Aus dem Farmerleben Missouris -2-

„Und wie sollten sie denn entfliehen können?“ fragte Mrs. Draper. „Muß denn nicht ein Neger, wenn er nur selbst auf eine andere Farm oder Plantage hinübergeht, einen Paß haben, ohne den er von jedem weißen Mann festgenommen werden kann? Und liefert nicht selbst dann, wenn der flüchtige Neger den Freistaat wirklich erreicht hat, dieser, zur Schande der Vereinigten Staaten, den festgenommenen Sklaven an seinen Herrn aus? Wie also soll ein solcher armer Mensch denn entkommen, wenn er niemand weiß, an den er sich wenden kann, wenn er niemand hat, der ihn unterstützt und ihm forthilft, und wer das tut - hat Zuchthausstrafe zu erwarten.“

„Das Ausliefern muß aber sein“, fiel ihr hier Hennigs in die Rede, „wie könnten denn die Vereinigten Staaten einig nebeneinander bestehen, wenn sie einander ihr Eigentum vorenthalten wollten; das gäbe ja zu endlosen Streitigkeiten Anlaß und müßte nach und nach zu Haß und Zwietracht führen. Nein, es ist allerdings schlimm, daß wir die Sklaverei haben, und ich selbst wollte Gott danken, wenn es ein Mittel gäbe, ihrer los und ledig zu werden. Wenn wir zum Beispiel alle von Negern Abstammende wieder über die See zurück in ihre Heimat senden könnten, wie ja der Anfang dazu auch mit Liberia gemacht ist; da aber die klügsten Leute im Lande sich schon seit langen Jahren vergebens die Köpfe zerbrochen haben, wie dem am besten abzuhelfen wäre, so wird unsereiner doch auch nicht dagegen ankämpfen sollen. Das Bestehende, wie es nun einmal besteht, muß der einzelne ehren.“


Lucy hatte indessen aus einer Spalte über dem Kamin ein zusammengefaltetes Zeitungsblatt herausgenommen, schlug es jetzt auseinander und hielt es dem jungen Mann entgegen.

„Sie behaupten, es entflöhen hier in Missouri keine Neger ihren Herren?“ fragte sie mit leisem Vorwurf im Ton. „Da, überzeugen Sie sich selbst; hier stehen drei angegeben, und vor jedem ein kleines Bildchen: ein armer Neger mit seinem Päckchen auf dem Rücken. Der eine ist sogar von einem unserer Nachbarn aus dem nächsten County, von Squire Wallis.“

„Das spricht für und wider mich“, sagte Hennigs, „wider mich wegen des Entlaufens, für mich, weil eben dieser Wallis auch einer von Ihren sogenannten frommen Leuten ist; er hat sogar schon gepredigt, und die Presbyterianer halten ihn für ein besonderes Licht, das dem Staat und ihrer Kirche in diesem Mann aufgegangen sei. Gott bewahre uns vor solcher Beleuchtung!“

„Behandelt Mr. Wallis seine Sklaven wirklich so arg?“ fragte die Matrone.

„Davon waren Draper und ich neulich Zeuge“, erwiderte ihr Hennigs, „wir ritten gerade vorbei, als er einen seiner jungen Neger an einen Baum gebunden hatte und ruhig daneben seine Pfeife rauchte; dann und wann nur, wie um sich eine kleine Bewegung zu machen, stand er auf und peitschte den Unglücklichen höchst eigenhändig, daß ihm das klare Blut am Rücken herunterlief. Wir fragten ihn, was ihn zu einer so fürchterlichen Strafe veranlaßt habe, er behauptete aber, er tue das aus christlicher Milde; es sei gegen seine Grundsätze, einen seiner Sklaven im Zorn zu strafen, und da kühle er sich in der Zwischenzeit immer erst ein wenig ab, um ruhig zu bleiben und nicht hitzig zu werden.“

„Und das nennen Sie ein freies Land?“ rief die Matrone entrüstet.

„Und das nennen Sie einen frommen Christen?“ warf Hennigs dagegen ein. „Ist Ihnen da nicht Ihr Mann mit all seinen kleinen Fehlern und Eigenheiten, meinetwegen Schwächen, zehntausendmal lieber, selbst wenn er dann und wann das untere Ende des Whiskykrugs höher hebt als das obere und seinem Herzen mit etwas rauh klingenden, aber keineswegs bös gemeinten Worten Luft macht?“

„Aber das viele gotteslästerliche Fluchen könnte er doch lassen“, sagte Mrs. Draper, freilich schon um vieles milder gestimmt.

„Ja, und Sie auch, Sir“, lachte Sally, „Lucy hat schon oft gesagt, Sie wären ein ganz guter Mensch, wenn Sie nur nicht immer...“

„Sally! „ rief Lucy, „wie kannst du nur...“

Ein plötzliches Anschlagen der Hunde unterbrach hier jede weitere Rede, und gleich darauf trat auch, die Mütze fest in die Stirn gedrückt und die Büchse in der Hand, die er, ohne sich weiter umzusehen, auf die über der Tür eingeschlagenen Pflöcke legte, Draper ein.

„Da bin ich wieder“, sagte er und drehte sich in diesem Augenblick nach den Seinen um, sein Antlitz war aber auffallend bleich, sein ganzes Wesen schien erregt, und er fuhr merklich zusammen, als er einen Fremden an seinem Kamin erblickte, faßte sich jedoch augenblicklich und streckte dem schnell erkannten Freund die Rechte entgegen.

„Und ohne die Pferde?“ fragte Hennigs, der die dargebotene Hand derb schüttelte. „Mit leeren Zügeln? Die Damen hier scheinen deren Ankunft fest erwartet zu haben.“

„Dann müssen die Damen noch etwas Geduld haben“, lächelte der Alte und nahm die Mütze ab, die er oben auf eine Ecke des Kaminsimses legte. Dabei schienen aber seine Gedanken wieder weit hinwegzuschweifen, und er starrte, die Hand noch immer oben an dem Brett, wohl mehrere Minuten lang, wie in tiefes Nachdenken versunken, auf die im Kamin glimmenden Kohlen nieder.

„Mr. Hennigs hat die Fährten im Potters Creek gesehen, Vater“, brach endlich Sally das Schweigen, „sie müssen nach der Niederung hinunter sein, und da, weißt du wohl, wenn sie erst in den Schilfbruch kommen, findest du sie immer nicht gleich wieder. Am Ende versäumen wir morgen den Anfang des Campmeetings.“

„Das wäre freilich entsetzlich“, lächelte der Alte, der jetzt seine volle Ruhe wiedererlangt hatte und sich behaglich auf den für ihn hingeschobenen Stuhl niederließ, „und dann können du und Lucy auch nicht eure neuen Kleider und Bonnets 1) zeigen, und Mutter müßte das schöne Umknüpftuch noch ganze vierzehn Tage länger in der Kiste liegen lassen.“

„Aber, Mann!“ unterbrach ihn vorwurfsvoll Mrs. Draper. „Willst du denn behaupten, daß wir solcher sündlichen Eitelkeit wegen zu der Versammlung reiten? Habe ich dir dazu schon je Ursache gegeben?“

„Vater ist überhaupt heute so sonderbar!“ sagte Sally plötzlich, indem sie auf ihn zuging und ihm scharf ins Auge schaute. „Es fiel mir gleich auf, wie er hereintrat; ich weiß nicht...“

„Aber ich weiß, was Jungfer Naseweis zu tun hat“, sagte der Alte und ergriff sie lächelnd beim Kinn, „draußen steht Mr. Hennigs Pony und wiehert nun schon, so lange ich im Hause bin, ganz ungeduldig um den versteckten Mais herum. Geh und gib ihm ein halbes Dutzend Kolben, und dann wollen wir das Pferd aushobbeln 2), es mag sich hier herum sein Futter selbst suchen. Du mußt ihm aber vorher die kleine Hausglocke umschnallen, sie hängt hinten an der Hausecke.“

Sally sprang singend hinaus, um den erhaltenen Auftrag zu erfüllen; Draper aber ging zu seiner Frau hin, strich ihr schmeichelnd die nur noch halb schmollend weggedrehte Wange und sagt gutmütig:

„Bist nicht böse, Alte, weißt schon, wie’s gemeint ist; ein bißchen eitel seid ihr aber alle, wenn ihr’s auch nicht wollt merken lassen, denn in ihrem Alltagskleid ginge keine von euch zum Campmeeting, soviel weiß ich.“

„Das würde sich auch nicht schicken, Draper, das würde sich auch nicht schicken; wenn wir zu dem Herrn beten, müssen wir auch zeigen, daß wir etwas darauf halten, mit anständigem Äußern vor ihn zu treten.“

„Das wäre dem lieben Gott, so wie ich ihn kenne, sehr gleichgültig“, lachte Draper gutmütig, „doch du hast recht, du meinst’s ehrlich dabei und bist auch sonst brav und wacker; nur das scheinheilige Pack kann ich nicht leiden. - Aber, Hennigs, wo habt Ihr denn die Pferde gesehen?“

„Die Pferde nicht, nur die Spuren“, erwiderte dieser, „sie kamen aus den Hügeln herunter und gingen über den Kreuzweg hinüber der Niederung zu. Wenn ich nicht ganz irre, habe ich sogar die Schelle gehört, die der Fuchs um hat.“

„Ja, die schallt am weitesten. Es ist wohl möglich; nun, dann finde ich sie heut abend an der Buffalolick, dorthin gehen sie gewöhnlich, wenn sie überhaupt die Richtung einschlagen.“

„Ich sah auch dort oben die Spuren eines Mannes“, fuhr Hennigs fort, „und glaubte erst, als ich hier hörte, Ihr wäret ausgegangen, um die Pferde zu suchen, es seien die Euren gewesen. Der die hinterließ, trug aber Schuhe; es wird wohl ein Jäger gewesen sein.“

„Ja, ja, es wird wohl ein Jäger gewesen sein“, sagte der Alte, stand auf und schritt dann ein paarmal in der Stube auf und ab. „Ja“, fuhr er dann fort, „ich habe sie auch gesehen, sie gingen nach Süden, den Ansiedlungen zu; wahrscheinlich ein Jäger. Aber was ist das für ein Zeitungsblatt?“

„Dasselbe, das der Sheriff heute morgen hier hereingelegt hat, Vater“, erwiderte ihm Lucy, „wir blätterten darin herum.“

„Nun, gibt es Neuigkeiten aus St. Louis?“ fragte der Alte und fuhr sich mit der linken Hand über die breite, offene Stirn, als ob er alle anderen Gedanken daraus verscheuchen wollte. „Wie steht’s mit der Wahl? Was sagt unser Demokrat da? Hat Polk Aussichten?“

„Nun, Missouri läßt ihn sicher nicht im Stich“, lachte Hennigs. „Das war’s aber nicht, wir haben uns nicht mit Politik beschäftigt, sondern nur über eine Frage debattiert, die das gute Verständnis der südlichen und nördlichen Staaten betraf - über die Sklaverei, und zur Erläuterung derselben lasen wir hier einige Anzeigen von entlaufenen Sklaven.“

„Von entlaufenen Sklaven? Wo? Zeigt her!“ rief Draper schnell, und zwar mit einem Interesse, das einem genauen Beobachter sicherlich hätte auffallen müssen; Hennigs aber, die Bewegung einzig und allein der Neugierde zuschreibend, hielt ihm ruhig das Blatt hin und sagte:

„Drei Stück - Wallis hat auch wieder einen hineinsetzen lassen.“

„ Neunzehn Jahre alt“, las Draper, „schlank gewachsen, mit freier, hoher Stirn und besonders wolligem Haar; Farbe: Ebenholzschwärze, Größe: fünf Fuß, sieben Zoll das stimmt alles.“

„Was stimmt?“ fragte Hennigs.

„Was stimmt? Ah, nun, die... Oh, ich kenne den Burschen wahrscheinlich, der entlaufen ist“, erwiderte Draper und wandte sich, wie um besser lesen zu können, mit der Zeitung ab, dem Licht zu.

„Ist es etwa der, den er vor kurzer Zeit so fürchterlich mißhandelte?“ fragte Hennigs.

„Derselbe; sein Rücken ist noch jetzt blutig und zerfleischt, die Narben hatten noch keine Zeit, wieder zu heilen, der arme Teufel konnte Tag und Nacht kein Auge schließen vor Schmerz und Qual und mußte dennoch arbeiten. - Donnerwetter, Alte, wo ist denn eigentlich der Whisky?“, unterbrach er sich plötzlich und bog sich nieder, um unter den Fuß des Bettes zu sehen, wo die fragliche Steinkruke gewöhnlich ihren Platz hatte. „Ich bin trocken wie eine Ohio-Chaussee, ich staube ordentlich. Glaubt ihr, man soll euch die Pferde suchen und nachher nicht einmal einen Tropfen trinken? Ich verdurste, wenn ich nicht bald etwas bekomme!“

„Vater hat wohl die Pferde gesucht, hat sie aber noch nicht gefunden“, sagte Sally und schöpfte dabei, als sie eben in die Tür trat, den Flaschenkürbis voll des klaren Quellwassers, das in einem Eimer auf dem dort angebrachten Regal stand.

„Ist mein kleiner ‚Kiek in die Welt‘ auch schon wieder da?“ lachte der Alte. „Also, weil ich sie nicht gefunden habe, brauch ich auch nicht trocken im Hals geworden zu sein? Und Wasser soll ich trinken? Wettermädchen, das folgt der Alten aufs Haar! Nein, Kinder, einen Schluck Whisky muß ich vorher aufsetzen, aber laß nur das Wasser hier, Sally, zum Nachtrinken gibt’s nichts Besseres auf der ganzen Welt.“

„Bester Mann“, bat Mrs. Draper, „ist nun das klare, liebe Himmelsgetränk nicht viel besser und zweckmäßiger, um selbst den brennendsten Durst zu löschen?“

„Liebe, beste Frau“, entgegnete ihr Draper, während er von der ihm gereichten Kruke den aus dem holzigen inneren Teil eines Maiskolbens bestehenden Stöpsel abzog und dann etwas von dem goldklaren Inhalt in den großen, vor ihm auf dem Tisch stehenden Blechbecher ausgoß, „das Wasser ist eben ein Himmelsgetränk, wie du ganz richtig bemerkst; für uns arme Sterbliche aber müssen wir etwas Feurigeres, Herz und Seele mehr Zusammenhaltendes haben, und da hat denn der liebe Gott den Whisky erschaffen.“

„Den hat der Teufel erschaffen!“ rief Mrs. Draper lebhafter, als es sonst gewöhnlich ihre Art war. „Das ist des Teufels Erfindung!“

„So? In der Tat? Dann bin ich dem Teufel wirklich mehr verbunden, als ich bis jetzt habe glauben mögen; die Erfindung macht ihm alle Ehre und söhnt mich teilweise wieder mit ihm aus“, sagte der unverwüstliche Draper mit größter Ruhe und leerte etwa die Hälfte des Inhalts, wonach er den Rest an Hennigs hinüberschob. Dieser aber zögerte, ihn anzunehmen, und blickte sich halb unschlüssig nach Lucy um.

„Lucy sieht nicht her!“ neckte ihn Sally, der des jungen Mannes Verlegenheit keineswegs entgangen war. „Sie können’s riskieren.“

„Laßt Euch durch die Frauen nicht irremachen, Hennigs“, ermahnte ihn der Alte, „wenn ich denen glauben wollte, dann wäre das gute Getränk hier vor uns ein Haken und meine Kehle ein Arm, die mich zu zweit und mit vereinten Kräften in den Pfuhl der Hölle hineinrissen; so hat’s ihnen wenigstens neulich der Presbyterianer erklärt.“

„Du bist ein böser Mann, Draper, und drehst einem immer die Worte im Mund herum“, sagte die Matrone, reichte aber dem Gatten dabei freundlich die Hand hinüber, „du weißt ja doch recht gut, wie ich’s meine, und daß es nur immer deines eigenen Besten wegen ist, wenn ich ein Wort einwerfe über dein...“

„Trinken und Fluchen!“ fiel ihr Draper ins Wort. „Ja, ja, ich weiß schon, wovon die Rede ist. Übrigens habe ich heute noch nicht ein einziges Mal geflucht, und was den Trunk betrifft, den ich selten genug zu meiner Erholung tue, so bin ich allerdings davon überzeugt, daß du ihn mir nicht mißgönnst, da ist aber der gottverdammte...“

Sallys kleine Hand lag auf seinen Lippen, und er zog sie gutmütig lächelnd herunter und drückte einen herzlichen Kuß auf den kleinen, gespitzten Rosenmund des lieben Kindes.

„Nun, schon gut, schon gut, Sally“, sagte er dann, „bist mein gutes Mädchen. Jetzt seht aber nach euren Kühen - ach, ja so, es ist erst eine da; nun, schad’t nichts, besorgt die nur, ehe es dunkel wird, es sollen schon mehrere nachkommen, und nachher zündet auch die Lampe an, oder habt ihr die Lichter schon gegossen?“

„Ja, Vater, die letzten drei Hirsche, die du geschossen hast, hatten gar viel Talg bei sich, und aus den Bienenbäumen, die hier Mr. Hennigs für uns umgehauen, ist auch ein recht schönes Stückchen Wachs gekommen; die Lichter sind fertig.“

„Brav, Kinder, dann macht alles bereit, Hennigs und ich wollen indessen noch einmal nach der Buffalolick hinübergehen und die Pferde holen; vielleicht finden wir auch unterwegs irgendwo ein Volk Truthühner aufgebäumt, ich will auf jeden Fall die Rifle mitnehmen.“

Und der alte Mann hob die schwere Büchse von der Wand herunter, hing sich die kaum abgelegte Kugeltasche wieder um, setzte die Mütze auf und wollte eben mit seinem jungen Freund das Haus verlassen, als er plötzlich zurückprallte und erbleichend ausrief. „Tod und Teufel!“

Erschreckt sprangen seine Frau und Töchter hinzu, sie sollten aber über das, was den Vater so überrascht hatte, nicht lange im Zweifel bleiben; ein junger Neger in bloßem Kopf und nur mit einer dünnen Leinwandjacke und ebensolchen Hosen bekleidet, die nackten Füße in groben rindsledernen Schuhen, das schwarze Antlitz eingefallen und verzehrt von Todesfurcht und übermäßiger Anstrengung vielleicht, sprang auf die Schwelle, warf einen scheuen, wilden Blick über die ihn jetzt Umstehenden und brach dann, die Knie des alten Mannes krampfhaft umklammernd, vor diesem halb ohnmächtig zusammen.

„Ben, Ben, um Gottes willen, was soll das heißen?“ rief Draper und sah ängstlich nach Hennigs hinüber, der ganz überrascht dastand und gar nicht wußte, wie er diese merkwürdige Szene deuten solle.

„Rettet mich, Herr, rettet mich, wenn Ihr nicht wollt, daß sie mich bei lebendigem Leib verbrennen, wie sie’s dem armen Nigger in St. Louis getan haben, rettet mich um des Heilands willen, sie sind dicht hinter mir!“

Er blickte flehend zu ihm empor, und Hennigs konnte zum ersten Mal seine Züge erkennen. Kaum hatte er ihn aber einen Moment scharf ins Auge gefaßt, als er vorsprang, den Knieenden bei der Schulter ergriff und ausrief:

„Alle Wetter, das ist Wallis’ entlaufener Neger, halt, Bursche, wo kommst du her und wo willst du hin?“

Der unglückliche Ben warf einen flehenden Blick auf den alten Mann und sank dann, seine Knie loslassend, ohnmächtig zu Boden.

„Der Bursche hat wahrscheinlich nicht mehr weitergekonnt“, sagte Hennigs, als er ihn umwandte und fühlte, wie der arme Teufel regungslos in seinen Armen lag, „nun, ein bißchen kaltes Wasser wird ihn schon wieder zu sich selbst bringen. Sie werden ihn aber hierbehalten müssen, bis wir Wallis davon benachrichtigen können. Der wird nicht wenig froh sein, daß er seinen Neger wieder hat.“

„Sie werden ihn doch nicht ausliefern?“ rief Lucy entsetzt.

„Nicht ausliefern, Miß Lucy? - Wir sollen doch wohl nicht etwa gar einem Nigger zum Fortlaufen behilflich sein und nachher das Vergnügen im Zuchthaus büßen?“

„Man will ihn lebendig verbrennen!“ rief Sally und faltete in Todesangst die kleinen weißen Hände auf der klopfenden Brust.

„Oh, bewahre Gott!“ lächelte Hennigs. „Das wäre ja wider des Herrn eigenen Vorteil, einen seiner Sklaven umzubringen; nein, Sally, der kommt mit einer Tracht Schläge davon, und die hat der Schlingel auch eigentlich verdient, warum läuft er fort; er weiß, daß er doch am Ende wieder gefangen wird.“




1) Hauben
2) Aushobbeln nennt der Amerikaner das Zusammenbinden der Vorderbeine des Pferdes, damit sich dieses zwar langsam von der Stelle bewegen kann, um sein Futter zu suchen, aber doch nicht imstande ist, fortzulaufen
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schwarz und Weiß