Der Befreiungskrieg Gustav Wasas

Die schwerste Probe für die Freiheitsliebe und Eintracht des schwedischen Volkes hatte es aber noch zu bestehen. Dem dänischen König Christian dem Tyrannen gelang es endlich, Schweden mit Waffenmacht und List in seine Gewalt zu bekommen. „Nun“, dachte er, „will ich die starrköpfigen Schweden beugen, sie so beugen, dass sie niemals wieder sich zu empören vermögen.“ Er hegte den grausamen Plan, alle hervorragenden Männer des Landes hinzurichten, alle auszurotten, die eine Empörung gegen ihn anzetteln konnten. So ließ er am 8. November 1520 auf dem Großen Markt in Stockholm über 80 vornehme Schweden enthaupten. Diese schreckliche Tat erhielt den Namen Stockholmer Blutbad. Das Blutvergießen wurde in anderen Teilen des Landes fortgesetzt. „Überall war Seufzen, Mord und Tod“, schreibt ein zeitgenössischer Schwede.

Schreckenerfüllt, betäubt war das schwedische Volk. So fand es der junge Ritter, der dem Tyrannen entgangen war, um der Retter seines Volks zu werden. Sein Name war Gustav Wasa. Seine Hoffnung setzte er auf Dalekarlien, auf das Landvolk, das zuerst und am willigsten dem Rufe Engelbrechts und der Sturen gefolgt war. Er musste sich als Dalekarlier verkleiden, sich in Kellern und unter Stroh, ja unter umgefallenen Bäumen im Walde verbergen, um nicht von den Anhängern Christians, die ihn verfolgten, gefangen genommen zu werden. Als er nach wunderbaren Abenteuern nach dem Siljantal kam — es war kurz nach dem Stockholmer Blutbad — redete er nach dem Schluss des Gottesdienstes auf den Kirchplätzen zum Volke, rief die Dalekarlier zu den Waffen gegen den Tyrannen und erbot sich, sie mit Gottes Hilfe anzuführen. Doch diese waren der beständigen Fehden müde geworden und glaubten, dass Christians Grausamkeit nur den Edelleuten gelte. Da bricht die letzte Hoffnung des Flüchtlings. Vergebens hat er sein Leben gewagt, um das Vaterland zu retten. Nun muss er in die Fremde wandern, um wenigstens sein eigenes Leben zu retten. Durch Norddalekarlien begibt er sich auf Schneeschuhen nach Norwegen, um dort an Bord eines Schiffes zu gehen. Immer einsamer werden die Wälder, immer wilder die Berge. Schon sieht er das hohe norwegische Gebirge, das ihn für immer von einem verlorenen Vaterland trennen soll ...


Da wird Gustav von einigen schnellen Skiläufern eingeholt, die ihm die Kunde von den Dalekarliern bringen, dass sie sich jetzt besonnen hätten und ihm folgen wollten. Sie hatten nämlich erfahren, dass Christian auch sie mit Bluttaten heimsuchen wolle. Freudig kehrte Gustav um und wurde von den Dalekarliern am I. Januar 1521 zu ihrem Häuptling gewählt. Nun begann wieder ein Befreiungskrieg. Der erste Zusammenstoß zwischen den Dalekarliern und den Truppen Christians erfolgte bei der Fähre Brunbäcks an dem Dalastrom. Es wird von einem der dänischen Herren erzählt, dass er beim Anblick des Heeres der Dalekarlier gefragt habe, wie viel Leute dieser Teil des Landes zu stellen vermöge. Als er die Antwort erhielt: „Wenigstens 20.000“, fragte er, wie so viel Leute sich dort oben Nahrung verschaffen könnten. Die Antwort war: „Dies Volk ist wenig an Leckerbissen gewöhnt. Meistens trinken sie nichts anderes als Wasser, und wenn es vonnöten ist, können sie sich auch mit Brot aus Rindenmehl begnügen.“ Da soll er ausgerufen haben: „Männer, die Holz essen und Wasser trinken, bezwingt nicht der Teufel, noch weniger ein Mensch. Brüder, ziehen wir uns so schnell wie möglich zurück!“ Als die Dalekarlier aber den Feind zu Gesicht bekamen, wurden sie so eifrig, dass sie über den Fluss gingen und die Dänen in die Flucht schlugen. Ein Teil der Feinde wurde in den Fluss gejagt und ertrank.

Wie ein Feuerbrand griff die Freiheitsbewegung, ganz wie zur Zeit Engelbrechts, im ganzen Lande um sich. Schließlich wurden die Dänen aus dem Reiche vertrieben und Gustav Wasa im Jahre 1523 zum König von Schweden erwählt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schweden