Schwarzwälder Bauern

Zur Unterhaltung und Belehrung
Autor: Aus: anonym, Illustriertes Familien-Journal. Band 16., Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schwarzwäder Bauern, Land und Leute, Schwarzwald, Sitten und Gebräuche
Wer jemals einige Blicke in Berthold Auerbachs Dorfgeschichten getan, oder wem nur ein Mal die derben und sentimentalen Bilder des „Lorle“ auf der Bühne, das Herz mit Rührung und Entzücken erfüllt haben, der interessiert sich auch für die Schwarzwälder Bauern, von welchen der Zeichner vorstehender Skizze: Schwarzwälder in der Industrieausstellung zu Rottweil, eine lebenswahre Ansicht gegeben hat.
Man erinnere sich daran, daß sie jenes gewaltige Bollwerk bewohnen, welches die Natur von Basel bis Pforzheim, in einer Ausdehnung von sieben und zwanzig Meilen zwischen Deutschland und Frankreich stellte, jenes Bollwerk, in dessen von Wald umnachteten Schluchten räuberische Fremdlinge, die in die deutschen Gauen einbrachen, zu wiederholten Malen durch mörderische Schläge daran gemahnt wurden, dass deutsche Treue am Rhein nicht ausgestorben sei. Die stolzierenden Franzosen, welche zu Ludwigs des Vierzehnten unseliger Zeit mehr als dreißig Jahre lang Süddeutschland beunruhigten, nannten die Schwarzwälder Bauern „Schnapphähne“, aber man weiß, wie kräftig deren Fäuste zu schlagen wussten.

Ein wackeres Volk von circa 330.000 Seelen bewohnt den Schwarzwald, teils auf badenschem, teils auf württembergischem Gebiete, die Männer von kräftigem Schlage, schlank, mit scharfen Augen, wohlgeschnittenem ovalem Gesicht, mit freier, fester Haltung und mit entschlossenem Ausdruck der Rede, gleich als ob der Wald mit seiner Freiheit und mit seinen hundertjährigen Stämmen seinen Einfluss auf den Volkscharakter geltend gemacht hätte.

Unter den Mädchen und Frauen trifft man eine Menge sehr hübscher Gestalten, im Antlitz eine Mischung von deutschem und italienischem Gepräge, schön geschnittene, lebhafte Augen, wohlproportionierte Nase, kleinen Mund, oft mit dem zarten Flaumanfluge auf der Oberlippe, welcher Frauen so interessant macht. Mutterwitz, Sittsamkeit und Sinnigkeit sind unter ihnen häufige Erscheinungen Man findet auf dem Schwarzwalde eine Mischung von schwäbischem und alemannischem Wesen, wie es Hebel (siehe Seite 317 u. fs. Bd. XIII des Illustrierten Familien-Journals) so anziehend geschildert hat, wie denn auch der Dialekt diesseits stark an das Schwäbische und jenseits des Gebirges an das Alemannische erinnert.

Das Beharrliche des Charakters der Schwarzwälder bekundet sich, wie bei den Wenden, auch durch die Kleidertracht und die Lebensgewohnheiten. So oft auch Schwarzwälder in badenschen und württembergischen Städten einkehren, sie nehmen nichts von den verfeinerten Sitten mit hinweg, sondern bewahren sich ihre kernige Ursprünglichkeit, Ihre Dörfer dehnen sich in vereinzelten Gebäuden oft Stunden weit durch die engen, wildromantischen Täler aus; viele Wohnungen liegen einsam an den Waldbergen, am Saume eines Gebirgsbaches, oder am Ufer eines kleinen Sees. Die Häuser sind von Holz und einem erdigen Gemenge, seltener von Ziegeln, meist mit Schindeln gedeckt, oft mit hölzernen Freitreppen, Schnitzereien an Fenster, Tür und Dach, über der Tür ein altes Kernsprüchlein, z. B. an Wirtshäusern:

Ein jeder Gast ist ehrenwert,
Der, wo' sein Geld mit Lust verzehrt,
Nicht flucht und keine Händel macht
Und auf das Zahlen ist bedacht.


In den Stuben ist Behaglichkeit, gemaltes Getäfel, Schmuck von bunten Ziegeln, alle schwere Tische und Holzschemel oder Bänke. Neben dem großen Kachelofen, den im Winter der knorrige Klotz heizt, steht der breite Großvaterstuhl. Wo kein Wirtshaus ist, übernimmt ein biederer Forstschütz oder Bauer die gastfreundliche Pflicht. Schwarzbrot und fette, unverfälschte süße Milch in großen Töpfen, Kaffee aus Schüsselchen getrunken, Rauchfleisch, ein guter billiger Wein, besonders aber der überall von den Schwarzwäldern selbst destillierte Geist von Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren und Wachholder, das sind die gewöhnlichen Genussmittel, welche dem Reisenden vorgesetzt werden.

Im ganzen Schwarzwalde, und zwar nicht bloß in den größeren Talortschaften, trifft man auf großen industriellen Fleiß, namentlich ist es feine Strohflechterei und die Uhrenfabrikation, welche viele tausend Hände beschäftigt. Außer den bekannten Wanduhren fertigen die Schwarzwälder auch eine Menge Spieluhren, welche einen ausgedehnten Absatz haben, Überhaupt hat man angefangen, sich den Anforderungen an bessere Werke und elegantere Formen, welche von der schweizer und französischen Uhrenfabrikation befriedigt, werden, anzubequemen. E. T.

Schwarzwälder in der Industrieausstellung zu Rottweil

Schwarzwälder in der Industrieausstellung zu Rottweil