Ludwig Bechstein - Von der Münchner Frauenkirche.

In der Liebfrauenkirche zu München gibt es mehr als ein Wahrzeichen und geht mehr als eine Sage von ihr. Es ist ein herrliches, stattliches Gebäude, zu dessen Grund und Aufbau man den Mörtel mit bayerischem Wein bereitete. Die Kirche erhielt dreißig prächtige, hohe Fenster, die zum Teil mit den herrlichsten Glasmalereien verziert sind. Als der Teufel einst voll Ärgernis über den neuen, schönen Tempel durch das Portal unterm Tore hineintrat, kam er auf eine Stelle zu stehen, wo er kein einziges von den Fenstern erblickte, und murmelte: »Kein Fenster? Kein Licht? Daran erkenn' ich meine Münchner sehr gut!« – wandte zufrieden um und brannte zum freundlichen Andenken in den Boden nur seine Fußstapfe, die noch heute zu sehen. Hatte sich aber stark geirrt, der dumme Teufel.

So lang die Kirche ist, fast so hoch sind ihre Türme, 333 Fuß. Auf dem linken, südlichen Turme ist es nicht geheuer, er wird nur selten betreten. – Jörg Gankoffen von Halspach (Haselbach bei Moosburg, wo noch sein Geburtshaus bezeichnet wird), hieß der Kirche Erbauer; er vollführte, wie eine Inschrift besagt, den ersten, den mittleren und den letzten Stein; zwanzig Jahre währte der Bau, und als der fromme Maurermeister den letzten Stein vollführt hatte, da starb er. Sein getreues Bildnis ist noch innerhalb der Kirche zu sehen, neben ihm das Bildnis des Zimmermanns, der den Dachstuhl baute. Es wurden dazu nicht minder als 1400 Flöße, jedes aus fünfzehn bis sechzehn Bäumen bestehend, auf der Isar herabgeflößt. Da der Bau vollendet war, fand sich ein zugerichteter, noch unverwendeter Balken, und dennoch fehlte nirgends auch nur eine Latte. Der Meister soll selbst den Balken aus dem Gerüst genommen und gesagt haben: »Nun komme her wer da wolle und sage mir, wo der Balken fehle und wo er füglich hingehört.« – Aber nach wie vor hat sich niemand gemeldet, und ist ein Jahrhundert um das andere vorübergegangen, und der überflüssige Balken ist noch immer vorhanden.


Außer dem Hochaltar hat die Frauenkirche dreißig Altäre, einer derselben ist Sankt Benno geweiht, der nächst der Himmelskönigin Münchens und der Kirche Schutzpatron ist. Der heilige Leichnam Bennos ward aus Meißen, wo er gelebt und manches Wunder vollbracht, gen München geführt, und als er von da in bedrohlicher Zeit nach Salzburg geborgen wurde, übte der Heilige ein neues Wunder; denn alsbald hörte mit seinem Eintreffen die grimmige Pest auf, welche damals zu München wütete; darum ward diesem Heiligen vorzugsweise der Name Wundertäter, Thaumaturgos, beigelegt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen