Die Zeit der Parteien

Schwer waren die Lasten, die das schwedische Volk während des großen nordischen Krieges tragen musste. Schon 1717 berichtet der Landeshauptmann in Dalekarlien von einem Besuch in Ost-Dalekarlien, dass er in den Bauernhöfen mit eigenen Augen „ein großes Elend“ gesehen habe: die Möbel waren nur einige Pfennige wert; das Maisch- und Kleiebrot, das unter der Decke hing, war „allzu schrecklich zu sehen, und“, fügt er hinzu, „es ist bewundernswert, wie ein Mensch damit sein Leben fristen kann.“ Die Liegeplätze bestanden aus bloßem Stroh und glichen mehr Pferdestreu als Betten. Von den Bewohnern West-Dalekarliens sagt er nur, sie seien noch ärmer und elender.

Ein Regimentschef, dessen Mannschaft in Westmanland einquartiert war, teilt mit, dass die Soldaten infolge des dort herrschenden Mangels und der Armut der Bevölkerung so durch Hunger zerstört seien, dass sie „ganz schwarz im Gesicht, ihre Körper zusammengekrümmt seien, so dass ihr Hungerelend gar nicht zu beschreiben sei“.


Der Landeshauptmann des Länes Kalmar berichtet im Jahre 1718 der Regierung, die Bewohner des Länes „haben, um die Steuern bezahlen zu können, so viel verkaufen müssen, dass sie zum größeren Teil nichts zum Säen oder Essen haben“. Ähnliche Berichte haben beinahe alle Landeshauptleute eingereicht.

Beim Tode Karls XII. betrug die Zahl der brachliegenden Höfe in so reichen Gegenden wie in Schonen nahezu 1.000, in dem armen Österbotten in Finnland betrug sie nahezu 2.000. Die Not war an gewissen Orten so groß, dass die Regierung hungernden Kirchspielen die Erlaubnis erteilen musste, Rinde aus den Forsten zu holen, um den Hunger zu stillen. Der Nachwelt ist es beinahe unfassbar, wie ein kleines Volk, wie das damalige schwedische, alle Leiden während des langen Krieges ertragen konnte, ohne unterzugehen.

Kaum weniger merkwürdig ist aber, wie schnell dieses Volk wieder zu neuem Lebensmut und neuer Arbeitslust erwachte. Besonders in der Industrie entwickelte sich bald ein Leben und eine Unternehmungslust, wie man es ähnlich im schwedischen Lande noch niemals gesehen hatte. Zu jener Zeit lebten auch mehrere große Gelehrte und Verfasser, unter den ersteren der Blumenkönig Karl von Linné und Olof Celsius, dessen Name u. a. im Zusammenhang mit dem 100-gradigen Thermometer bekannt ist.

Diese Zeit hatte aber auch ihre Schattenseiten, und diese lagen in der Art der Staatsverfassung.

Die Kriege Karls XII. endeten damit, dass Schweden Ingermanland, Estland und Livland, Südost-Finnland und beinahe alle seine deutschen Besitzungen an die Feinde abtreten musste. Mit seiner Großmachtszeit war es zu Ende. Alles, was das Land hatte erleiden müssen, war nach der Ansicht der Leute daher gekommen, weil der König eine zu große Macht besessen hatte. Man dachte nicht daran, dass der Krieg mit seinen Leiden dennoch gekommen wäre, sondern glaubte allen solchen Gefahren für die Zukunft dadurch vorbeugen zu können, dass man dem Könige beinahe alle Macht abnahm und sie statt dessen dem Reichstage gab. Der König musste versprechen, „immer der Meinung der machtbesitzenden Stände des Reiches beizutreten“. Ja es ging schließlich so weit, dass die Stände beschlossen, man solle, wenn der König sich weigere, solche Regierungsbeschlüsse zu unterschreiben, die er nicht billigte, ohne weiteres seinen Namen mit einem Namenstempel unter dieselben drucken.

Es war gefährlich, dass so viele Willen bestimmen sollten, wie regiert werden solle. Die Stände zersplitterten sich in Parteien, die um die Macht kämpften. Mit Verfolgungen, Bestechungen und anderen kleinlichen Mitteln suchten sie einander zu schaden. Eine Kriegspartei bildete sich, die das Land in unglückliche Kriege verwickelte. Und eine noch größere Gefahr drohte, da Russland, Preußen und Dänemark ein geheimes Bündnis schlossen, Schweden in seinem Schwächezustand zu erhalten, um es seiner Zeit zu zerstückeln.

Da wurde Schweden durch eine Staatsumwälzung des jungen Königs Gustav III. gerettet, der dann durch einen Krieg mit Russland dem Einflüsse Russlands in Schweden ein Ende machte. Aber unter den Politikern der Freiheitszeiten, die durch Gustav der Macht beraubt worden waren, gärte es fortwährend, und unter den Männern der extremen Partei entstand eine Verschwörung, den König ums Leben zu bringen. Auf einem Opernmaskenball wurde Gustav 1792 von der tödlichen Kugel eines der Verschwörer getroffen.

Gustav III. war ungewöhnlich stark literarisch und künstlerisch interessiert, und seine Regierung bildete das goldene Zeitalter der schwedischen Literatur. Der größte Dichtername aus dieser Zeit ist Bellman, der in unsterblichen Gesängen das heitere Stockholmer Leben in den Wirtshäusern und Kneipen und im Schosse der Natur besungen hat. Keiner hat es verstanden, die anmutige Stockholmer Natur, besonders im Frühlingserwachen, so zu schildern, wie er.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schweden