Skåne und Halland

Die Mehrzahl der Fremden kommt von Süden her nach Schweden, mit den dänischen oder den riesigen schwedischen und deutschen Fähren und sieht dadurch zuerst die schwedischen Gestade, die nicht von Schären eingefasst sind. Bloß an die Küste von Skåne und Halland reicht das Meer unmittelbar heran und noch ein gutes Stück von Malmö oder Trelleborg entfernt überschaut man schon von der hohen See aus die gewaltige grüne Ebene mit den weißen Kirchen und den schwarzen Windmühlen. Eigentümlicherweise hat keiner von unseren großen Künstlern der Gegenwart sich mit dem Öresund befasst, der blau und buchenwaldumkränzt, zuweilen mit Hunderten von schimmernden weißen Segeln angefüllt, wohl zu den schönsten Fahrwassern der Welt zählt. Die seichtabfallenden halländischen Buchten und die großen Linien und kräftigen Farben dieser heute gänzlich abrasierten Landschaft besitzt in Nils Kreuger einen Bewunderer und Darsteller von höchstem Rang. Skåne unterscheidet sich in Natur und Kultur von dem übrigen Schweden, mit dem es erst seit 250 Jahren politisch vereint ist. Die Bewohner von Skåne sind mit sich selber und ihrem Lande höchst zufrieden. Die Skåningar haben die stattlichsten Schlösser, die wohlgenährtesten Bauern, die reichsten Gewerkvereine und die gewalttätigsten Anarchisten, dies alles natürlich in dem bescheidenen schwedischen Maßstabe. Diese Vorzüge hat ihnen auch niemand abgesprochen und begabte skånische Verfasser haben dies alles vorzüglich wiedergegeben, nur nicht die Schlösser, die von Baumriesen umgeben sich in den Schlossteichen spiegeln und auf denen sich — wenigstens auf einigen dieser skånischen Schlösser — ein Leben abspielt, das selbst der anspruchsvollste Engländer für menschenwürdig erklären würde: Jagden in roten Fräcken, Gastfreiheit in großem Stil, lebenslustige junge Offiziere und elegante Damen, deren Herzen vielleicht dort unten leichter zu erweichen sind als in den nördlicheren Teilen des langgestreckten Schwedenreiches. Bei uns zulande ist es an der Tagesordnung, die begüterten Klassen ungerecht zu beurteilen und zwar trotzdem die in sozialer Hinsicht am höchsten Stehenden an der nationalen Arbeitsleistung regen Anteil nehmen und es weder an Arbeitskraft noch an Geld fehlen lassen, wenn es das allgemeine Beste gilt. Von Schlössern und Parken hat, wie gesagt, die schwedische Kunst, wenn man von einigen vorzüglichen Porträten von Georg von Rosen, Anders Zorn und Oscar Björck absieht, ihre Motive nicht geholt, „Skåneland“, wie es nicht ohne Rührung in dieser reichen Landschaft selbst heißt, hat dagegen im allgemeinen in letzterer Zeit sehr gute Darsteller gefunden. Der alle Gustaf Rydberg und in neuester Zeit Ernst Norlind und Axel Kulle haben uns die weißen Bauernhöfe (S. 17) gezeigt, die so einheitlich und fest gebaut sind, dass man schon aus ihrem Äußeren darauf schließen kann, was die Inwohner für Leute sein müssen. Wenns gut geht, kriegt man die aristokratische Gestalt eines langbeinigen Storches auf dem Dach zu sehen, während man unter den Hühnern und Gänsen auf dem Hofe gewiss die Abzeichen der Bourgeoisie findet: Selbstgefälligkeit und Rundung der Körperformen. Die Schönheit des skånischen Flachlandes ist oft in Romanen und Liedern zum Ausdruck gekommen; unter den Schriftstellern, die hierher gehören, sind Ernst Ahlgren, K. G. Ossian-Nilsson und Ola Hansson wohl die hervorragendsten. Skåne hat jedoch immer noch nicht seine definitive Darstellung durch die bildende Kunst gefunden. Es harrt noch auf die Huldigung von selten der modernen Malerei, die es verdient. Die alte, solide ländliche Kultur Skånes war der Gegenstand der Bilder von Hugo Salmson; auch Einzelheiten von melancholisch entästeten Weidenalleen, von grünen Weiten mit dekorativen Baumgruppen, die wie heilige Haine auf den Bergrücken stehen, die den Gesichtskreis einfassen, dies und anderes mehr nahmen sich die begabteren unter den skånischen Malern zum Vorwurf, aber die Größe, die ein Nils Kreuger oder ein Karl Nordström in ihren Schilderungen von Halland und Bohuslän aufweisen, haben sie nicht erreicht. Nicht einmal das malerische Badleben auf dem Sandstrand von Falsterbo oder auf den felsigen und steilen Ufern von Kullen hat seinen Zeichner gefunden. Die gewaltige, ins Meer hinausragende, meilenlange Klippenlandzunge von Kullen gehört zum Schönsten, was Schweden aufzubieten hat. Ein ganzer Schwärm junger Künstler sind bestrebt, die verwitterten Riesenfelsblöcke, die üppigen Buchenwälder und das Meer wiederzugeben, wie es bald wild aufbrüllt und gegen das phantastisch geformte Felsenufer aufschäumt, bald vom Leuchtturm von Kullen aus gesehen, der nun bald 400 Jahre lang am Eingang des Öresund geleuchtet hat, am Abend spiegelblank und ruhig daliegt, während der Schimmer von den Leuchtfeuern auf Sjaelland das Gefühl der Unendlichkeit des überschaubaren Gebietes noch erhöht. Dass auf den skånischen Ebenen Getreide und Zucker, Bier und Branntwein in reichen Mengen hervorgebracht wird, daran denkt man, wenn man die hohen Fabrikschornsteine sich dicht aneinander auf dem platten Lande mitten unter den wohlbebauten Feldern erheben sieht. Die Skåningar selber huldigen der Ansicht, dass gutes Essen — und vielleicht auch gesunder Verstand — eigentlich bloß in Skåne zu Hause sind. Das geht freilich ein wenig zu weit, aber zweifellos hat diese wohlgenährte, arbeitstüchtige und kluge Bevölkerung mit ihrer breiten, gutturalen Mundart ein natürliches Selbstgefühl, das den übrigen Einwohnern des Reiches ebenfalls gut anstünde.

Wenn der vom Ausland kommende schon in Malmö mit dem Schwedentum in Form eines „besonnenen Gepäckträgers“ in Berührung kommt, wie Heidenstam außerordentlich treffend sagt, so macht doch Skåne mit seinem ertragreichen Flachland, seinen gelben Ziegelfabriken und den weißgetünchten Bauernhäusern im ganzen einen unschwedischen Eindruck. Erst wenn der Zug die Nadelwälder von Småland durchbraust und dort auf den Stationen kleine flachshaarige, schüchterne und blauäugige Mädchen, stumm wie Frische mit flehenden Blicken in Rindenkörbchen ihre Himbeeren und Blaubeeren feilbieten, da fühlt man, dass man zu Hause in Schweden ist. Richard Behrgh hat gerade ein solches kleines Mädel gemalt, das still und anspruchslos mit ihren Wiesenblumen beschäftigt ist. In Schweden gibt es viele solche kleine Mädchen, die einem das Gattertor aufmachen und auf ein Geldstück warten und sich lieber die Zunge abbeißen würden als auf die freundliche Frage antworten, wie sie heißen. Småland ist groß, ebenso groß wie die ganze Schweiz. Die Bevölkerung gilt für verschlagen und man sagt ihr nach, dass sie auf den Heller aus sei; kein Wunder auch, denn die meisten haben oft das Nachsehen nach einem roten Heller. Weder Hering noch Kartoffel fliegt ihnen ins offene Maul hinein, die Småländer müssen Steine brechen, sich abrackern und plagen, und bleiben doch dabei so mager wie ihre Kühe. Wer Småland recht begreifen will, muss Albert Engströms Erinnerungen aus der Kindheit lesen und dazu seine Zeichnungen ansehen. Dann versteht man, wie sich der Lauf der Welt in diesen kleinen roten Bauernhäusern ausnimmt, wie warm und gemütlich man es im Winter hat, wenn man sich sein Glas Glühbranntwein zusammengießt und die Luft dick ist von dem Dampf der nassen Kleider, oder wie gestärkt und erhalten über das Einerlei des Alltagslebens man sich in der Erbauungsandacht fühlt mit ihrem Kaffee und Hallelujah und mehr oder weniger brüderlicher und schwesterlicher Liebe. Einer der größten modernen Künstler, der gezeigt hat, wie herrlich der Wald sein kann, und der den Wald wirklich so gemalt hat, dass man den Duft des Forstes (Ledum), das Harz und alle die starken, frischen Gerüche einatmet, die sich an einem warmen Sommertag im Walde sammeln und uns in einem kühlen Windzug von einer Moorstelle (mit ihrem Wollgras und ihrer mystischen Flora und Insektenfauna) her entgegenweht, ist Herman Norrman. Eine Art leidenschaftlicher, zugleich physischer und psychischer Wärme spricht aus Norrmans Landschaften, in denen sowohl Himmel als Wald rötlich schimmern. Wenn man diese Norrmanschen Bilder betrachtet, füllt sich das Herz mit einer Art sozusagen trotziger Glückseligkeit.


Am Strand des Sundes von Kalmar wogt der Weizen auf dem Acker. Weit oben nördlich liegt, von seinem Schärenring umgeben, das schöne Tjust, welches Gottfried Kallstenius wiedergegeben hat. Merkwürdigerweise hat das gewaltige, pittoreske Schloss zu Kalmar, das man einst den Schlüssel Schwedens genannt hat, keinen künstlerischen Darsteller gefunden.

Die alte Aussichtsmalerei ist freilich nicht mehr modern, aber es ist doch zu verwundern, dass der zweitgrößte See des Landes, der eigentümliche, länglichschmale Vättern, der in Heidenstams Dichtung eine so große Rolle spielt und dessen småländischer Strand fast einen südländischen Charakter hat, nicht von unsren Größten gemalt worden ist. Omberg und die Gegend um Jönköping und Grenna herum, der gemütlichen kleinen Stadt, von der aus man über die leicht erregbare Fläche des blauen Riesensees ausblickt, gehört zu den Sehenswürdigkeiten unsres Landes.

Gustaf Ankarcrona hat mehrere von den alten småländischen Gütern gemalt, auf denen man sich Sommer und Winter gleich gemütlich einzurichten versteht.

Dort wird man mit überschwänglicher Herzlichkeit empfangen, es werden einem allerlei Würste und Kuchen, Spezialitäten der alten schwedischen Kultur auf dem Lande aufgetischt, und der alte Major und Gutsbesitzer blinzelt seinem Freunde im Schlitten schon von der Vortreppe aus zu und macht eine Bewegung mit den Lippen als ob er andeuten wollte, dass ihm sein höchstprivates Punschgebräu nach dem guten, alten Rezept prächtig geraten sei. (S. 34.)

Das mittlere Schweden zeichnet eine große Anzahl Seen aus, von denen der Vänern ein wirkliches Binnenmeer darstellt, das drittgrößte in Europa. Nördlich der Hochebene von Småland dehnen sich rings um die Ufer der beiden großen Seen Vänern und Vättern herum die uralten Kulturherde von Östergötland und Västergötland aus. Auf dem Flachlande Västergötlands erheben sich eigenartig geformte Berge, Kinnekulle, Halle- und Hunneberg, der Billingen sowie der Ålleberg, welch letzteren Karl Nordström gemalt hat. In dieser västgötischen Gegend fasste das Christentum zuerst Fuß. Hier lebte Olof skötkonung (der Schosskönig), der in Husaby am Fuße des Kinnekulle die Taufe empfing. Hier erhob sich in der Nähe des Billingen die hübsche Klosterkirche von Varnhem und in der Ebene Skara, die alte Stadt der Gelehrsamkeit, im Schatten ihrer Domkirche.

Wenn man mit einem der Kanalboote Trollhättan verlässt, wo heute wie dazumal der Troll von seinem Toppöfall herab brüllt — freilich muss er jetzt einen Teil seiner Kraft an die Turbinen abtreten — , und dann an dem alten Leckö vorüber fährt, wo Magnus Gabriel de la Gardie, der große schwedische Mäzen des 17. Jahrhunderts, einstens Hof hielt, sieht man am Västgöta-Ufer Kinnekulle in der Ferne blau herüberleuchten. Auf der Västgötalinie des Götakanals gelangt man auf den Vättern hinaus und steuert auf das vierhundert Jahre alte Schloss von Vadstena zu, dessen gewaltige Formen und von Erinnerungen umsponnene Mauern von Oscar Björck gemalt worden sind (S. 33).

Östergötland ist noch nicht so recht von den Künstlern entdeckt. Die Östgötagegend ist reich an historischen Erinnerungen und Sagenstoffen, die in unsren eignen Augen der hübschen Landschaft zu beiden Seiten des Götakanals noch einen ganz besonderen Schimmer verleihen. Still gleitet das Boot über den Kanal hin, Baumäste streifen hie und da das Deck. Es liegt etwas von Stille und Ruhe über einer Kanalreise durch Östergötland, über den See Boren mit dem Schloss von Ulfäsa und seinen Folkungererinnerungen, hinab durch die Schleusen von Berg zum See Roxen, wo die Klosterkirche von Vreta liegt, die einst Magnus Ladulås eingeweiht hat. Nördlich des hohen Ufers des Fjordes Bråviken breitet sich die waldige Gegend von Kolmården aus, wo der junge Maler Alfred Wahlberg im romantischen Stil der Düsseldorfer Schule die großartige Landschaft malte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schweden im Auge des Künstlers
11 Zwei alte Bauernweiber. Zeichnung von Albert Engström

11 Zwei alte Bauernweiber. Zeichnung von Albert Engström

12 Auf dem Weg zur Kirche. Ölbild von Carl Wilhelmson.

12 Auf dem Weg zur Kirche. Ölbild von Carl Wilhelmson.

13 Birkengehege in Södermannland. Ölbild von Reinhold Norstedt.

13 Birkengehege in Södermannland. Ölbild von Reinhold Norstedt.

14 Auf dem Anstand. Ölbild von Bruno Liljefors.

14 Auf dem Anstand. Ölbild von Bruno Liljefors.

15 Märzabend. Gemälde von Edvard Rosenberg

15 Märzabend. Gemälde von Edvard Rosenberg

16 Licia mit dem Kaffeebrett. Zeichnung von Gunnar Hallström

16 Licia mit dem Kaffeebrett. Zeichnung von Gunnar Hallström

17 Seilziehen. Gemälde von Gunnar Hallström

17 Seilziehen. Gemälde von Gunnar Hallström

18 Das Schloss Vadstena. Gemälde von Oscar Björck

18 Das Schloss Vadstena. Gemälde von Oscar Björck

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