Seinesgleichen.

Ein kunstreicher Instrumentenmacher, aber ein eingebildeter und unfeiner Mann, hielt sich schon einige Zeit in einem namhaften Städtlein auf und genoss dann und wann im Löwen abends eine Flasche Wein und einen halben Vierling Käs. Eines Abends, als sich die meisten Gäste schon früher denn gewöhnlich verlaufen hatten und der Instrumentenmacher oben noch allein sass, rückt zu ihm der bekannte Zirkelschmied mit seinem Schoppen Siebenzehner hinauf. „Euer Wohlgeboren“, sagte er, „redeten da vorhin an Ihre Nachbarn über die Quadratur des Zirkels. Ich hatte keine Freude zur Sache. Leute unsersgleichen“, sagte er, „können von so etwas wohl unter sich sprechen und einander Gedanken geben. Ich z. B. wäre Euerer Meinung nicht gewesen.“ Der geneigte Leser kennt den Zirkelschmied, dass er immer auf eine Schelmerei ausgeht. Unter andern macht er sich gern an Fremde, die etwas gleich sehen, um hernach bei andern mit ihrer Bekanntschaft grosszutun, wie am Ende dieser Erzählung auch geschehen wird, und die Leute breitzuschlagen, wie man sagt. Der Instrumentenmacher aber betrachtete ihn mit einem vornehmen, verachtenden Blick und sagt: „Wenn Ihr bei Leuten Euresgleichen sein wollt, so kommt nicht zu mir; oder wer seid Ihr?“ Der Zirkelschmied, des Schimpfes und der Schande gewöhnt, erwidert: „Sollte Euer Wohlgeboren aus meiner Rede nicht erkennen, dass zwei Künstler miteinander sprechen?“ Des erboste sich der andere. noch mehr. „Ihr ein Künstler?“ fragte er ihn, „ein Kammacher oder ein Besenbinder? Wollt Ihr ein Almosen von mir?“ Der Zirkelschmied erwidert: „Herr Christlieb, das beugt mich, weniger wegen meiner, als wegen der Kunst. Leute unsersgleichen pflegen sich sonst eben so sehr durch feine Sitten auszuzeichnen als durch Kenntnisse und Geschicklichkeit.“ Da stand der Instrumentenmacher auf: „Sprecht Ihr mir schon wieder von Euresgleichen“, sagt er. „Hör’ ich’s zum dritten Mal von Euch, so werf’ ich Euch den Stuhl an den Kopf“, und lupfte ihn bereits ein wenig in die Höhe. Der Wirt aber, der bisher ruhig am Ofen stand, trat hervor und sagte: „Jetzt, Zirkelschmied, reist!“

Der Zirkelschmied aber erbost sich darüber auch und geht aus dem Löwen ins Rösslein gerad gegenüber, und „stellt euch vor“, sagte er dort zu seinen anwesenden Bekannten, „was sich der hergelaufene Instrumentenmacher, der Brotdieb, einbildet. Der hochmütige Gesell nimmt’s für einen Affrunt auf, dass ich zweimal zu ihm sagte: Leute unsersgleichen, und ich sag’s zum dritten Mal, wenn er’s hören will, der Flegel, der impertinente, der gemeine Kerl.“


Der geneigte Leser lacht ein wenig, dass der Zirkelschmied darauf beharrt, ein Mann, den er für einen Flegel und gemeinen Kerl ausgibt, sei seinesgleichen.

Lerne erstens am Zirkelschmied: Man muss nie schimpfen, wenn man im Zorn ist, sonst schimpft und verunehrt man sich selbst.

Lerne zweitens an dem Instrumentenmacher: Man muss sich, wenn man etwas ist, mit liederlichen Leuten nie in Grobheiten gemein machen, sonst macht man sich wirklich zu ihresgleichen. Der Zirkelschmied hatte insofern recht.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 4