Värmland – die Krone unter den Landstrichen Schwedens

„Ach Värmeland, du schönes, du herrliches Land, Du Krone unter den Landstrichen Schwedens!“ heißt es im Liede, und wenn auch die meisten anderen Landschaften sich selber für den schönsten Edelstein in Schwedens Krone halten, so hat niemand seine Liebe zur Heimat so auszudrücken vermocht wie die Värmländer. Ihr Gesang brauste, von gewaltiger Leidenschaft getragen, wie ein mächtiger Bergstrom hinaus über das ganze Schwedenland. „Es geht ein Gürtel von Eisen um die Mitte Schwedens herum“, in den Bergwerken Värmlands wird viel Eisenerz gegraben, aber edlere Metalle haben sich aus dem värmländischen Herzen losgelöst. „Im größten Teil des Landes hat erst das Eisen die Rodung mit sich gebracht“, schreibt Erik Gustaf Geijer von seiner Heimat, und aus seiner männlichen Brust ertönt ein schwedischer Ton, der an Tegners Worte über unsere Sprache erinnert: Rein wie das Erz ist dein Klang“. Geijer hat auch an der Rodung teilgehabt. Sein Geist hat einen Zug von frischer Luft.

Als der Värmländer Tegner in einer Sommernacht des Jahres 1811 eine Fuhr Erz vom Eisenwerk in Rämen nach Filipstad fuhr, entsprang seinem Herzen auf der Fahrt durch die tiefen Wälder das Gedicht „Svea“, in dessen klingendem Rhythmus und flammenden Bildern alle Unruhe und Besorgnis um die Gegenwart und alle guten Vorsätze für die Zukunft eine Gestaltung erhielten, die den Jubel des ganzen Vaterlandes wachrief.


In den Hüttenwerken, auf den Rittergütern, Pfarrhöfen und Bauernhöfen in Värmland hat sich Gesang und Märchen kräftiger erhalten als an anderen Stellen in Schweden. Sitten und Gebräuche an Feiertagen, Erinnerungen an uralte Kultushandlungen, die uns mit so starken Banden an die heimatliche Gegend und an die Menschen gebunden haben, die dort vor uns lebten, hält man in Värmland mehr in Ehren als in anderen Gegenden.

Weihnachten ist die größte schwedische Festzeit, wo man alle Augen leuchten, alle Herzen brennen sehen will, um das Dunkel und die Kälte siegreich zu überwinden. Um diese Zeit versammelt man sich im Vaterhause, man stärkt sich indem man zugleich selber fühlt und auch andere sehen lässt, dass es Menschen gibt, die man lieb hat, dass man mit ihnen froh sein, der Toten gedenken, auf die Zukunft hoffen will, am allermeisten, wenn man sieht, wie sich die Kinder über den Christbaum, die Lichter und die Weihnachtsgeschenke freuen und zu den Tönen einer alten Weihnachtspolka um den Baum des Lebens mit Lichtern, Äpfeln und einem Stern im Gipfel, herumtanzen. Zur Weihnachtsmesse fährt man in den allen Waldgegenden heute noch mit Fackeln. Die einen freuen sich am meisten auf den alten Psalm, „Gegrüßt sei, schöne Morgenstunde“, andere halten den Schnaps für die Hauptsache und den kalten Schinken, zu dem man danach gerufen wird. Die richtigen Weihnachtsverehrer freuen sich über alles zusammen. Eine schöne värmländische Sitte ist die Luciafeier. Man leitet Weihnachten, das Fest des Lichtes, damit ein, dass am 13. Dezember, noch vor Tagesanbruch, die Frau des Hauses oder eine der Töchter in einem weißen Kleid und mit brennenden Lichtern, die in einem Tannenreiserkranz stecken, auf dem Kopfe, allen Mitgliedern des Hauses im Bett Kaffee serviert. Gunnar Hallström hat diesen schönen symbolischen Brauch gezeichnet (S. 31), in dem man einen warmen Hauch und einen Lichtstrahl von zugleich heidnischer und christlicher Andacht vernimmt. Eben das ist es, was einem auch die große Värmländerin Selma Lagerlöf mit ihrer reichen Phantasiewelt einflößt. Diese Vala, welche die Zukunft Värmlands deutet, die alle guten Mächte heraufbeschwört, hat nicht nur Schweden, sondern die ganze Welt gelehrt, wie es in Gösta Berlings Heimat aussieht. Unser größte Lyriker seit Bellman, Gustaf Fröding, ist auch Värmländer. Er singt von seinen Wäldern und Weiden, so dass es um uns herum von Tannenreisern duftet, von Maiglöckchen und Birkenlaub, und wenn wir Fröding lesen, so fühlen wir alle, wie teuer uns unsre Felsenklippen und Latschen sind. Wir erinnern uns, wie uns zu Mute war, wenn war als Kinder auf den Weideplätzen die Schlüsselblumenstellen für uns in Anspruch nahmen und auf dem Geröll nach Himbeeren suchten. „Wäldchen, so lieb' ich Dich, mahnst an die Kindheit mich“ heißt es in einem von Frödings Gedichten und darin stimmen alle Schweden ein. Fröding hat auch das Volk geschildert, die schweigsam Leidenden, aber auch die Leichtsinnigen und ihre Tanz- und Trinklust, ihr wildes Walzen und Drehen mit „Stina Stursk“ und anderen rotbackigen und kichernden Mädeln in Kopftüchern, die im Taumel des Augenblicks alles vergessen und nicht bedenken, was die Zukunft im Schosse haben kann.

Carl Wilhelmson hat auf seinem Bild „Erdarbeiter“ (in Thiels Galerie) värmländische Bauern gemalt und uns innig zufrieden damit gesummt, dass wir zu einem so vertrauenerweckenden Volke gehören. Alle Leute in dem Bilde, bis herab zu dem kleinen Knaben, haben etwas Zuverlässiges und Sicheres an sich. Der Knabe ist vermutlich recht langsam und vorsichtig, wenn man ihn etwas fragt, aber man kann sich auf ihn verlassen. Schickt man ihn, den Pferden Wasser zu geben, so weiß er sich zu helfen, erlaubt man ihm, allein nach Karlstad hineinzugehen, einen Einkauf zu machen, so wird er das Geld nicht auf dem Weg verschleudern. Man reift langsam im Norden. Dieser junge Mensch bleibt sicher hübsch lange unbeholfen und tölpisch, aber es wird etwas aus ihm, wenn er fertig ist.

Fjaestad hat das Moos an den Baumstämmen und Felsen, fließende und zugefrorene Gewässer, am allerliebsten aber den Schnee gemalt, wie er sich unter den Fichtenstämmen in meterhohen, phantastischen Wehen anhäuft (siehe das Bild auf dem Umschlag), und Björn Algrensson zeigt in seinem „Interieur“, in Thiels Galerie, wie man sich in einer abgelegenen Bauernhütte im Walde fühlt, wenn man durchs Fenster sieht, wie die großen, schweren Flocken langsam herabfallen bis man schließlich die Schneeschaufel anwenden muss um überhaupt zur Tür hinauszukommen. Auf diese Weise bekommt man Gefühl für Häuslichkeit. Am See Fryken, der langgestreckt ist wie ein Fluss, liegt Rottneros, das Ekeby der Gösta-Berlings-Saga. Diese Gegend hat Georg Pauli in seinen Zeichnungen geschildert. Gegen die ungeheure Wasserfläche des Vänern zu, an dem großen Süßwassermeer, dessen bedeutendster Zufluss der Klarälfven ist, der ganz Värmland durchzieht, liegt Säffle. Dort hat Otto Hesselbom seine Wohnstätte, der in Venedig bekannt wurde ehe man von ihm in Vänersborg etwas wusste. Unsere Zeit hat sich, wie gesagt, etwas vor der Aussichtsmalerei gescheut, Otto Hesselbom aber hat gezeigt, welche dekorative Größe in der Struktur der Landschaft an sich liegen kann, wenn man sie von einem erhöhten Punkt aus betrachtet. Auf seinem Gemälde „Unser Land“ (S. 9) sieht man waldbewachsene Höhen, welche die langgestreckten Seen beschatten, und in weiter Ferne eine Ahnung vom Vänern, Schwedens größtem See. Värmland vermittelt durch seine Bergformationen, seine Eigenschaft als Flusstal des Klarälfven und seine einsamen, ungeheuren Wälder nicht nur den Übergang nach Dalarne („Dalekarlien“), an das es nordöstlich angrenzt, sondern auch zur rein norrländischen Natur. Bergslagen heißt das Gebiet von Värmland, Västmanland, Närke, Uppland und Dalarne, wo Bergbau getrieben wird. Dort wird Erz gefördert und in Hochöfen oder Hütten geschmolzen, und dort brennt man Holzkohle in den einsamen Kohlenmeilern im Walde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schweden im Auge des Künstlers
23 Björs Mia. Gemälde von Emerick Stenberg

23 Björs Mia. Gemälde von Emerick Stenberg

24 Sonnenwendtanz. Ölbild von Anders Zorn

24 Sonnenwendtanz. Ölbild von Anders Zorn

25 Elche. Zeichnung von Bruno Liljefors

25 Elche. Zeichnung von Bruno Liljefors

26 Kings Karin. Ölbild von Anders Zorn

26 Kings Karin. Ölbild von Anders Zorn

27 Bergwerksarbeiter auf dem Erzgebirge von Kiruna. Gemölde von Carl Wilhelmson

27 Bergwerksarbeiter auf dem Erzgebirge von Kiruna. Gemölde von Carl Wilhelmson

28 Ein Lappe. Zeichnung von Albert Engström

28 Ein Lappe. Zeichnung von Albert Engström

29 Ölands Kalkheide. Ölbild von Nils Kreuger

29 Ölands Kalkheide. Ölbild von Nils Kreuger

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