14. Ein elendes und lustiges Leben. - Auf sechs Jahre kam Florian in das Zuchthaus. ...

14. Ein elendes und lustiges Leben. - Auf sechs Jahre kam Florian in das Zuchthaus. Er war fast froh, als man ihm die Sammetjacke auszog und die graue Sträflingsjacke dafür gab, dadurch wurde doch auch sein Liehlingsgewand geschont; er wollte einst wiederum in demselben vor Kreszenz erscheinen. Ueberhaupt kam es Florian vor, als ob er nur acht Tage hier zu bleiben habe. Sein Herz war so voll froher zuversichtlicher Hoffnung, so daß er über die Jahre wie über eine kurze Spanne Zeit hinwegsah.

Man mag sagen, was man will, es ist und bleibt doch wahr, in Dingen, die weder die Minderung der Steuern, noch die der Beamtenmacht betreffen, sind sehr viele Regierungen in der That auf das Wohl ihrer Unterthanen bedacht; darum sind auch die Zuchthäuser in unsern Tagen meist ganz gut bestellt; darum, wer nur einmal eine Zeitlang ins Zuchthaus gekommen ist, kann ganz ruhig sein, für ihn ist gesorgt.


Schade, daß nicht alle Staatsangehörigen, die Beamten ausgenommen, Sträflinge sind, wie mild und vorsorglich erschienen da viele jetzige Regierungen!

Dennoch fühlte Florian bald die Länge der Zeit. Er lernte das Bürstenbinderhandwerk, und nachdem endlich und endlich seine Strafzeit um war, eilte er zu Kreszenz. Er wurde mit offenen Armen empfangen. Kreszenz hatte sich etwas Geld erspart, und nun zogen die beiden als Bürstenverkäufer im Land umher. Bald aber ward Florian dieses Lebens überdrüssig. Sein Lebenswandel zog wiederum das Aufsehen aller an sich, denn er besuchte als Seiltänzer und Kunststückmacher Messen, Märkte und Kirchweihen. Besonders geschickt war er in dem Säbelspiel, da er drei Säbel im Kreise um sich herwarf und sie immer wieder am Griffe auffing, er hatte ja dies schon frühe beim Wursthäckeln geübt. – Kreszenz hielt stets getreulich an ihm, und als er einst vom Seile fiel und ein Bein brach, wartete sie ihn mit der liebendsten Sorgfalt.

Nun zog Florian mit einem Würfeltische auf den Märkten und Kirchweihen benachbarter deutscher Länder umher, denn in sein Heimatland mochte er nicht; auch war dort das öffentliche Würfelspiel verboten worden.

Deutschland hat das besondere Glück, daß, was in dem einen Lande verboten, in dem andern erlaubt ist; das ist ja das glückliche Ergebnis der vielerlei Regierungen, daß sie auch vielerlei anordnen können. Was wollte Florian anfangen, wenn Deutschland nicht dieses hohen Vorzugs genösse?

Das, womit sein Unglück begonnen hatte, war nun sein Gewerbe. Wenn ihn ein solcher Gedanke überfiel, rief er lauter und schärfer, als wollte er sich selbst zum Spiele auffordern; sein bißchen Französisch kam ihm dabei sehr zu statten, denn das hat immer etwas Lockenderes und Vornehmeres für viele Leute.

Dann rief er:

„Messieurs, faites votre jeu, immer ‘ran! immer ‘ran! Spielen Sie hier, meine Herren Messieurs. Acht Kreuzer für einen Kreuzer, ein Kreuzer hat acht Junge. La fortune, la fortune, la fortune. Ein Kreuzer ist gar kein Geld, aus nichts hat Gott die Welt erschaffen, aus gar kein Geld wird Geld. Immer ‘ran! Messieurs, faites votre jeu.“

Oft, wenn Florian an den Kirchweihen abends beim Tanze allerlei Kunststücke machte, und er dann die Burschen so fröhlich tanzen und jubeln sah, fuhr es ihm wie zweischneidige Schwerter durch die Seele: so war er einst gewesen, er selber war der flotteste Bursche und jetzt nichts als ein verachteter Spaßmacher für andere. Wenn er auf solche Gedanken kam, machte er immer um so tollere Späße und überredete sich eine Zeitlang, er mache sie zu seinem eigenen Vergnügen.

Von vier Kindern, die Kreszenz geboren, waren nur zwei am Leben geblieben, der älteste Knabe und ein kleines Töchterchen; nie duldete Florian, daß eines derselben seine Späße oder sein Gewerbe mit ansah. Sie mußten immer den Tag über bei den Habseligkeiten in einer Scheune oder in einer Bauernstube bleiben.

Kreszenz wagte einst, den Vorschlag zu machen, daß sie um der Kinder willen nach Hause zurückkehren und sich dort als Taglöhner ernähren wollten.

„Red mir nicht da davon,“ erwiderte Florian zähneknirschend, „keine zehn Gäul’ bringen mich die Horber Steig ‘nauf. Ich hab’ daheim meine Ehr’ verloren und nie – nie seh’ ich mehr den Nordstetter Kirchturm.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 2