Wasserläufer.

Bekanntlich will es Leute geben, die im Wasser nicht untergehen. Einer erzählte in einem Wirtshaus, er sei in Italien von der Insel Capri aus eine halbe Stunde weit aufrecht durch das Mittelländische Meer gegangen, und das Wasser sei ihm nicht höher gegangen als an die Brust. Mit der linken Hand habe er Tabak geraucht, nämlich die Pfeife gehalten, und mit der rechten ein wenig gerudert.

Ein anderer sagte: „Das ist eine Kleinigkeit. Im Krieg in den neunziger Jahren ist ein ganzes Bataillon Rotmäntler oberhalb Mannheim aufrecht über den Rhein marschiert, und das Wasser reichte keinem höher als bis an die Knie.“


Ein Dritter sagte: „Solches war keine Kunst. Denn sie hatten selbigen Tag, als sie am Rhein ankamen, schon einen Marsch von 20 Stunden zurückgelegt. So haben sie davon solche Blasen an den Füssen bekommen, dass es ihnen nicht möglich war, tiefer als so im Wasser zu sinken.“

Wie der Zundelfrieder eines Tages aus dem Zuchthaus entwich und glücklich über die Grenzen kam

Eines Tages, als der Frieder den Weg aus dem Zuchthaus allein gefunden hatte, und dachte: „Ich will so spät den Zuchtmeister nimmer wecken“, und als schon auf allen Strassen Steckbriefe voranflogen, gelangte er abends noch unbeschrien an ein Städtlein an der Grenze. Als ihn hier die Schildwache anhalten wollte, wer er sei und wie er hiesse und was er im Schilde führe: „Könnt Ihr polnisch?“ fragte herzhaft der Frieder die Schildwache. Die Schildwache sagt: „Ausländisch kann ich ein wenig, ja! Aber Polnisches bin ich noch nicht darunter gewahr worden.“--“Wenn das ist,“ sagte der Frieder, „so werden wir uns schlecht gegeneinander explizieren können.“ Ob kein Offizier oder Wachtmeister am Tor sei? Die Schildwache holt den Torwächter, es sei ein Polack an dem Schlagbaum, gegen den sie sich schlecht explizieren könne. Der Torwächter kam zwar, entschuldigte sich aber zum voraus, viel Polnisch verstehe er auch nicht. „Es geht hiezuland nicht stark ab,“ sagte er, „und es wird im ganzen Städtel schwerlich jemand sein, der kapabel wäre, es zu dolmetschen.“-- „Wenn ich das wüsste,“ sagte der Frieder und schaute auf die Uhr, die er unterwegs noch an einem Nagel gefunden hatte, „so wollte ich ja lieber noch ein paar Stunden zustrecken bis in die nächste Stadt.

Um neun Uhr kömmt der Mond.“ Der Torhüter sagte: „ Es wäre unter diesen Umständen fast am besten, wenn Ihr gerade durchpassiertet, ohne Euch aufzuhalten; das Städtel ist ja nicht gross“, und war froh, dass er seiner los ward. Also kam der Frieder glücklich durch das Tor hinein. Im Städtlein hielt er sich nicht länger auf, als nötig war, einer Gans, die sich auf der Gasse verspätet hatte, ein paar gute Lehren zu geben. „In euch Gänse“, sagte er, „ist keine Zucht zu bringen. Ihr gehört, wenn’s Abend ist, ins Haus oder unter gute Aufsicht.“ Und so packte er sie mit sicherm Griff am Hals und, mir nichts, dir nichts, unter den Mantel, den er ebenfalls unterwegs von einem Unbekannten geliehen hatte. Als er aber an das andere Tor gelangte und auch hier dem Landfrieden nicht traute, drei Schritte von dem Schilderhaus, als sich inwendig der Söldner rührte, schrie der Frieder mit herzhafter Stimme: „Wer da!“ der Söldner antwortete in aller Gutmütigkeit: „Gut Freund!“ Also kam der Frieder glücklich wieder zum Städtlein hinaus und über die Grenzen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 4