Schwarze Muskat-Traube von Hamburg.

Illustrierte Garten-Zeitung (1856)
Autor: Müller, Karl (1818-1899), Erscheinungsjahr: 1856
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Schwarze Muskat-Traube von Hamburg.

Wir geben auf der anliegenden Tafel die Abbildung einer neuen Traubensorte, welche in England als Sämling gewonnen wurde und dort seit mehreren Jahren ungemein viel von sich reden macht. Sie wurde dort als Pendant zu der Stockwood Golden Grape oder gelben Stockwood-Traube und zu der ebenfalls gelben Bowood Muscat dringend empfohlen, und man rühmt von beiden sowohl die außergewöhnliche Größe der einzelnen Beeren wie der ganzen Trauben, den seinen, kräftigen, würzigen Geschmack und die ganz besonders empfehlenswerte Eigenschaft ungewöhnlicher Fruchtbarkeil. Unsere deutschen Gärtner, zumal die aus dem südlichen Weinlande, werden auf den ersten Anblick dieser Abbildung erkennen, dass diese sogenannte Hamburger Muskak-Traube nichts anderes ist, als ein durch sorgsame Treibhauskultur veredelter Nachkomme unserer süddeutschen sogen. Trollinger oder Frankenthaler blauen Traube, welche z. B. in Württemberg auf den Hügeln der Keuperformation und in Mergelböden überhaupt am häufigsten angebaut wird und den vorzugsweisen „Satz“ für die Rotwein liefernden Weinberge liefert. Trauben von der Größe unserer Abbildung sind in guten Weinjahren sogar bei uns im freien Weinberg oder Rebspalier bei unseren Trollinger Reben nichts seltenes. Aber dieselbe Traubensorte war vor einigen Jahren in Van Houtte's Journal Flore des Serres in einem Prachtexemplar abgebildet, wo die Traube, welche den auf die beste neue Weinrebe ausgesetzten Preis der britischen Gartenbau-Gesellschaft vom Jahre 1856 gewonnen hatte, eine Länge von 22 — 23 Zentimeter nach allen Dimensionen aufweist, und hierdurch in der Tat das Prädikat eines Prachtexemplars von Traube vollkommen verdient. Trauben von zwei bis drittehalb Pfund Gewicht sind bei dieser Muskat-Traube gar nichts außergewöhnliches.

Jedoch abgesehen davon, ob die Hamburger Muskat-Traube nur eine veredelte Trollinger oder Frankenthaler ist (wie wir zu glauben geneigt sind) oder nicht, so finden wir in diesem vorliegenden Fall aufs neue wieder die alte pomologische Erfahrung bestätigt, daß die Veredlung unserer Obstsorten gerade da ein Hauptaugenmerk der Gärtner ist, wo die klimatischen Bedingungen eine Freilandkultur nicht zulassen. Dies sollte für unsere deutschen Gärtner und Gartenfreunde ein bedeutsamer Wink sein, unsere einheimischen oder eingebürgerten Obstsorten und namentlich unsere Weinreben durch eine sorgfältige Treibhauskultur zu veredeln. Und jedenfalls verdanken wir dem Engländer, welcher vorliegende Traube als Sämling gezüchtet hat, den beachtenswerten Fingerzeig, daß die Trollinger Traube zur Fensterkultur und zum Treiben sich besser eignet als man seither glaubte oder wusste, und daß die Einführung dieser neuen Varietät, die von den französischen und belgischen Gärtnern lebhaft befürwortet wird, für unsere Rebspaliere sehr lohnend und sogar für den eigentlichen Weinbau äußerst wichtig zu werden verheißt.

Schwarze Muskat-Traube von Hamburg, 1861

Schwarze Muskat-Traube von Hamburg, 1861