Einträglicher Rätselhandel.

Von Basel fuhren elf Personen in einem Schiff, das mit allen Kommlichkeiten versehen war, den Rhein hinab. Ein Jude, der nach Schalampi wollte, bekam die Erlaubnis, sich in einen Winkel zu setzen und auch mitzufahren, wenn er sich gut aufführen und dem Schiffer achtzehn Kreuzer Trinkgeld geben wolle. Nun klingelte es zwar, wenn der Jude an die Tasche schlug, allein es war doch nur noch ein Dreibatzenstück darin; denn das andere war ein messingener Knopf. Dessenungeachtet nahm er die Erlaubnis dankbar an. Denn er dachte: „Auf dem Wasser wird sich auch noch etwas erwerben lassen. Es ist ja schon mancher auf dem Rhein reich geworden.“ Im Anfang und von dem Wirtshaus zum Kopf weg war man sehr gesprächig und lustig, und der Jude in seinem Winkel und mit seinem Zwerchsack an der Achsel, den er ja nicht ablegte, musste viel leiden, wie man’s manchmal diesen Leuten macht und versündiget sich daran. Als sie aber schon weit an Hüningen und an der Schusterinsel vorbei waren und an Märkt und an dem Isteiner Klotz und St. Veit vorbei, wurde einer nach dem andern stille und gähnten und schauten den langen Rhein hinunter, bis wieder einer anfing: „Mausche“, fing er an, „weisst du nichts, dass uns die Zeit vergeht? Deine Väter müssen doch auch auf allerlei gedacht haben in der langen Wüste.“--Jetzt, dachte der Jude, ist es Zeit, das Schäflein zu scheren, und schlug vor, man sollte sich in der Reihe herum allerlei kuriose Fragen vorlegen, und er wolle mit Erlaubnis auch mithalten. „Wer sie nicht beantworten kann, soll dem Aufgeber ein Zwölfkreuzerstück bezahlen; wer sie gut beantwortet, soll einen Zwölfer bekommen.“ Das war der ganzen Gesellschaft recht, und weil sie sich an der Dummheit oder an dem Witz des Juden zu belustigen hofften, fragte jeder in den Tag hinein, was ihm einfiel. So fragte z. B. der erste: „Wie viel weichgesottene Eier konnte der Riese Goliath nüchtern essen?“--Alle sagten, das sei nicht zu erraten, und bezahlten ihre Zwölfer. Aber der Jude sagte: „Eins, denn wer ein Ei gegessen hat, isst das zweite nimmer nüchtern.“ Der Zwölfer war gewonnen.

Der andere dachte: Wart’, Jude, ich will dich aus dem Neuen Testament fragen, so soll mir dein Dreibätzner nicht entgehen. „Warum hat der Apostel Paulus den zweiten Brief an die Korinther geschrieben?“ Der Jud sagte: „Er wird nicht bei ihnen gewesen sein, sonst hätt’ er’s ihnen mündlich sagen können.“ Wieder ein Zwölfer.


Als der dritte sah, dass der Jude in der Bibel so gut beschlagen sei, fing er’s auf eine andere Art an: „Wer zieht sein Geschäft in die Länge, und wird doch zu rechter Zeit fertig?“ Der Jud sagte: „Der Seiler, wenn er fleissig ist.“

Der vierte: „Wer bekommt noch Geld dazu und lässt sich dafür bezahlen, wenn er den Leuten etwas weismacht?“ Der Jud sagte: „Der Bleicher.“

Unterdessen näherte man sich einem Dorf, und einer sagte: „Das ist Bamlach.“ Da fragte der fünfte: „In welchem Monat essen die Bamlacher am wenigsten?“ Der Jud sagte: „Im Hornung, denn der hat nur 28 Tage.“

Der sechste sagt: „Es sind zwei leibliche Brüder, und doch ist nur einer davon mein Vetter.“ Der Jud sagte: „Der Vetter ist Eures Vaters Bruder. Euer Vater ist nicht Euer Vetter.“

Ein Fisch schnellte in die Höhe, so fragt der siebente: „Welche Fische haben die Augen am nächsten beisammen?“ Der Jud sagte: „Die kleinsten.“

Der achte fragt: „Wie kann einer zur Sommerszeit im Schatten von Bern nach Basel reiten, wenn auch die Sonne noch so heiss scheint?“ Der Jud sagt: „Wo kein Schatten ist, muss er absteigen und zu Fuss gehn.“

Fragt der neunte: „Wenn einer im Winter von Basel nach Bern reitet und hat die Handschuhe vergessen, wie muss er’s angreifen, dass es ihn nicht an die Hand friert?“ Der Jud sagt: „Er muss aus der Hand eine Faust machen.“

Fragt der zehnte: „Warum schlüpfet der Küfer in die Fässer?“ Der Jud sagt: „Wenn die Fässer Türen hätten, könnte er aufrecht hineingehen.“

Nun war noch der elfte übrig. Dieser fragte: „Wie können fünf Personen fünf Eier teilen, also dass jeder eins bekomme und doch eins in der Schüssel bleibe?“ Der Jud sagte: „Der letzte muss die Schüssel samt dem Ei nehmen, dann kann er es darin liegen lassen, solang er will.“

Jetzt war die Reihe an ihm selber, und nun dachte er erst einen guten Fang zu machen. Mit viel Komplimenten und spitzbübischer Freundlichkeit fragte er: „Wie kann man zwei Forellen in drei Pfannen backen, also dass in jeder Pfanne eine Forelle liege?“ Das brachte abermal keiner heraus, und einer nach dem andern gab dem Hebräer seinen Zwölfer.

Der Hausfreund hätte das Herz, allen seinen Lesern, von Mailand bis nach Kopenhagen, die nämliche Frage aufzugeben, und wollte ein hübsches Stück Geld daran verdienen, mehr als am Kalender selber, der ihm nicht viel einträgt. Denn als die elfe verlangten, er sollte ihnen für ihr Geld das Rätsel auch auflösen, wand er sich lange bedenklich hin und her, zuckte die Achseln, drehte die Augen. „Ich bin ein armer Jüd“, sagte er endlich. Die andern sagten: „Was sollen diese Präambeln? Heraus mit dem Rätsel!“--“Nichts für ungut!“--war die Antwort--“dass ich gar ein armer Jüd bin.“--Endlich nach vielem Zureden, dass er die Auflösung nur heraussagen sollte, sie wollten ihm nichts daran übelnehmen, griff er in die Tasche, nahm einen von seinen gewonnenen Zwölfern heraus, legte ihn auf das Tischlein, so im Schiffe war, und sagte: „Dass ich’s auch nicht weiss. Hier ist mein Zwölfer!“

Als das die andern hörten, machten sie zwar grosse Augen und meinten, so sei’s nicht gewettet. Weil sie aber doch das Lachen selber nicht verbeissen konnten, und waren reiche und gute Leute, und der hebräische Reisegefährte hatte ihnen von Kleinen-Kems bis nach Schalampi die Zeit verkürzt, so liessen sie es gelten, und der Jud hat aus dem Schiff getragen--das soll mir ein fleissiger Schüler im Kopf ausrechnen: wie viel Gulden und Kreuzer hat der Jude aus dem Schiff getragen? Einen Zwölfer und einen messingenen Knopf hatte er schon. Elf Zwölfer hat er mit Erraten gewonnen, elf mit seinem eigenen Rätsel, einen hat er zurückbezahlt und dem Schiffer achtzehn Kreuzer Trinkgeld entrichtet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 3