Ludwig Bechstein - Kaiser Karl im Brunnen und im Berge.

Eine Fürstin unter den Städten ist Nürnberg, sie war der deutschen Kaiser liebste Tochter, des fränkischen Reiches Krone und Thüringens Vormauer. Nürnberger Hand ging durch alle Land. So klang und klingt der alten freien Reichsstadt Lob von einer Zeit zur andern. Auf dem Markt zu Nürnberg steht der schöne Brunnen mit herrlichem Bildwerk geziert und vom künstlichsten Gitter umgeben. Der Brunnen soll 1600 Schuh tief sein, nach andern jedoch nur 300, die Kette, an der die Eimer hangen, wiegt 3000 Pfund. In dieses Brunnens Tiefe hat Kaiser Karolus Magnus sich verwünscht, um da drunten der Welt Ende zu erwarten. Einst liehen die Herren von Nürnberg einen Verbrecher in die Tiefe des Brunnens hinab, der sah Karolum drunten sitzen an einem Steintisch, wie den Barbarossa im Kyffhäuser. Der Bart war durch den Tisch hindurch gewachsen und reichte schon zweimal um denselben herum. Wann er zum drittenmal herumgeht, wird der Welt Ende vor der Türe sein.

Nicht weit von Nürnberg erhebt sich der Kaiser Karlsberg, auch in diesem soll der Kaiser Karl sitzen und auf der Welt Ende warten mit allen seinen Wappnern. In früheren Zeiten ward aus dem Berge oft ein schöner Gesang vernommen – da waren die Zeiten noch gut – jetzt hört man aus ihm nur noch klagendes Weinen, weil die Zeiten so schlecht sind. Damit das Weltende nicht allzu schnell herbeirücke, was schrecklich und sehr störend wäre, so muß des Kaisers Bart siebenmal um den Tisch wachsen, und da sich nun die Leute darüber gestritten und noch streiten, ob der Bart des verzauberten Kaisers dreimal oder siebenmal um den Tisch wachsen müsse, so ist davon das Sprichwort entstanden, wenn über unausgemachte Sachen nutzlos gestritten wird: Es ist ein Streit um des Kaisers Bart. Die Sage geht, ein Bäckerjunge aus Fürth habe einst durch einen Gang Brot in den Karlsberg gebracht, und als er das Geheimnis zu entdecken gezwungen worden, sei er vom letzten Mal nicht wiedergekehrt, und nur seine Kleider seien zerstückt außen am Berge gefunden worden.


Aus dunkler Mythenzeit schon klingt die Sage herein, daß ein König Nero im Berg verzaubert sitze, der habe der Stadt ihren alten Namen verliehen; NorimBerg, woraus allmählich Nürnberg geworden; denn mit dem römischen Kaiser dieses Namens hat Nürnberg nichts zu tun.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen