das allgemeine Beste vor seinen eigenen Vorteil, als er die tapferen Schweden zu diesem heiligen Krieg gegen diejenigen rief, die die Gerechtigkeit hassten.“

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Andere dänische Könige machten Versuche, sich Schweden zu unterwerfen. Sie wurden aber mit Kraft von dem schwedischen Volk zurückgeschlagen, das als Führer hintereinander drei Freiheitshelden erhielt aus dem Geschlechte der Sturen, auch sie biedere, herzensgute Naturen. Noch lange lebte bei den Bauern die Erinnerung daran, wie die Reichsvorsteher die Hütten der Bauern zu besuchen pflegten, Mann, Frau und Kinder mit kräftigem Handschlag grüßten, mit ihnen an einem Tische speisten und sich unter heiterem Gespräch erkundigten, wie es ihnen ging und welche ihre Wünsche waren.

Die gemeinsame Gefahr einigte unter der Führung Engelbrechts und der Sturen das schwedische Volk zur Arbeit für das gemeinsame Vaterland. Durch ihre Teilnahme an diesem Freiheitskampf rettete sich auch die schwedische Landbevölkerung die kostbare Freiheit der Person und des Eigentums. Auf den dänischen Inseln wurden die Bauern der Leibeigenschaft unterworfen. Dank Engelbrecht und den Sturen ist das schwedische Volk eines der wenigen, deren Bauern niemals leibeigen gewesen sind. Seit der Zeit Engelbrechts ist der schwedische Bauer eine Macht gewesen bei der Entscheidung in Reichsangelegenheiten und hat an den Reichstagen teilgenommen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schweden