Das Vivat der Königin.

Nicht ebenso gut als der Franzos, der dem Engländer auf der Brücke zu Pferd begegnete, kam ein anderer Franzos zu Königszeiten mit einem andern Engländer davon in einem Wirtshaus. Der Engländer sass schon über eine halbe Stunde still und stumm in einer Ecke und wartete auf einen Chirurgus, hätte gern die Zähne zusammengebissen vor Ungeduld, aber einer davon war hohl und tat ihm von Zeit zu Zeit entsetzlich weh, zum Exempel diesmal. Kommt auf einmal der Franzose, ein Perückenmacher oder so etwas, an den Tisch, wo der Engländer sass, und wollte seinen Kameraden einen Spass zum besten geben. Denn er glaubte, der Engländer sei dumm oder noch scheu dortzuland. Also fing er ein langes Gespräch mit ihm an, worauf der Engländer wenig antwortete, rühmte ihm, was Frankreich für ein reiches und grosses Land sei, und dass einer schon ein gutes Pferd haben müsse, wenn er’s in drei Vierteljahren durchreiten wollte, und wie der König so gerecht sei, und die Königin so gut. „Aber auf das Wohl der Königin“, sagte er, „trinkt Ihr doch eins mit mir, und noch mehr?“ Als sie ausgetrunken hatten, zerriss der Franzos die Hemdkrause an seinem alten, abgewaschenen Hemde und sagte: „Es lebe die Königin! Gentleman“, sagte er, „Ihr müsst Eure Hemdkrause auch zerreissen auf das Wohlsein der Königin. Ich hab’ meine auch zerrissen.“ „Geht zum Henker, Ihr Sapperment“, sagte der Engländer, „Euer Hemd hat nimmer weit in die Papiermühle. Meins kommt nagelneu von der Näherin weg und ist an einigen Orten noch ganz heiss vom Durchzug der Nadel.“ Aber der Perückenmacher sagte: „Herr, ich verstehe keinen Spass! Entweder zerreisst Ihr Euer Hemd, oder Ihr müsst Euch mit mir stechen auf Leben und Tod.“ Wollte der fremde Engländer keinen Spektakel haben, so musste er seine Hemdkrause zerreissen wie der Franzose. Aber jetzt wurde er auf einmal freundlich und redselig und erzählte dem Perückenmacher viel von England und von London und von dem grossen Kirchturm in London, und wie einer droben schon gute Augen haben müsse, wenn er unten die Stadt noch sehen wolle; bis der Chirurgus kam. Als der Chirurgus kain und fragte, was der fremde Herr befehle, „seid so gut“, sagte der Engländer, „und zieht mir diesen Stockzahn da aus, den dritten, aufs Wohlsein der Königin von England.! Herr“, sagt er zu dem Perückenmacher, „Ihr bleibt da sitzen und rührt Euch nicht.“ Als der Zahn glücklich heraus war, sagte er zu dem Zahnarzt: „Seid so gut und zieht jetzt diesem Herrn da ebenfalls einen Zahn aus aufs Wohlsein der Königin von England. Guter Freund“, sagte er, „Ihr müsst Euch auch einen ausreissen lassen, ich hab’ mir auch einen ausreissen lassen.“ Da verging dem Spassmacher der Mutwillen und die roten Backen, und protestierte zwar, die Sache sei nicht gleich. „Euer Zahn da“, sagte er, „ist so hohl, dass eine Häsin drin setzen könnte. Die meinigen sind alle so kerngesund, dass ich eine Bleikugel damit breit beissen kann. Wenn drei Lilien drauf wären könnt’ ich Geld damit prägen.“ Aber der andere gab darauf kein Gehör, sondern sagte: „Herr, ich verstehe keinen Spass! Entweder Ihr lasst Euch einen Zahn ausbrechen auf der Stelle, oder Ihr könnt Euch mit mir stechen auf Leben und auf Tod, und ich bohr’ Euch da an die Tür hinan, dass der Degen eine Elle weit in die Kammer hineingeht.“ Da dachte der Perückenmacher: Ein Zahn,--Ein Leben!--Neun Kinder hab ich daheim.--Lieber ein Zahn. Also liess er sich wohl oder übel auch einen ausreissen, und schieden darauf in Frieden voneinander. Aber zu seinen Kameraden sagte er nachher: „Diesmal mit einem Fremden Mutwillen getrieben, den ich nicht kenne! Hört man mir nichts an, wenn ich rede?“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 1