König Friedrich und sein Nachbar.

Der König Friedrich von Preussen hatte acht Stunden von Berlin freilich ein schönes Lustschloss und war gerne darin, wenn nur nicht ganz nahe daneben die unruhige Mühle gewesen wäre. Denn erstlich stehn ein königliches Schloss und eine Mühle nicht gut nebeneinander, obgleich das Weissbrot schmeckt auch in dem Schloss nicht übel, wenn’s die Mühle fein gemahlen und der Ofen wohl gebacken hat. Ausserdem aber, wenn der König in seinen besten Gedanken war und nicht an den Nachbar dachte, auf einmal liess der Müller das Wasser in die Räder schiessen und dachte auch nicht an den Herrn Nachbar, und die Gedanken des Königs stellten das Räderwerk der Mühle nicht, aber manchmal das Klapperwerk der Räder die Gedanken des Königs. Der geneigte Leser sagt: „Ein König hat Geld wie Laub, warum kauft er dem Nachbar die Mühle nicht ab und lässt sie niederreissen?“ Der König wusste, warum. Denn eines Tages liess er den Müller zu sich rufen. „Ihr begreift“, sagte er zu ihm, „dass wir zwei nicht nebeneinander bestehen können. Einer muss weichen. Was gebt Ihr mir für mein Schlösslein?“--Der Müller sagte: „Wie hoch haltet Ihr es, königlicher Herr Nachbar?“ Der König erwiderte ihm: „Wunderlicher Mensch, so viel Geld habt Ihr nicht, dass Ihr mir mein Schloss abkaufen könnt. Wie hoch haltet Ihr Eure Mühle?“ Der Müller erwiderte: „Gnädigster Herr, so habt auch Ihr nicht so viel Geld, dass Ihr mir meine Mühle abkaufen könnt. Sie ist mir nicht feil.“ Der König tat zwar ein Gebot, auch das zweite und dritte, aber der Nachbar blieb bei seiner Rede. „Sie ist mir nicht feil. Wie ich darin geboren bin“, sagte er, „so will ich darin sterben, und wie sie mir von meinen Vätern erhalten worden ist, so sollen sie meine Nachkommen von mir erhalten und auf ihr den Segen ihrer Vorfahren ererben.“ Da nahm der König eine ernsthaftere Sprache an: „Wisst Ihr auch, guter Mann, dass ich gar nicht nötig habe, viel Worte zu machen? Ich lasse Euere Mühle taxieren und breche sie ab. Nehmt alsdann das Geld, oder nehmt es nicht!“ Da lächelte der unerschrockene Mann, der Müller, und erwiderte dem König: „Gut gesagt, allergnädigster Herr, wenn nur das Hofgericht in Berlin nicht wäre.“ Nämlich, dass er es wolle auf einen richterlichen Ausspruch ankommen lassen. Der König war ein gerechter Herr und konnte überaus gnädig sein, also dass ihm die Herzhaftigkeit und Freimütigkeit einer Rede nicht missfällig war, sondern wohlgefiel. Denn er liess von dieser Zeit an den Müller unangefochten und unterhielt fortwährend mit ihm eine friedliche Nachbarschaft. Der geneigte Leser aber darf schon ein wenig Respekt haben vor einem solchen Nachbar und noch mehr vor einem solchen Herrn Nachbar.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 3