In der Kompanie unsers Aloys war auch ein verlorener Maler. ...

In der Kompanie unsers Aloys war auch ein verlorener Maler. Er spürte bei Aloys manchen Mutterpfennig, und nun begann er ihn zu malen, in ganzer Uniform mit Ober- und Untergewehr und der Fahne neben ihm. Das war aber auch alles, was man erkennen konnte, denn das Gesicht war eben ein Gesicht und weiter nichts. Darunter stand jedoch mit schönen lateinischen Buchstaben: Aloys Schorer, Soldat im fünften Infanterieregiment.

Aloys ließ das Bild unter Glas und Rahmen bringen und schickte es mit dem Boten seiner Mutter. In dem Briefe, der dabei war, schrieb er: „Mutter! hänget das Bild in der Stube auf, zeiget es auch dem Marannele, hänget es über dem Tisch auf, aber nicht zu nah am Turteltaubenkäfig, und wenn das Marannele das Bild haben will, so schenket es ihm, und mein Kamerad, der es gemacht hat, sagt, Ihr solltet mir auch ein Bällele Butter und ein paar Ellen reisten Tuch (Hänfenes Linnen). für meinem Feldwebel seine Frau, wir heißen sie nur die Feldwebelina, schicken. Ich hab’ auch von meinem Kameraden tanzen gelernt, ich geh’ Sonntags zum erstenmal nach Heslach zum Tanz. Brauchst nicht maulen, Marannele, ich will mich nur probieren. Und das Marannele soll auch schreiben. Hat der Jakob seine Ochsen noch, und hat die Bläßkuh noch nicht gekalbt? Es ist doch kein recht Geschäft, das Soldatenleben, man wird hundsrackermüd’ und hat doch nichts geschafft.“


Die Butter kam, und diesmal half sie besser; der Zigeuner wurde einem andern zugewiesen. Bei der Butter aber war auch ein Brief, den der Schullehrer geschrieben, darin hieß es:

„Unser Matthes hat aus Amerika fünfzig Gulden geschickt. Er hat auch geschrieben, wenn du nicht Soldat wärst, könntest du jetzt zu ihm, er wollte dir dreißig Morgen Acker schenken. Halt dich nur brav und laß dich nicht verführen, der Mensch ist gar leicht verführt. Das Marannele trutzt so halb und halb mit mir, ich weiß nicht warum: als es dein Bild gesehen hat, hat es gesagt, das wärst du gar nicht.“ – Bei diesen Worten schmunzelte der Aloys, denn er dachte: „So ist’s recht, ja, ich bin auch jetzt ein ganz andrer Kerl; hab’ ich dir’s nicht gesagt, Marannele? gelt du?“

Monate waren vorüber. Der Aloys wußte, daß nächsten Sonntag Kirchweih in Nordstetten sei; er erhielt durch seinen Feldwebel auf vier Tag Urlaub, er durfte in ganzer Uniform, mit Säbel und Tschako, nach Haus.

O du Glücklicher! wie selig warst du, als du Samstagmorgen dein Putzzeug in den Tschako legtest und mit einem „B’hüt’s Gott“ bei deinem Feldwebel Abschied nahmst!

So selig aber auch unser Aloys war, so sprach er doch mit der Wache am Kasernenthor und mit der Wache am Tübinger Thor; er mußte es allen sagen, daß er heim ging, sie sollten sich mit ihm freuen, und ihn dauerten die Kameraden, die so mir nichts dir nichts auf einem kleinen Fleck zwei Stunden lang herumwandeln mußten, während er in dieser Zeit schon seiner Heimat um vieles, vieles näher war.

Erst vor Böblingen machte er Halt und trank auf der Waldburg einen Schoppen. Er konnte aber nicht ruhig auf dem Stuhle sitzen, sondern ging alsbald wieder fürbaß.

In Nufringen begegnete ihm der Kobbel wieder, der ihn einst so geneckt hatte; sie reichten sich freundlich die Hand. Aloys hörte viel von der Heimat, aber kein Wort von Marannele, und er scheute sich, danach zu fragen.

In Bondorf endlich zwang er sich zur Rast; er hätte sich sonst noch den „Herzbengel“ eingerennt, wenn er so fortgelaufen wäre. Er streckte sich auf eine Bank hin und überdachte, wie alles aufgucken werde, wenn er heimkomme; dann stellte er sich wieder vor den Spiegel, setzte den Tschako etwas nach dem linken Ohre, drehte die Locke auf der rechten Seite und nickte sich Beifall zu.

Es war Abend geworden, als er wieder auf der Anhöhe von Bildechingen stand, ihm gegenüber seine liebe Heimat; er johlte nicht mehr, er stand ruhig und fest und machte seinem Geburtsorte den militärischen Gruß, indem er die Hand an den Tschako legte.

Immer langsamer ging Aloys, er wollte absichtlich bei Nacht nach Hause kommen, um dann des andern Morgens alle zu überraschen. Sein Haus war eines der ersten im Dorfe, es war Licht in der Stube, er klopfte an das Fenster und sagte: „Ist der Aloys nicht da?“

„Jesus Maria Joseph, ein Gendarm!“ rief die Mutter.

„Nein, ich bin’s, Mutter,“ sagte Aloys, und nachdem er wegen der niedrigen Thüre den Tschako abgenommen, ging er hinein und reichte der Mutter die Hand.

Bald nach den ersten Begrüßungen äußerte die Mutter ihre Bekümmernis, daß nichts mehr zu essen da sei, sie ging aber hinaus in die Küche und schlug ihm ein paar Eier ein. Aloys stand bei ihr am Herde und nun erzählte er alles. Er fragte nach Marannele, und warum sein Bild noch draußen hänge. Die Mutter erwiderte: „Ich bitt’ dich, ich bitt’ dich, schlag dir das Marannele aus dem Sinn, das ist ein keinnütziges Ding.“

„Mutter, redet mir nimmer davon, ich weiß, was ich weiß,“ sagte der Aloys; sein vom Feuer aus dem Herde rot überschienenes Antlitz hatte einen gewaltigen trotzigen Ausdruck. Die Mutter schwieg, und in die Stube zurückgekehrt, sah sie mit Herzensfreude, was ihr Aloys für ein prächtiger Bursch geworden war. Jeden Bissen, den er schluckte, schmeckte sie ihm in ihrem leeren Munde nach; den Tschako aufhebend, jammerte sie über seine grausame Schwere.

Des andern Morgens stand der Aloys früh auf, fummelte seinen Tschako, putzte das Behäng am Säbel und die Knöpfe, mehr als wenn er zur Ordonnanz gemußt hätte. Als es zum erstenmal zur Kirche läutete, stand er fix und fertig da; als es zum zweitenmal zusammenläutete, ging er das Dorf hinein.

Auf dem Wege hörte er zwei Buben miteinander reden.

„Ist das nicht der Tolpatsch?“ sagte der eine.

„Nein, er ist’s nicht.“

„Ja, er ist’s,“ sagte der erste wieder.

Aloys schaute die Buben grimmig an, und sie rannten mit ihren Gesangbüchern davon. Aloys schritt, von allen Kirchgängern freundlich begrüßt, der Kirche zu. Er kam vor dem Hause Maranneles vorbei, niemand schaute heraus, er ging den Berg hinan, oft zurückschauend, und trat, als es eben zum drittenmal läutete, in die Kirche. Er zog seine weißledernen Handschuhe aus und besprengte sich mit Weihwasser. Er blickte überall in der Kirche umher, er sah nirgends das Marannele, er blieb an der Thüre stehen, auch unter den Ankömmlingen war es nicht. Der Gesang begann, die Stimme Maranneles war nicht darunter; er hätte sie ja aus Tausenden heraus erkannt. Was nützte ihn nun das Staunen aller? Sie sah ihn ja nicht, für sie allein war er den weiten Weg gerannt und stand er da, so fest und stramm wie gegossen. Als aber nach der Predigt der Pfarrer die Marianne Bomüller von hier und den Georg Melzer von Wiesenstetten als Brautpaar verkündete, da stand der Aloys nicht mehr da wie gegossen, da zitterten seine Kniee und seine Zähne klapperten. Aloys war der erste aus der Kirche. Er rannte über Hals und Kopf nach Haus, warf Säbel und Tschako auf den Stubenboden und versteckte sich im Heu und weinte. Ein Mal über das andre kam ihm der Gedanke, sich zu erhängen, aber er konnte nicht aufstehen vor Wehmut und Weinen; alle seine Glieder waren ihm wie zerschlagen, und dann dachte er auch wieder an seine Mutter, und dann weinte er wieder und schluchzte wieder.

Die Mutter kam endlich und fand ihn im Heu, sie tröstete ihn und weinte mit. Er erfuhr nun, daß der Jörgli das Marannele verführt hatte, und daß es hohe Zeit sei, daß sie zusammengegeben würden. Er weinte von neuem, dann aber folgte er seiner Mutter wie ein Lamm in die Stube. Als er hier seines Bildes ansichtig wurde, riß er es von der Wand und schmetterte es auf den Boden. Lange saß Aloys dann hinter dem Tische und hielt sich das Gesicht mit beiden Händen bedeckt, endlich stand er aus, pfiff ein lustiges Lied und ließ sich zu essen geben; er konnte aber nicht essen, er zog sich an und ging in das Dorf. Die Nachmittagskirche war vorüber, aus dem Adler tönte die Musik zu ihm herab. Die Augen niederschlagend, gleich als müßte er sich schämen, ging er an des Jakoben Haus vorbei; als er aber vorüber war, hob er seinen Blick stolz empor. Nachdem er beim Schultheiß seinen Urlaubspaß abgegeben, ging er nach dem Tanzboden. Er schaute überall umher, ob Marannele nicht da sei, und doch wäre ihm nichts unlieber gewesen als das. Der Jörgli aber war da; er trat auf Aloys zu, reichte ihm die Hand und sagte: „Grüß Gott, Kamerad!“ Der Aloys sah ihn an, als ob er ihn mit seinen Blicken vergiften wollte; dann drehte er sich um, ohne ihm eine Hand oder Antwort zu geben. Er dachte jetzt, daß es eigentlich gescheiter gewesen wäre, wenn er gesagt hätte: „Was Kamerad! der Teufel ist dein Kamerad, aber ich nicht.“ Es war indes zu spät zu dieser Antwort.

Von den Tischen brachten es nun alle Buben und Mädchen unserm Aloys zu, er mußte aus jedem Glas trinken, aber es schmeckte ihm alles wie Galle so bitter. Er setzte sich dann auch an den Tisch und ließ sich eine „Bouteille vom Besten“ geben, und obgleich es ihm nicht schmeckte, trank er doch ein Glas nach dem andern. Die Mechthilde, die Tochter seines Vetters, des Matthes vom Berg, stand nicht weit von ihm; er brachte es ihr zu. Das Mädchen that ihm herzlich Bescheid und blieb bei ihm stehen, denn es kümmerte sich niemand um sie, sie hatte keinen Schatz und darum heute noch keinen Reihen getanzt, da jeder fast fort und fort mit seinem Schatze tanzte oder mit der Gespielin des Schatzes und dem Schatz eines andern wechselte. Aloys fragte:

„Mechthilde, möchtest du nicht auch tanzen?“

„Ja, komm, wir wollen einmal.“ Sie faßte Aloys bei der Hand, er stand auf, zog seine Handschuhe an, schaute sich nochmals um, als suche er etwas, und tanzte dann so flink, daß alle staunten. Aus Höflichkeit bot Aloys nach dem Tanze der Mechthilde Platz neben sich an; er lud sich damit eine Last auf, denn sie blieb nun den ganzen Abend bei ihm sitzen. Er kümmerte sich indes wenig um ihre Unterhaltung, er schob ihr nur bisweilen das Glas hin, daß sie trinken solle. Die Zornesblicke des Aloys waren fast immer auf den Jörgli geheftet, der sich nicht weit von ihm gesetzt hatte. Als man denselben fragte, wo das Marannele sei, sagte er, es sei „unbaß“, und lachte dabei. Aloys biß so mächtig auf seine Pfeife, daß ihm ein Gelenk der Spitze im Munde blieb, er spie es mit Pfui! aus; der Jörgli sah ihn wütend an, denn er glaubte, das Pfui gelte ihm. Als aber Aloys ruhig blieb, zuckte Jörgli nur verächtlich mit den Achseln und begann allerlei Schelmenlieder zu singen. Sie hatten meist einerlei Weisung und fast alle nur ein Gesätz, wie:

„Und a lustiger Bua
Verreißt allbot (Oftmals.)
e Paar Schua;
Und a trauriger Narr
Der hot lang am e Paar.“

Es war schon bald nach Mitternacht, als Aloys wiederum seinen Säbel von der Wand nahm und nach Hause gehen wollte. Da sang der Jörgli mit seinen Kameraden das Fopplied, sie schlugen dabei mit den Fäusten auf den Tisch:

„Hoan (Heim.),
hoan, hoan gang i net,
Wer will schaun hoame gaun (Gehen.)
Der muaß koan Geld mei haun (Mehr haben.);
Hoan! hoan! hoan gang i net.“

Aloys kehrte nochmals mit einigen seiner Kameraden um und ließ sich noch zwei Flaschen Wein geben. Sie sangen nun andre Lieder drein, während Jörgli mit seinen Kameraden sang; Jörgli stand auf und rief: „Halt’s Maul, Tolpatsch.“ Da ergriff dieser eine volle Flasche und warf sie dem Jörgli ins Gesicht, darauf sprang er über den Tisch und packte ihn an der Gurgel, die Tische fielen um, die Gläser klirrten auf dem Boden, die Musik hielt ein, eine Weile war alles still, es war, als wollten sich die beiden Kämpfenden still erwürgen; dann aber entstand wieder allgemeines Hallo, Pfeifen, Schreien und Toben untereinander. Die Freunde wehrten ab, indes nach einer alten Bauerntaktik hielten sie beim Abwehren nur den Gegner ihres Freundes fest, damit dieser um so tüchtiger drauf klopfen konnte. Die Mechthilde aber riß den Jörgli so wacker am Kopf, daß sie ihm ein ganz Büschel Haar ausraufte. Stuhlbeine wurden nun abgeknickt, die Parteien, die sich um die beiden Kämpfenden gebildet hatten, zerbläuten einander nach Herzenslust. Aloys und Jörgli aber hielten sich, wie wenn sie sich ineinander verbissen hätten. Endlich nach langem Ringen hob sich Aloys in die Höhe und warf den Jörgli auf den Boden, daß man meinte, er hätte das Genick gebrochen, dann kniete er auf ihn nieder, und es war, als ob er ihn erdrosseln wollte. Der Dorfschütz trat ein und machte dem Lärmen ein Ende. Die Musik mußte nun für heute aufhören, die beiden Hauptkämpfer mußten in das Gefängnis des Rathauses wandern.

Mit einem zerrauften, blaumäligen Gesichte, bleich und abgehärmt, verließ Aloys des andern Tages das Dorf. Sein Urlaub war erst morgen zu Ende, aber was sollte er noch zu Hause? Er ging so gern wieder fort ins Soldatenleben, er wäre am liebsten in den Krieg gezogen. Der Schultheiß hatte ihm die Rauferei in den Paß geschrieben, Aloys ging einer harten Strafe entgegen. Er schaute sich nicht mehr um, er ging fort, ohne es zu wissen, und wünschte nie mehr wiederzukehren. Als er in Horb den Wegweiser nach Freudenstadt sah, von wo aus man nach Straßburg geht, hielt er eine Weile still, er gedachte nach Frankreich zu desertieren. Da grüßte ihn unversehens Mechthilde und fragte: „Ei, Aloys, gehst du schon wieder nach Stuttgart?“

„Ja,“ antwortete dieser und schlug den Weg dahin ein. Die Mechthilde war wie ein Wegweiser vom Himmel erschienen. Mit einem freundlichen „B’hüt Gott“ schied er von ihr.

Auf dem Wege summte ihm immer das Lied im Kopfe, das der Jörgli einst zuerst gesungen hatte; jetzt konnte es der Aloys auch singen, und jetzt paßte es erst ganz auf das Marannele. Er summte immer, ohne daß er es wußte, vor sich hin:

„Ach wie bald, ach wie bald
Schwindet Schönheit und Gestalt.
Thust du stolz mit deinen Wangen,
Die wie Milch und Purpur prangen,
Ach, die Rosen welken all.“

In Stuttgart angelangt, sprach er nicht mehr mit der Wache am Tübinger Thor und der an der Kaserne, er schaute wie ein Verbrecher kaum auf. Acht Tage mußte er im „dritten Grad“, in einem finstern Gefängnisse, seine Rauferei abbüßen. Oft war er so ungeduldig und wild, daß er sich an der Wand den Kopf entzweirennen wollte, dann aber lag er wieder fast Tag und Nacht im halben Schlaf.

Als er aus dem Gefängnisse kam und auf sechs Wochen in die Strafklasse eingereiht wurde, die sich keine Stunde von der Kaserne entfernen darf, sondern immer zum Appell bereit sein muß, da verfluchte er seinen Vorsatz, daß er zum Militär gegangen war und sich so noch auf sechs Jahre an die Heimat gebunden hatte. Er wäre gern fort, fort, so weit als es ging.

Da kam eines Tages Mutter Marei mit einem Briefe von ihrem Matthes aus Amerika. Er hatte vierhundert Gulden geschickt, damit sich der Aloys einen Acker kaufe, oder, wenn er zu ihm wolle, sich mit dem Gelde vom Militär losmache.

Der Aloys, der Matthes vom Berg mit seiner Frau und seinen acht Kindern, darunter auch die Mechthilde, wanderten noch diesen Herbst gemeinschaftlich nach Amerika aus.

Als Aloys auf der See war, da summte er oft die Strophe des allbekannten Liedes vor sich hin, er verstand sie erst jetzt recht:

„Das, das, das und das,
Das Schifflein hat den Lauf;
Der, der, der und der,
Der Schiffmann steht schon drauf,
Spür’ ich einen rechten Sturmwind wehn,
Als wollt’ das Schiff zu Grunde gehn,
Da stehen meine Gedanken
Zu wanken.“

In seinem letzten Briefe, vom Ohio, schreibt der Aloys an seine Mutter:

„. . . . Es drückt mir oft schier das Herz ab, daß ich all das viele Gut so allein genießen soll. Ich wünsch’ mir oft ganz Nordstetten herbei: den alten Zahn, das blinde Konradle, das Schackerle von der Steingrub, den Soges, den Sauerbrunnenbasche und das Maurizele vom Hungerbrunnen, die sollten sich alle bei mir satt essen, bis sie nimmer weiter können. Was hab’ ich davon, wenn ich so allein da bin? Da könntet ihr dann auch sehen, wie der Tolpatsch jetzt seine vier Ross’ im Stall und zehn Fohlen im Felde hat. Wenn’s dem Marannele nicht gut geht, schreibet mir’s auch, ich will ihm was schicken; es darf aber nichts davon erfahren, von wem es ist, es dauert mich ins Herz hinein. Der Matthes vom Berg wohnt eine Stund’ von mir. Die Mechthilde ist eine tüchtige Schafferin, aber sie ist doch kein Marannele. Wenn es ihm nur auch gut geht. Hat es schon Kinder? Auf der Ueberfahrt ist auch ein gestudierter Landsmann, der Doktor Stäberle von Ulm, bei uns gewesen, der hat mir an einer Weltkugel gezeigt, daß, wenn in Amerika Tag, es in Nordstetten Nacht ist, und so umgekehrt; ich hab’ nicht mehr daran gedacht, aber jetzt, wenn ich als im Feld bin und so denk: was machen sie denn jetzt in Nordstetten? da fällt mir’s ein: Potz Blitz, die schlafen ja jetzt, und des Schackerles Hannes, der Nachtwächter, ruft sein: ›B’hüt uns Gott und Maria.‹ Am Sonntag ist mir’s am ärgsten, daß in Nordstetten jetzt Samstag zu Nacht ist. Das sollt’ nicht sein, es sollt’ alles einen Tag haben. Am letzten Sonntag haben wir aber doch beim Matthes auf dem Berg getanzt, da war ja Kirchweih in Nordstetten. Ich vergess’ das nie, und wenn ich hundert Jahr alt werde. Ich möcht’ nur auch einmal wieder eine Stund’ in Nordstetten sein, da wollt’ ich auch dem Schultheiß zeigen, was ein freier Bürger von Amerika ist.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 1