Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Bd 1
Eine Auswahl aus verschiedenen Quellen
Autor: Hebel, Johann Peter (1760-1826), Erscheinungsjahr: 1811
Themenbereiche
Inhaltsverzeichnis
- Abendlied wenn man aus dem Wirtshaus geht.
- Baumzucht.
- Bequeme Schiffahrt, wer's dafür halten will.
- Blutbad in Neuburg am Rhein.
- Böser Markt.
- Brassenheimer Siegesnachrichten vom Jahre 1813.
- Brennende Menschen.
- Brotlose Kunst.
- Dankbarkeit.
- Das Bettlerkind.
- Das Blendwerk.
- Das Bombardement von Kopenhagen.
- Das Branntweingläslein.
- Das fremde Kind.
- Das letzte Wort.
- Das Mittagessen im Hof.
- Das schlaue Mädchen.
- Das seltsame Rezept.
- Das Vivat der Königin.
- Das wohlbezahlte Gespenst.
- Das wohlfeile Mittagessen.
- Denkwürdigkeiten aus dem Morgenlande 1.
- Denkwürdigkeiten aus dem Morgenlande 2.
- Denkwürdigkeiten aus dem Morgenlande 3.
- Denkwürdigkeiten aus dem Morgenlande 4.
- Der Barbierjunge von Segringen.
- Der betrogene Krämer.
- Der Bock.
- Der falsche Edelstein.
- Der fechtende Handwerksbursche in Anklam.
- Der fremde Herr.
- Der Fremdling in Memel.
- Der fromme Rat.
- Der Furtwanger in Philippsburg.
- Der geduldige Mann.
- Der geheilte Patient.
- Der Generalfeldmarschall Suwarow.
- Der geschlossene Magen.
- Der grosse Sanhedrin zu Paris.
- Der grosse Schwimmer.
- Der Handschuhhändler.
- Der Heiner und der Brassenheimer Müller
- Der Herr Graf.
- Der Herr Wunderlich.
- Der Husar in Neisse.
- Der kann Deutsch.
- Der kluge Richter.
- Der kluge Sultan.
- Der Kommandant und die badischen Jäger in Hersfeld.
50. Der Lehrjunge
Eines Tages wurde in Rheinfelden ein junger Mensch wegen eines verübten Diebstahls an den Pranger gestellt, an das Halseisen, und ein fremder, wohlgekleideter Mensch blieb die ganze Zeit unter den Zuschauern stehen und verwandte kein Auge von ihm. Als aber der Dieb nach einer Stunde herabgelassen wurde von seinem Ehrenposten und zum Andenken noch 20 Prügel bekommen sollte, trat der Fremde zu dem Hatschier, drückte ihm einen Kleinen Taler in die Hand und sagte: „Setzt ihm die Prügel ein wenig kräftig auf, Herr Haltunsfest! Gebt ihm die besten, die Ihr aufbringen könnt“; und der Hatschier mochte schlagen, so stark er wollte, so rief der Fremde immer: „Besser! Noch besser!“ und den jungen Menschen auf der Schranne fragte er bisweilen mit höhnischem Lachen: „Wie tut’s, Bürschlein? Wie schmeckt’s?“
Als aber der Dieb zur Stadt war hinausgejagt worden, ging ihm der Fremde von weitem nach, und als er ihn erreicht hatte auf dem Weg nach Degerfelden, sagte er zu ihm: „Kennst du mich noch, Gutschick?“ Der junge Mensch sagte: „Euch werde ich so bald nicht vergessen. Aber sagt mir doch, warum habt Ihr an meiner Schmach eine solche Schadenfreude gehabt und an dem Pass, den mir der Hatschier mit dem Weidenstumpen geschrieben hat, so ich doch Euch nicht bestohlen, auch mein Leben lang sonst nicht beleidiget habe.“ Der Fremde sagte: „Zur Warnung, weil du deine Sache so einfältig angelegt hattest, dass es notwendig herauskommen musste. Wer unser Metier treiben will, ich bin der Zundelfrieder“, sagte er, und er war’s auch--“wer unser Metier treiben will, der muss sein Geschäft mit List anfangen und mit Vorsicht zu Ende bringen. Wenn du aber zu mir in die Lehre gehen willst, denn an Verstand scheint es dir nicht zu fehlen, und eine Warnung hast du jetzt, und so will ich mich deiner annehmen und etwas Rechtes aus dir machen.“ Also nahm er den jungen Menschen als Lehrjungen an, und als es bald darauf unsicher am Rhein wurde, nahm er ihn mit sich in die spanischen Niederlande.
Eines Tages wurde in Rheinfelden ein junger Mensch wegen eines verübten Diebstahls an den Pranger gestellt, an das Halseisen, und ein fremder, wohlgekleideter Mensch blieb die ganze Zeit unter den Zuschauern stehen und verwandte kein Auge von ihm. Als aber der Dieb nach einer Stunde herabgelassen wurde von seinem Ehrenposten und zum Andenken noch 20 Prügel bekommen sollte, trat der Fremde zu dem Hatschier, drückte ihm einen Kleinen Taler in die Hand und sagte: „Setzt ihm die Prügel ein wenig kräftig auf, Herr Haltunsfest! Gebt ihm die besten, die Ihr aufbringen könnt“; und der Hatschier mochte schlagen, so stark er wollte, so rief der Fremde immer: „Besser! Noch besser!“ und den jungen Menschen auf der Schranne fragte er bisweilen mit höhnischem Lachen: „Wie tut’s, Bürschlein? Wie schmeckt’s?“
Als aber der Dieb zur Stadt war hinausgejagt worden, ging ihm der Fremde von weitem nach, und als er ihn erreicht hatte auf dem Weg nach Degerfelden, sagte er zu ihm: „Kennst du mich noch, Gutschick?“ Der junge Mensch sagte: „Euch werde ich so bald nicht vergessen. Aber sagt mir doch, warum habt Ihr an meiner Schmach eine solche Schadenfreude gehabt und an dem Pass, den mir der Hatschier mit dem Weidenstumpen geschrieben hat, so ich doch Euch nicht bestohlen, auch mein Leben lang sonst nicht beleidiget habe.“ Der Fremde sagte: „Zur Warnung, weil du deine Sache so einfältig angelegt hattest, dass es notwendig herauskommen musste. Wer unser Metier treiben will, ich bin der Zundelfrieder“, sagte er, und er war’s auch--“wer unser Metier treiben will, der muss sein Geschäft mit List anfangen und mit Vorsicht zu Ende bringen. Wenn du aber zu mir in die Lehre gehen willst, denn an Verstand scheint es dir nicht zu fehlen, und eine Warnung hast du jetzt, und so will ich mich deiner annehmen und etwas Rechtes aus dir machen.“ Also nahm er den jungen Menschen als Lehrjungen an, und als es bald darauf unsicher am Rhein wurde, nahm er ihn mit sich in die spanischen Niederlande.