Rettung einer Offiziersfrau.

Es muss manchmal recht wild und blutig in der Welt hergehen, dass die edle Denkungsart eines Menschen bekannt werde, den man nicht drum ansieht.

In Tirol, wo es während des letzten Krieges recht wild und blutig herging, da hatten sie eben einen bayerischen Stabsoffizier ermordet, und mit noch blutigen Säbeln und Mistgabeln drangen sie in das Gemach, wo seine Gattin mit ihrem Kind in dem Schoss weinte und ihr Leid Gott klagte, und wollten sie auch ermorden. „Ja“, fuhr sie einer von ihnen wütend an und war der allerärgste, „für Eurer Leben gibt es kein Lösegeld, und Euer Bürschlein da hat auch bayerisch Blut in den Adern. In einer Stunde müsst Ihr sterben, zuerst Euer kleiner Sadrach, hernach Ihr.--Lasst ihr eine Stunde Zeit“, sagte er zu den andern, „dass sie noch beten kann; sie ist eine katholische Christin.“


Nach einer Viertelstunde aber, als sie allein war und betete, kam er wieder und sagte: „Gnädige Frau, Ihr kennt mich noch, so bitte ich Euch, Ihr wollt ob mir nicht erschrecken und nicht in Bösem aufnehmen, was ich in guter Meinung gesagt habe. Gebt mir Euer Kind unter den Mantel, so will ich es retten und zu meiner Mutter bringen, und zieht unterdessen dieses Plunder an“, das er unter dem Mantel hervorzog, „so will ich’s probieren, ob ich Euch mit Gottes und unserer Frauen Hilfe auch kann retten.“ Als er das Kind in Sicherheit gebracht hatte und wieder kam, stand sie schon da angekleidet wie ein Tiroler. Da drückte er ihr den schlappen Hut recht ins Gesicht, richtete ihr den Hosenträger besser zurecht und gab ihr seine Mistgabel in die Hand, als wenn sie auch ein Rebeller wäre und zu den Leibgardisten und Hellebardieren des Sandwirt Hofers gehörte. „Kommt denn jetzt“, sagte er, „in Gottes Namen, und tretet herzhaft auf, wenn Ihr hinaus kommt, und macht Euch ein wenig breit.“ Als sie aber miteinander die Treppe hinabgingen, kamen die andern wieder, und: „Hast du ihr den Treff schon gegeben, Seppel?“ fragte ihn einer. Da sagte er: „Nein, sie hat die Türe zugeschlossen und gebetet. Jetzt kann sie fertig sein. Ich hab’ sie durchs Schlüsselloch gesehen, und sie stand eben auf, als ich durchsah.“ Also ging er mit ihr die Treppe hinab, und die andern stürmten an ihr vorbei, die Treppe hinauf, und während sie vor der verschlossenen Türe lärmten und pochten und in das leere Gemach hinein riefen: „Seid Ihr bald fertig? Die Türe soll bald eingetreten sein“, brachte er sie auch zu seiner Mutter und gab ihr ihr Kindlein wieder, und das Kindlein lächelte, aber sie weinte und drückte es brünstig an ihr Gesicht und an ihren Busen. Also hatte sie der edle Tiroler glücklich und mit Gottes Hilfe aus den Händen ihrer Mörder errettet und hat sie hernach die Nacht hindurch auf heimlichen Wegen fortgeführt und bis an ein bayerisch Pikett gebracht, als eben die Sonne aufging. Auf nebenstehender Figur kann man sehen, wie die Sonne eben aufgeht, indem er sie ihren Landsleuten übergibt und nichts annehmen will für seine Wohltat und für seine Mühe, als ein Trünklein Bier. Nro. 1 ist der Seppel und Nro. 2 die Offiziersfrau.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 4