Der Bock.

Einst im strengen Winter, an einem Sonntag abends, fuhr eine fremde, wunderschöne Frau den Schliengener Berg hinauf, und als auf einmal die Pferde stillstanden, waren sie auch klüger als ein Bauersmann, der vor ihnen mitten im Weg und im Schnee lag und schlief. Denn die Pferde hatten nur Haber im Leib, aber der Bauersmann Branntewein und kam von unten herauf, wollte nach Kandern gehen, verfehlte aber in Schliengen den Rang. Die wunderschöne Frau liess ihn wecken. „Fehlt Euch etwas, guter Mann, oder seid Ihr sonst in den Schnee gefallen?“ - „Nein“, stammelte der Bauersmann, „ da ist mir eine schwarze Katze mit feurigen Augen vor meinen Augen herumgefackelt und hat mich irregeführt und schlaftrunken gemacht, und wenn ich weiss, wo ich bin,--so weiss es“--das Kind im Mutterleib, wollte er etwa sagen, aber er brachte es nicht heraus.--“Ihr seid betrunken, guter Mann, und wenn Ihr hier liegen bleibt, müsst Ihr erfrieren.“--“Wenn ich betrunken bin“, fragte er, „habt Ihr mir den Rausch bezahlt, oder hab’ ich ihn bezahlt, oder bin ich ihn nicht vielmehr noch schuldig?“ Als aber die Frau, so freundlich sie ist und sein kann, ihm zuredete, vornen auf den Bock zu sitzen bis zum nächsten Ort,-- „Bock sitzen?“ dachte er in seinem erschrecklichen Rausch und fing auf einmal an, aus einem andern Ton zu sprechen. „Ihr seid die schwarze Katze und habt Euch in eine heidnische Prinzessin verwandelt. Um Gottes willen, verschont mich nur diesmal!“ Denn er dachte an einen andern Bock, auf dem die Hexen reiten, und jetzt geh’ es zum Pech- und Schwefel-Brünnlein, und nicht zur Kalten Herberge, die auf dem Schliengener Berg steht, sondern zur heissen. In seinem Leben wollte er keinen Rausch mehr trinken. Allein das half alles nichts, sondern der Kutscher, der Postillion von Müllheim, band ihn auf den Bock. Und so fuhr er mausstill und in ängstlicher Erwartung seines Schicksals mit bis zur Station. Auf der Station aber, auf Kaltenherberge, legten ihn die Postknechte in einen warmen Kuhstall und liessen ihn seinen Rausch dort ausschlafen. Aber noch bis, auf diese Stunde glaubt der Mann, er sei verhext und bezaubert gewesen, und hat seitdem keinen Rausch mehr getrunken, ausgenommen an den Werktagen.

Dies Geschichtlein ist wahr, und wenn’s auch nicht zwischen Schliengen und Kaltenherberge sollte geschehen sein, und der Hausfreund kennt die schöne Frau. Hat sie’s ihm nicht selber geschrieben von Freiburg aus im Üchtland?


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 1