Das Bettlerkind.

Zu einem betagten Herrn, der zwar wohltätig, aber fast wunderlich war, kommt ein freundliches Bettelkind und bittet ihn um ein Almosen. „Wir haben schon seit dem Samstag kein Weissbrot mehr, und das schwarze ist so teuer, weil die Laibe so gross sind.“ Der Herr, der auf Ordnung hielt und das Betteln nicht wohl leiden konnte, sagte: „Weil du sonst so bescheiden bist, ich habe dich noch nie gesehen, und heute zum ersten Mal zu mir kommst, so will ich dir zwar ein Sechskreuzerlein schenken. Aber unterstehe dich nicht, dass du dich wieder bei mir blicken lassest, sonst geht’s mit einem Groschen ab.“ Also holte das Kind in Zukunft den Groschen fast über jeden andern Tag. Als er aber des Überlaufens müde war, sagte er: „Jetzt bin ich’s müde. Wenn du dich noch einmal unterstehst, so setze ich dich auf einen Kreuzer herab.“ Also kam das Kind in Zukunft alle Morgen und holte den Kreuzer. Die Köchin riet dem Herrn, er solle dem Kind gar nie mehr etwas geben, so wird’s schon wegbleiben. „So?“ sagte er, „das ist mir ein sauberer Rat. Seht Ihr nicht, je weniger man ihm gibt, desto öfter kommt’s?“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 1